Warum für eine Pfeffermühle 19 Franken bei Galaxus zahlen, wenn man auf Temu eine ähnliche für 9 Franken findet? Der Verdacht liegt nahe, dass gewisse europäische Markenanbieter in den gleichen Fabriken in China bestellen und ihre Ware über Galaxus verkaufen, genauso, wie es jetzt Temu tut. Die Preisdifferenz würde sich mit den Marketingkosten erklären lassen. Die No-Name-Produkte von Temu haben kaum Werbekosten. Ob es patent- oder designgeschützte Plagiate sind, muss erst bewiesen werden.

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Temu pauschal zu verurteilen, ist falsch. Im Gegenteil, die Plattform belebt den Wettbewerb. Die Hersteller und die hiesigen Onlineanbieter müssen sich überlegen, ob ihre Margen nicht zu hoch sind. Ob Temu umweltschädigende Produkte oder Ramschwaren verkauft, die schnell kaputtgehen, wie es manche Social-Media-Einträge glaubhaft machen, muss erst bewiesen werden. Wenn europäische Hersteller in China bestellen, warum soll das nicht auch ein Schweizer Haushalt tun dürfen? Temu springt in diese Lücke, wie es schon Alibaba gemacht hat. Nur schlauer.

Temu liefert chinesische Produkte direkt und günstiger

So lässt Temu beispielsweise die Schweizerische Post oder die französische DPD austragen. Die Verträge sind privat, die Tarife konkurrenzfähig. So kann das hiesige Parlament der Post den Temu-Vertrag nicht verbieten. Die Klage auf ungleich lange Spiesse zieht nicht.

Sollte Temu auch offiziell Sitz in der Schweiz nehmen und die vorgezogene Entsorgungsgebühr verrechnen, wie es Brack oder Digitec tun, wird die Konkurrenz ihr schwerlich etwas anhaben können. Und sollte Temu giftiges Spielzeug vermitteln, werden Kaufboykotte folgen.

Klar ist: Temu wird Rabattpreise künftig fair anschreiben müssen, wie es hiesige Anbieter tun. Aber Hand aufs Herz: Welche Konsumentin glaubt Temu, dass die Preise tatsächlich um 50 Prozent herabgesetzt sind? Oder dass tatsächlich gerade noch das letzte Stück an Lager ist? So ködert Booking.com noch heute, und kaum jemand glaubt, dass das stimmt. Was zählt, sind der Endpreis und die Qualität.

Sobald Temu alle Gesetze beachtet, wird sich am attraktiven Angebot nicht viel ändern, denn Temu schafft es, chinesische Produkte direkt und günstig in europäische Haushalte zu bringen.

Disruptiv wie Uber und Airbnb

Temu zeigt einen disruptiven Charakter, wie es zuvor Uber im Taxibusiness und Airbnb oder Booking.com im Tourismus manifestierten. Sie alle haben das Matching von Angebot und Nachfrage revolutioniert. Der einzige Unterschied ist, dass Temu aus China kommt, während die anderen drei Portale aus den USA stammen.

Die US-Portale standen anfangs ebenfalls auf Kriegsfuss mit Schweizer Gesetzen. Doch sie lernten daraus. Uber zahlt jetzt Lohnsozialbeträge, und die Ruhezeitverordnung gilt mittlerweile auch für Uber-Fahrer. Airbnb zahlt Kurtaxen, und Booking.com hat unlautere Wettbewerbsbeschränkungen gestrichen. Temu wird so schlau sein, sich «einzuschweizern». Galaxus und Co. müssen ihr Geschäft neu denken.