Das Thema künstliche Intelligenz (KI) bewegt Aktienkurse: Als das chinesische Suchmaschinenunternehmen Baidu Mitte März 2023 in Peking seinen Chatbot vorstellte und dabei das Fachpublikum nicht überzeugte, fielen die Baidu-Aktien um 10 Prozent. Als Microsoft im Januar 2023 sein 10-Milliarden-Investment in Open AI, der Firma, welche die Chat-GPT-Anwendung geschrieben hat, ankündigte, stiegen die Microsoft-Aktien um 2 Prozent.

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Anlegerin denkt, der Robo lenkt

Nicht nur Menschen verursachen Kursbewegungen. Sogenannte Algo-Trader arbeiten seit über zwanzig Jahren mit Systemen, welche die relevanten Informationen aus Nachrichten auslesen und dann, regelgeleitet, bei schlechten Nachrichten automatisch Verkaufsaufträge, bei «good news» dagegen Kauforder auslösen. Oder umgekehrt – denn oft sind schlechte Nachrichten gute Kaufgelegenheiten, gute dagegen Verkaufsgelegenheiten. Und weil das erfahrene Börsenakteure wissen, handeln sie oft genau dagegen – und dann wird das Erkennen von entscheidenden Signalen im Lärm der vielen Geräusche zur Herausforderung.

Mit Machine Learning erkennen fortschrittliche Algo-Trading-Systeme zunehmend besser, ob und unter welchen Umständen welche Signale die Börsenkurse bewegen. Einige Assetmanager arbeiten mit Systemen, die nicht nur Börsendaten, technische Indikatoren sowie aktuelle Meldungen, sondern auch die Geschäftsberichte und Analystenkommentare auswerten. Weitere Systeme verwerten auch die Kommunikation in sozialen Netzwerken.

Swissquote hat seit 2010 einen Robo-Advisor, der die Gelder automatisch anlegt.

Die Bilanz dieser Fonds, die mit Signalen solcher KI-Systeme investieren, sind laut einer Auswertung des Analyseunternehmens Scope gemischt. Es gibt zwar einige, die mit globalen Vergleichsindizes mithalten. Aber auf kurze Sicht schnitten die meisten dieser Fonds schlechter als die Benchmarks ab. Denn die KI neigt dazu, Momentumstrategien zu verstärken – damit laufen entsprechende Fonds in schwachen Phasen hinter dem Markt, sie übertreffen die Benchmarks aber oft in besseren Phasen.

In den USA haben sich einige spezialisierte Online-Broker etabliert, die ihren Investoren KI-Systeme zugänglich machen. Plattformen wie Trade Ideas, Signal Stack, Stock Hero und Trend Spider arbeiten mit den sogenannten Trading Bots, bei denen die User – nachdem sie sich über Simulationen und Backtesting vertraut gemacht haben – ihre Aufträge von den Algorithmen umsetzen und ausführen lassen können.

 

Jeder Person ihr individuelles Portfolio

Swissquote hat seit 2010 einen Robo-Advisor, der die Gelder automatisch anlegt. Laut einer Sprecherin verwendet er einen quantitativen Portfoliomanagement-Ansatz, der Statistik, Mathematik und Algorithmik verbindet. Das Anlageuniversum umfasst Tausende von Wertpapieren (Einzelwerte, ETF, Fonds, strukturierte Produkte), die sich auf unterschiedliche Weise zu beliebig vielen Portfolios kombinieren lassen. Jede Kundin, jeder Kunde habe ein individuelles Portfolio, aber aufgrund der Häufigkeiten der Strategieänderungen könne man keine durchschnittliche Performance ausweisen. «Jede Performance ist daher individuell und kundenabhängig», so die Sprecherin.

Gewinner auf den zweiten Blick

Laut den Analysten von Morgan Stanley sind das Portfoliomanagement und die automatisierte Handelsabwicklung lediglich zwei von vielen Anwendungsfeldern von KI bei Finanzanlagen. Die Mustererkennung, wie sie in Form der Nachrichtenanalyse geschieht, das automatisierte Onboarding von Neukunden oder die Betrugserkennung sind KI-Querschnittsthemen, die zwar auch für Online-Broker-Plattformen relevant sind, sich aber auch in weiteren Sektoren der digitalen Wirtschaft etabliert und bewährt haben.

Ob die Investoren, die sich auf die KI-Systeme bei der individuellen, optimierten Titel-, Fonds- oder ETF-Auswahl verlassen, den besseren Schnitt machen als die Zulieferer, ist eine andere Frage. Die sogenannten Transformer, welche die Grundlage der Chat-GPT-Systeme und ihrer Konkurrenten bilden und bei denen die eingegebenen Daten in Sequenzen von Vektoren umgewandelt werden, bei denen die Vektoren die wahrscheinlichsten Output-Sequenzen berechnen, repräsentieren lediglich einen kleinen, wenn auch seit Dezember 2022 sehr sichtbaren Teil der KI-Entwicklungen.

Allen KI-Systemen gemeinsam ist der hohe versteckte Aufwand, der in der Datensammlung, der Aufbereitung und den Trainings steckt. Ohne ständige Feedbacks von Menschen funktionieren die Systeme nicht. Und alle KI-Systeme arbeiten mit den gleichen Spezialprozessoren einiger weniger Firmen wie Nvidia, sie nutzen die Cloud-Umgebungen der grossen Hyperscaler wie Amazon Web Services, Google oder Microsoft. Und laut den Morgan-Stanley-Analysten steigen auch weitere versteckte Aufwände für Energie und Datenleitungen.

Als oft genannte Gewinner der KI-Welle gelten die erwähnten grossen Tech-Unternehmen. Allerdings gibt es laut den Analysten zwei weitere Kategorien von Firmen, die viele Anlegerinnen und Anleger übersehen. Das sind einerseits die mittelgrossen Tech-Firmen, die sich auf Verbesserungen bei Datennetzen spezialisiert haben. Anderseits werden Unternehmen, die sich bereits in der digitalen Wirtschaft in den Bereichen Online-Reisen, E-Commerce, personalisierte medizinische Dienste und Logistik etabliert haben und die jetzt die KI-Fortschritte besonders gut in ihre bisherige digitale Kundeninteraktion integrieren, besonders profitieren. Hier steht man erst am Anfang – und hier ist das noch Rennen offen.