Das Unboss-Programm von Novartis gehört zu den interessantesten Kulturprojekten der Schweiz. Ein jahrzehntelang streng hierarchisch geprägter und nach aussen verschwiegen wirkender Konzern will eine neue Firmenkultur entwickeln. Offener, agiler, digitaler und ganz ohne Mega-Egos, die ohne Rücksicht auf ihre Teams durchregieren. Schliesslich will CEO Narasimhan auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber für die schlausten Köpfe bleiben.
Das Managementkonzept ist nicht neu: Es baut auf den Theorien des dänischen Unternehmers und Autors Lars Kolind auf. Als Vorbild dient etwa Satya Nadella, der Microsofts Firmenkultur radikal umkrempelte und den einstigen Marktführer innerhalb von fünf Jahren wieder zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt machte.
Wie das Konzept bei Novartis aussieht und was den Novartis-Chef motiviert, hat er im «Handelszeitung»-Podcast «Schöne neue Arbeitswelt» ausführlich erläutert. Hier die wichtigsten Themen:
Die Idee hinter «Unboss»
«Inspiration and purpose»: Sinnhaftigkeit vermitteln und Mitarbeitende inspirieren sind für Vas Narasimhan der Schlüssel, um ein Unternehmen erfolgreich zu leiten. Seit Februar 2018 steht er an der Spitze von Novartis. Der Chef will den Konzern in die digitale Zukunft führen und die Unternehmenskultur radikal verändern. Sein eigener Führungsstil: Diene dem Team, um das Beste aus den Mitarbeitenden herauszuholen.
Diese Kultur will Narasimhan bei Novartis umsetzen. Denn er hat erkannt, dass viele hochqualifizierte Leute nicht zum Basler Pharmariesen kommen, um Befehle von oben auszuführen. Vielmehr müsse das Unternehmen auf die Mitarbeitenden hören. Nur so könne Novartis produktiver und innovativer werden. Das Motto des Kulturwandels lautet «Unboss the company». Ein Konzept, das auf genügend interne Skepsis stiess – schliesslich stand bei Novartis lange Zeit eine straffe Hierarchie über allem anderen.
Die Implementierung von «Unboss»
Früher hätten bei Novartis Manager vor allem nach unten delegiert. Die Top-down-Methode war der dominante Führungsstil. «Wir wollen die Pyramide umdrehen: Die Mitarbeitenden sind oben und die Manager räumen die Hindernisse auf allen Ebenen des Unternehmens aus dem Weg», so Narasimhan. Für viele aus der Firma sei das eine völlig neue Denkweise gewesen, berichtet der CEO: «Der grösste Treiber von Leistung und Innovation sind die Unternehmenskultur und die Führung.
Den meisten Managern bei Novartis war dieses Konzept fremd. Dafür brauchte es einige Überzeugungsarbeit und ich glaube, wir sind auch noch nicht ganz am Ziel. Wir befinden uns auf einer Reise von fünf bis sieben Jahren.» Mehr Offenheit für die Strategie erlebte er bei den Millennials. Diese Generation habe die Unboss-Strategie von Anfang an unterstützt. Gepusht werden soll das Projekt weiter durch ein Trainingsprogramm für die 200 Top-Manager des Konzerns.
Learnings aus der ersten Phase
Narasimhan beobachtet, dass sich vor allem grössere Ländergesellschaften oder Tochterfirmen schwerer mit der Umsetzung des Unboss-Konzepts tun. «Ich würde sagen, dass es bereits einige Bereiche bei Novartis gibt, die unbossed sind, vor allem in kleineren Ländern. Je grösser das Unternehmen, desto schwieriger ist es, die Strategie zügig umzusetzen.»
Immer wieder müsse kommuniziert werden, dass dieser Kulturwandel ernst gemeint sei. Bei Neueinstellungen und der Vergabe von Positionen würde darauf geachtet, wer diesen neuen Führungs- und Firmenkulturgedanken bereits verinnerlicht habe.
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«Ein Unternehmen braucht Symbole und Vorbilder. An entscheidenden Stellen brauchen wir Führungskräfte, die von diesem Kulturwandel überzeugt sind, ansonsten kommen wir nicht voran.» Wichtig sei es ebenfalls, die Fortschritte, die mit dem Programm gemacht würden, zu messen. «Wenn unsere Manager sehen, dass die Leistung ihrer Mitarbeitenden durch die Unboss-Kultur besser wird, steigt die Akzeptanz. Der beste Weg, die Führung von der neuen Kultur zu überzeugen, ist, zu zeigen, dass sie Leistung und Innovation fördert», sagt Narasimhan.
Diese Tools werden genutzt
Um die Mitarbeitenden des Unternehmens an die Unboss-Kultur heranzuführen, setzt Novartis eine Reihe von Tools ein. Etwa Linkedin Learning. Die Online-Weiterbildungsplattform Coursera ist kostenlos für alle Mitarbeitenden. «Unser Ziel ist es, Neugier und Wissensdurst zur DNS des Unternehmens zu machen», so der Novartis-Boss.
Zudem versuche man, die Mitarbeitenden über das soziale Unternehmensnetzwerk Yammer zu motivieren. So erzählen zum Beispiel Mitarbeitende Geschichten darüber, was die Novartis-Medikamente bewirken, zudem werden Patienten porträtiert, die mit den Medikamenten behandelt werden konnten. «Wir hatten Anfang 2018, als ich CEO wurde, weniger als 1000 Mitglieder, heute sind es fast 90 000. Das verbindet unsere Mitarbeitenden weltweit. Ich habe unterschätzt, wie wirkungsvoll dieses Tool ist, um die Mitarbeitenden zu mobilisieren», erklärt Narasimhan.
Geändert wurde auch die Feedbackkultur gegenüber Vorgesetzten. Per Online-Befragung erhalten die 15 000 Manager von den Mitarbeitenden eine Note für ihre Führungsqualität. Das entsprechende Tool: Pigeonhole. Narasimhan hätte nicht erwartet, wie motiviert Chefs und Chefinnen sind, wenn es plötzlich Noten von den Mitarbeitenden gibt. Ein Teamleader solle sich weniger als Chef und mehr als Coach verstehen. Mikromanagement von oben ist, wenn es nach dem Chef geht, bei Novartis bald Geschichte.