Nachfolgeplanung gehört zu den grössten Herausforderungen für die Unternehmen. Während der Prozess früher oftmals dem Zufall überlassen wurde, gehen immer mehr Firmen einen anderen Weg. Sie setzen langfristige Prozesse auf, um diesen wichtigen Schritt zu gestalten, und lassen sich dabei begleiten.
So hielt es auch der Schweizer Informatikdienstleister Ergon. Die 1984 gegründete Firma mit Standort in Zürich und 300 Mitarbeitenden arbeitete bei ihrem Change-Prozess mit dem Rise Management Innovation Lab der Universität St. Gallen zusammen.
Ausgangspunkt dieser Entwicklung war der Entscheid der Geschäftsleitung im Jahr 2010, eine bewusste Verjüngung des Kaders und eine Nachfolgelösung zu initiieren. Der Prozess war auf fünf Jahre angelegt, was aufzeigt, wie aufwendig und langfristig eine solche Veränderung geplant werden muss.
Langjährige Forschungszusammenarbeit
Mit dem Rise Management Innovation Lab bestand bereits eine langjährige Forschungszusammenarbeit. Gemeinsam entstand die Idee, als Erstes mit einer breiten Gruppe von Führungspersonen (inklusive Vertretern der Geschäftsleitung) ein Ergon-spezifisches Weiterbildungsprogramm mit Fokus auf die strategische Entwicklung des Unternehmens aufzusetzen. Es hatte den Rahmen eines CAS (Certificate of Advanced Studies).
Während des Programms entstand der Wunsch, den simulierten Strategieprozess und die eingeübten Strategiepraktiken direkt an konkreten Herausforderungen anzuwenden.
Der ursprüngliche Plan wurde vom Verwaltungsrat revidiert, indem der Strategieprozess vorgezogen und die Selektion des künftigen Leitungsteams auf später verschoben wurde.
Der Strategieentwicklungsprozess mit bis zu vierzig beteiligten Mitarbeitenden wurde von einem Kernteam geführt. Die Analysephase und der nachfolgende Themenblock für Werte und Strategie wurden wie geplant umgesetzt.
Vom Alltag eingeholt
In der nächsten Phase für Organisation und Führungsgrundsätze holte der operative Alltag die Beteiligten ein. Das kontinuierliche Wachstum der Firma führte zu Führungsengpässen im Tagesgeschäft und verlangte eine Anpassung der operativen Führungsstruktur.
Die Geschäftsleitung stoppte darauf den laufenden Strategieprozess und veranlasste die Reorganisation aus ihrer Sicht. Diesen Stopp erlebten viele am Prozess Beteiligte nicht nur als Intervention in einen dynamischen Prozess, sondern auch als Erleichterung. Es ist anspruchsvoll, eine Organisation zu entwickeln, in der man seine künftige Rolle noch nicht kennt.
Während der Umsetzung der Reorganisation entwickelte die Geschäftsleitung in einem letzten Schritt Ideen für die Struktur des künftigen Leitungsteams und schärfte diese mit den sich abzeichnenden Mitgliedern dieses Teams. Danach wurden die Mitarbeitenden informiert, die Vorstellungen weiter geschärft und die neuen Strukturen im Alltag getestet.
In der anschliessenden Befragung der Mitarbeitenden kam es zu einer hohen Zustimmung für das neue Leitungsteam. «Ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant hat das neue Leitungsteam Mitte 2016 die Führung der Firma übernommen», sagt Gabriela Keller, die am Ende des Prozesses die neue Chefin des Unternehmens wurde.
Internet Nachfolge absolut notwendig
«Wenn man so eine spezielle Kultur hat wie wir, dann ist es eine absolute Notwendigkeit, eine interne Nachfolge zu finden. Ein Externer hätte Mühe, Akzeptanz zu finden, weil er unsere Kultur zu wenig kennt», erklärt der damals abtretende Firmenchef, spätere Verwaltungsratspräsident und heutige Ergon-Fellow für Spezialaufgaben, Patrick Burkhalter, den Prozess.
