«Unsere autonomen Fahrzeuge fahren jeden Monat mehr als eine Million Meilen», sagte Tekedra Mawakana, CO-Chefin von Waymo, der Sparte für autonome Fahrzeuge bei der Google-Muttergesellschaft Alphabet, im Januar an der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas. «Die Fahrzeuge verursachen gemäss unseren Untersuchungen weitaus weniger ernsthafte Unfälle im Vergleich zu den Autos, die von Menschen gelenkt werden.» Diese Zuversicht wird auch von neutraler Stelle geteilt. «Seit Sommer 2024 sahen wir grosse Fortschritte bei den selbstfahrenden Fahrzeugen», stellten die Analysten von S&P Global kürzlich fest. Bis zum Jahr 2034 könnten gemäss ihren Prognosen jährlich 230’000 Exemplare alleine in den USA verkauft werden.
Erste Erfolge, viele Rückschläge
«Bei generativer künstlicher Intelligenz machen wir derzeit sehr grosse Fortschritte», sagte Google-CEO Sundar Pichai Mitte Dezember an der erweiterten Firmen-Weihnachtsfeier seines Unternehmens in Mountain View, südlich von San Francisco. «Wir haben eine ähnliche Situation bei generativer künstlicher Intelligenz wie bei Waymo vor 15 Jahren.» Die Google-Tochter Deepmind hatte vor Open AI grundlegende Vorarbeiten veröffentlicht – diese aber nicht in ein fertiges Produkt überführt, weil man das Google-Kerngeschäft nicht disrumpieren wollte.
Auch Nvidia-CEO Jensen Huang sieht viele Parallelen zwischen den Fortschritten bei autonomen Fahrzeugen und bei der künstlichen Intelligenz (KI). «Autonome Fahrzeuge werden die erste Multi-Milliarden-Dollar-Roboterindustrie werden», erwartete Huang an seiner Präsentation an der CES. Der Optimismus, den der damaligen Google-Mitgründer Sergey Brin 2012 formuliert hatte – bis 2017 wollte man serienreife autonome Fahrzeuge bereitstellen – ist wieder zurück. Es gab dann allerdings nach Anfangserfolgen viele kleinere und grössere Rückschläge und man erkannte auch, dass viele bis anhin verfolgte Computer- und Verarbeitungskonzepte in der Praxis nicht richtig funktionierten. Die rasche Entwicklung bei generativer KI bringt einige Hinweise, wie es mit der Entwicklung autonomer Fahrzeuge weitergehen könnte – und umgekehrt.
KI-Agenten als neue Kollegen
Augenfällig ist der grosse Optimismus nach den ersten grossen Fortschritten. «Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir jetzt wissen, wie wir eine künstliche allgemeine Intelligenz bauen können», schrieb Open-AI-Chef Sam Altman Ende vergangenen Jahres in einem Ausblick auf das laufende Jahr. Dann würden die Fähigkeiten der Maschinen die der meisten Menschen überholen und übersteigen. «Und 2025 werden wir die ersten KI-Agenten sehen, die am Arbeitsmarkt teilnehmen werden.» Solche KI-Agenten können für die Nutzerinnen und Nutzer eine Reihe komplexer Aufgaben übernehmen: Sie können weiterhin wie Suchmaschinen Links zu einer möglichen Reise anzeigen, aber eben auch mittels Systemen wie Chat GPT die wichtigsten Sehenswürdigkeiten einer Reise auflisten – inklusive der besten Hotels und Restaurants.
Allerdings können die KI-Agenten bisher nur das – und keine weiteren Aufgaben übernehmen. Die KI-Industrie entdeckt erst in diesen Monaten, dass es einen grossen Unterschied macht, ob man solche Agenten für ganz bestimmte Aufgaben einrichtet und nutzt – oder sie «einfach machen lässt». Das Gleiche gilt auch für autonome Fahrzeuge. Auch hier besteht ein grosser Unterschied zwischen einfachen Überlandfahrten sowie längeren Autobahnstrecken mit besten Sicht- und Strassenverhältnissen auf der einen Seite – und Fahrten bei schlechten Sicht- und Strassenverhältnissen auf der anderen Seite, für die robuste Systeme erforderlich sind.
Small ist auch beautiful
Hinzu kommen weitere Parallelen. Genauso wie man bei autonomen Fahrzeugen immer wieder die Grenze von dezentraler (gerechnet wird in den Fahrzeugen selber) und zentraler Datenverarbeitung (in grossen Rechenzentren) verschoben hatte, konzipiert man jetzt bei den grossen KI-Firmen einfache Modelle, die 90 Prozent der Aufgaben auf fortschrittlichen Handys erledigen sollen, ohne Rückgriff auf die stromfressenden und teuren GPU-Prozessoren in den Rechenzentren.
Weiter gibt es eine Debatte darüber, wie gross die KI-Foundation-Modelle sein müssen, die der generativen KI zugrunde liegen, und wie gross die Datenbestände sein müssen, mit denen die KI-Systeme in autonomen Fahrzeugen arbeiten. In beiden Fällen zeigt sich, dass die Gleichung «grösser gleich besser» nicht unbedingt zielführend ist, wie das chinesische Unternehmen Deepseek im Januar gezeigt hat. Und dann ist da noch das Problem der Zuverlässigkeit. Niemand würde heute einen KI-Agenten einfach so mit einem autonomen Fahrzeug auf eine Shopping-Tour schicken. Die Sorge, was eine KI unbeaufsichtigt einkaufen könnte, ist mindestens so gross wie die Befürchtung, dass das KI-Team nicht sicher ankommen könnte. Spätestens an diesem Punkt wird klar, dass autonome Fahrzeuge und die KI-Agenten optimierte Umgebungen und angepasste Strukturen benötigen, damit die Nutzung in der Praxis reibungslos funktioniert. Dabei kommt wieder der Mensch ins Spiel – und damit zeigt sich, dass die Entwicklung bei autonomen Fahrzeugen brauchbare Hinweise dafür geben kann, wie es bei der künstlichen allgemeinen Intelligenz weitergehen könnte – und umgekehrt.