Seit rund zwei Jahren werden die Stimmen immer lauter: Praktisch alle bekannten Tourismusgemeinden klagen über zu wenig Wohnraum für Einheimische und Angestellte. Und auch in nicht touristischen Berggemeinden gibt es immer weniger Erstwohnungen. Die Spurensuche für diese Entwicklung ist schnell gemacht. Das Volk hat zwei Gesetze durchgewinkt, deren Risiken und Nebenwirkungen sich heute zeigen. Am 11. März 2012 wurde die Zweitwohnungsinitiative hauchdünn angenommen. Seither gilt, dass der Anteil von Zweitwohnungen in einer Gemeinde bei höchstens 20 Prozent liegen darf. Ist er höher, dürfen keine neuen Zweitwohnungen gebaut werden.
Eine zentralistische Lösung. Sie wurde den Bergregionen, die die Regelung betrifft, von städtischen Kantonen aufs Auge gedrückt. Das Wallis und Graubünden hatten mit grosser Mehrheit gegen die Zweitwohnungsinitiative gestimmt. Denn es gab ja bereits regionale Lösungen, die Sinn machten. Im Oberengadin etwa erliessen Gemeinden Regulierungen, die vorschrieben, dass bei einem Neubau 50 Prozent Erstwohnungen gebaut werden müssen. Die Gemeinden verwarfen die Regulierungen. Das Bundesgesetz für Zweitwohnungen hatte Vorrang. Für eine schlechtere Lösung.
Das Perfide ist, dass das Zweitwohnungsgesetz den Bau von Erstwohnungen erheblich erschwert. Privatpersonen müssen einen umfassenden Nachweis erbringen, dass sie tatsächlich in dieser Gemeinde wohnen wollen. Unternehmen, die Erstwohnungen bauen wollen, müssen bereits die künftigen Käufer präsentieren. Hinter jedem Baugesuchsteller wird ein Gesetzesumgeher vermutet.
Gleichzeitig wurde der Neubau sehr stark eingeschränkt. Was mit dem neuen Raumplanungsgesetz (RPG) zusammenhängt. Die Vorlage zur Revision wurde 2013 vom Volk angenommen. Ziel der RPG-Revision war, die Zersiedlung zu stoppen. Ein hehres Ziel, das jedoch in städtischen Gebieten kaum umgesetzt wird. In ländlichen Regionen, die vielfach gar kein Zersiedlungsproblem haben, hingegen schon. Dort muss massiv Bauland zurückgezont werden. Im Wallis etwa rund zehn Millionen Quadratmeter. Dadurch wird der Neubau erheblich limitiert.
Der Markt für Erstwohnungen verschiebt sich zunehmend auf bestehende altrechtliche Bauten, die vor 2012 erstellt wurden. Doch diese Bauten werden spätestens bei einer Erbrechtsteilung an den Meistbietenden verkauft, der Ferienwohnungen daraus macht. Ein Schlupfloch im Zweitwohnungsgesetz. Es zeigt sich damit: Mehr Regulierung schafft mehr Probleme. Und nicht weniger.
9 Kommentare
Das Zweitwohnungsgesetz und das Raumplanungsgesetz wurden aus einer Not heraus gemacht und von linkes bis weit ins rechte Lager gutgeheissen. Es gab damals dringenden Bedarf, weil ohne diese Gesetze die Landschaft von potenten Investoren zugepflastert worden wäre. Zudem wäre die Anzahl von kalten Betten massiv gestiegen. Die einzig richtige Frage, die man stellen muss, heisst. Wie sähe die Schweiz heute ohne diese Gesetze aus? Vermutlich deutlich schlimmer. Dass die Baulobby in den Bergregionen nun wieder Druck macht, ist logisch aber die obenerwähnte Situation würde sofort wieder eintreten. Es scheint, dass sich Frau Gasser dieser Zusammenhänge in ihrem Kommentar nicht bewusst ist.
Das viel grössere Problem ist, dass die Zweitwohnungsinitiative manigfaltig umgangen wird und wir immer mehr Gutverdiener haben die zuzuziehen oder Firmen gründen und schlichtweg alles auf dem Markt aufkaufen.. es ist schnell eine Lösung gefunden, um auch als nicht Ansässiger eine Wohnung zu kaufen. Es dreht sich alles immer nur um den Preis und weil wir soviel Zuwanderung von Gutbetuchten haben, dreht die Verkaufspreisspirale immer weiter nach oben...
In aussterbenden Bergdörfern entstehen Zweitwohnungen durch Abwanderung von selbst.
Da geht gar nichts mehr.
Die dümmsten Initiativen werden am striktesten durchgesetzt.
Aus der Masseneinwanderungsinitiative hingegen wurde ein Freizügigkeitsabkommen, also das genaue Gegenteil.
Unsinnige (angenommene) Initiativen werden strikt durchgesetzt. Im aussterbenden Gebirgsdorf, wo die erlaubte Zahl von Zweitwohnungen durch Abwanderung von selbst entsteht, geht gar nichts mehr.
Was macht die Politik aus der Masseneinwanderungsinitiative? Ein Freizügigkeitsabkommen, also genau das Gegenteil.