In der Schweiz wird die Wohnungsnot immer spürbarer. «Die Lage am Wohnungsmarkt wird sich in den nächsten Jahren weiter zuspitzen», ist sich Samuel Leder, Program Manager Urban Management am Center for Urban & Real Estate Management (Curem) der Universität Zürich, sicher. Ein entscheidender Faktor sei die rückläufige Anzahl neu geplanter Wohnungen. Auch der Leerwohnungsbestand, der 2024 nur noch knapp über der kritischen Marke von 1 Prozent lag, ist ein deutliches Zeichen. Besonders betroffen sind vor allem die städtischen Zentren, in denen sich die Wohnungsknappheit seit Jahren verschärft hat und freie Wohneinheiten innerhalb von wenigen Tagen neue Mieterinnen und Mieter finden. So waren beispielsweise Wohnungen im Kanton Zug letztes Jahr durchschnittlich nur zehn Tage ausgeschrieben.
Hürden für die bauliche Verdichtung
Doch weshalb wird nicht mehr Wohnraum gebaut? Samuel Leder ist überzeugt, dass Verdichtung – das Schaffen von zusätzlichem Wohnraum an zentralen Lagen – sowohl ökonomisch und ökologisch als auch gesellschaftlich sinnvoll ist. Dass Verdichtungsprojekte oft auf lokalen Widerstand stossen, führt er auf verschiedene Ursachen zurück: Es fehlen politisch breit abgestützte Entwicklungsvisionen, lokale Betroffene haben kaum konstruktive Mitsprachemöglichkeiten, und es besteht eine weitverbreitete generelle Skepsis, dass Verdichtungsprojekte auch einen Mehrwert für das Umfeld bieten können. «In der Schweiz gibt es nur sehr wenige neuere Beispiele für attraktive Siedlungsgebiete mit wirklich hoher Dichte», erklärt er. «Dabei zeigen Beispiele in Städten wie New York, Barcelona oder Amsterdam, dass hohe Dichte und Attraktivität keine Gegensätze sein müssen.»
Urban Management als Ansatz
Das Curem-Institut an der Universität Zürich bietet mit dem «CAS UZH in Urban Management» ein Weiterbildungsprogramm an, welches innovative und kooperative Lösungsmodelle für die herausfordernde Aufgabe der Innenentwicklung vorstellt. Dazu Studiengangleiter Samuel Leder: «Die zentrale Frage des Urban Management ist: Wie lässt sich durch einen partnerschaftlichen Planungsprozess sozialer und ökonomischer Mehrwert und mehr Planungssicherheit schaffen? Es geht also anders als in der ursprünglichen Raumplanung nicht nur um das Eingrenzen von negativen Effekten wie zum Beispiel Lärm oder Schattenwurf, sondern auch und ganz zentral um das Erkennen und Nutzen von Synergien und Potenzialen, welche die Stadtentwicklung zuhauf bietet.» Dabei ist der passende Einbezug aller relevanten Akteure wesentlich, denn nur so lassen sich eine kooperative Grundhaltung und verlässliche Partnerschaften fördern. «Innenentwicklung braucht Leadership-Fähigkeiten, um gemeinsame Prozesse effizient voranzubringen und das Vertrauen aller Betroffenen zu gewinnen», sagt der Experte.
Kernelemente des sechsmonatigen, berufsbegleitenden Weiterbildungsprogramms sind Module in «Urban Science», «Urban Governance» und «Urban Leadership». Diese decken die analytischen Grundlagen ab, erklären die Funktionsweise der Raumplanung und der Wohnraumpolitik und vermitteln konkrete Leadership-Tools zur Prozessgestaltung und Umsetzung. Parallel findet eine praxisorientierte Case-Study in kleinen, interdisziplinären Gruppen statt, in der das Gelernte direkt auf konkrete Fälle angewendet wird.
Imageproblem der Immobilienwirtschaft
Neue Rollenverständnisse und verstärkte Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Akteuren und Akteurinnen sind auch aus einem anderen Grund notwendig: «Die Immobilienbranche hat in der breiten Bevölkerung ein Imageproblem, und die Glaubwürdigkeit des Absenders ist bekanntlich entscheidend für die Realisierungschancen mutiger Projekte – ganz besonders in der direktdemokratischen Schweiz» , sagt Samuel Leder. «Projekte wie die Kalkbreite in Zürich konnten trotz grosser Komplexität realisiert werden, während andere ambitionierte Projekte wie das Agglolac von Mobimo in Biel scheiterten.»
Partnerschaftliche Raumentwicklung bedeutet, dass alle Akteurinnen und Akteure ihre Verantwortung erkennen und wahrnehmen – Kantone und Gemeinden müssen klare inhaltliche Visionen entwickeln, und die Immobilienentwickler sollten mit einem passenden Nutzungs- und Bewohnermix einen Beitrag zu den Umfeldqualitäten leisten und nicht nur als Trittbrettfahrer davon zehren.
Für solche Ansätze gibt es auch im nahen Ausland inspirierende Vorbilder – so finden sich beispielsweise in den Niederlanden schon seit längerem Public-Private-Partnerships mit eindrücklichen Resultaten. Aber auch in Deutschland oder Italien lassen sich in den letzten Jahren zunehmend innovative Ansätze beobachten, wie mit anderen Prozessen und Rollenverständnissen lebendige Nachbarschaften mit hoher Dichte und Lebensqualität geschaffen werden können.