Diese besondere Kultur ist geprägt von den Werten «immer besser» (kontinuierliche Verbesserung), «Transparenz» und «Beteiligung». Das bedeutet beispielsweise, dass alle Mitarbeitenden Einblick in die Zahlen zum Geschäftsgang haben. Auch das Salärreglement und die Gehälter sind transparent, zudem ist ersichtlich, wie viel ein Projekt kostet oder wie lange an einem Projekt gearbeitet wird.
«Dies mit dem Ziel, dass unsere Mitarbeitenden eigenverantwortlich arbeiten und dass sich dieses Selbstverständnis auch im Umgang mit den Kunden wiederfindet», erklärt CEO Keller. «Dies führt zu höherer Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, indem unsere Mitarbeiter bereit sind, mehr zu tun als nur das unbedingt Notwendige, und sich in ihren Projekten sehr stark engagieren.»
Die Mitarbeitenden sind an Risiko und Erfolg der Firma beteiligt. 20 Prozent des Salärs sind variabel und werden erst Ende Jahr ausbezahlt, wenn es der Geschäftsgang erlaubt. Ergänzend gibt es eine Erfolgsbeteiligung, unter anderem, indem die Projektteams einen bestimmten Betrag innerhalb des Teams selber verteilen. Etwa die Hälfte der Mitarbeiter sind zudem als Aktionäre an Ergon beteiligt.
Mitarbeitende wurden involviert
Im Rückblick wird der Prozess vor allem deshalb als positiv gesehen, weil die Mitarbeiter involviert wurden und das Hauptziel einer guten Nachfolgeregelung erreicht wurde.
Als verbesserungswürdig wird gesehen, dass man Erwartungen und Rollen der Beteiligten besser und schneller kennenlernen sollte.
Auch der Verwaltungsrat hätte etwas stärker involviert werden sollen, wie auf einer Tagung der Schweizerischen Management Gesellschaft (SMG) resümiert wurde.
Die Zusammenarbeit mit dem Rise Management Innovation Lab wurde als wertvoll empfunden. «Diese langfristige Begleitung in Form von Beobachtung, Spiegel, Reflexion und Struktur hat uns geholfen, unseren eigenen Weg zu gehen.»
Inspiration von aussen
Die beteiligten Manager und Mitarbeitenden seien so in die Lage versetzt worden, unabhängig die eigene Firmengeschichte zu entwickeln und vor allem weiterzuschreiben.
Externe Inputs, vor allem Erfahrungen von anderen Firmen, hätten dazu geführt, dass man sich nicht nur mit sich selbst beschäftigt habe, sondern auch Inspiration von anderen bekommen konnte.
«Im Zentrum stand eben nicht nur die Frage, wie man mich ersetzen will», so Burkhalter, sondern auch, wie Ergon sich positionieren wollen und könne.
Diese Verknüpfung von Personalauswahl auf der höchsten Ebene und der ständigen Arbeit an Zukunftsperspektiven, immer auf der Basis der Grundwerte von Ergon, hat zum Erfolg des Prozesses beigetragen.
Grundprinzipien als Vorteil
Auch in Zukunft wird Ergon gefordert sein, die Firma weiterzuentwickeln und darauf zu achten, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu integrieren.
«Wir beschränken unser Wachstum bewusst auf 5 bis 10 Prozent, damit wir es verdauen können. Aber Wachstum ist eine permanente Herausforderung, der wir uns stellen müssen», so CEO Keller.
Die Grundprinzipien der Firma sind im Wettbewerb um die besten Talente aber ein wichtiger Vorteil. Menschen, die bei Ergon arbeiten, könnten schon morgen einen neuen Job finden, so stark ist der Bedarf an Talenten in der IT.
Gerade Einsteiger haben aber hohe Ansprüche an Transparenz und Mitwirkung – Möglichkeiten, die es bei Ergon bereits seit langem gibt und die eine Werbung für das Unternehmen auf dem Absolventenmarkt sind.