Micro-Credentials sind kurze, spezialisierte «Lerneinheiten», die spezifische Fähigkeiten und Kenntnisse vermitteln. Diese neuen Bildungsformate ermöglichen, in einem konkreten Wissensbereich neue Handlungskompetenzen zu erwerben. Der Schweizerische Verband für Weiterbildung (Sveb) betont, dass besonders «Just-in-time-Weiterbildungen» ein grosses Potenzial haben. Sie können flexibel und vergleichsweise schnell auf aktuelle Bedürfnisse und Entwicklungen am Arbeitsmarkt reagieren. Oft sind es Innovations- oder digitale Themen, die es zu vermitteln gilt. 

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Die Autoren

Erik Nagel, Vizedirektor der Hochschule Luzern – Wirtschaft (HSLUW)
Sebastian Huber, Forscher Leiter Weiterbildung IBR (HSLUW)

Das Konzept der kurzen Lerneinheiten ist jedoch nicht neu. Diese werden von unterschiedlichen Bildungsinstitutionen der Schweiz und darüber hinaus bereits erfolgreich als Seminare, Konferenzen, Kurse, mitunter auch als «Weiterbildungs-Canapés» oder «Boxenstopps» vermarktet. Neu ist, dass für kürzere Lerneinheiten Weiterbildungs-Kreditpunkte (ECTS) – daher Micro-Credentials – vergeben werden können, womit sich Möglichkeiten der Anrechenbarkeit und Kombinierbarkeit in der Hochschulweiterbildung eröffnen.

Um flexibel spezifische Fähigkeiten zu erwerben, die direkt auf aktuelle berufliche Bedürfnisse zugeschnitten sind, bieten Micro-Credentials zahlreiche Vorteile für Fach- und Führungskräfte. Und das vor allem dort, wo neue Technologien, Arbeitsweisen und Methoden evaluiert oder eingeführt werden (sollen). Gleiches gilt, wenn sich Mitarbeitende, Teams oder eine ganze Organisation in einem Themenfeld qualifizieren möchten. Hier kombinieren Micro-Credentials den kompakten Kompetenzerwerb mit einem niederschwelligen Einstieg in die Hochschulweiterbildung. In einer kurzen Lernsequenz eignen sich Teilnehmende relevante und für den Arbeitsalltag nützliche Kenntnisse an. Attraktiv sind sie für Berufstätige insbesondere dann, wenn diese einen klar definierbaren Weiterbildungsbedarf haben, ohne umfangreiche Zeit- und Geldinvestitionen tätigen zu müssen.

Unternehmen profitieren ebenfalls von der konzisen Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden für spezifische Aufgaben und Projekte. Dies erhöht nicht nur die Effizienz, sondern unmittelbar auch die Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Gleichzeitig ermöglicht die Vergabe von Kreditpunkten für die Mitarbeitenden eine Einbettung in die längerfristige Hochschulweiterbildung.

 

Wie Hochschulen reagieren

Schweizer Hochschulen haben bereits begonnen, auf die steigende Nachfrage nach Micro-Credentials zu reagieren. Zunehmend können damit auch ECTS-Punkte erworben werden. Dabei prüfen Hochschulen aktuell, inwieweit diese kurzen Lernmodule an Bildungsabschlüsse wie Certificate of Advanced Studies (CAS) oder Master of Advanced Studies (MAS) angerechnet werden oder gar so kumuliert werden können, dass daraus neue Abschlüsse entstehen. Als Ergänzung zu umfangreichen Weiterbildungsangeboten eignen sich aktuelle, sich schnell verändernde und spezifische Themen wie beispielsweise im Bereich nachhaltige Geschäftsmodelle, generative künstliche Intelligenz, agile Führung oder Talentbindung besonders gut für kurzformatige Weiterbildungen. Diese Themen erfordern spezifisches Wissen, das durch Micro-Credentials effektiv vermittelt werden kann.

 

Der Blick nach vorn

Die Integration von Micro-Credentials in bestehende Bildungssysteme bringt auch einige Herausforderungen mit sich. Dazu gehören die Verpflichtung zu Qualitätsstandards auf Stufe der Hochschulweiterbildung und die Sicherstellung der Bekanntheit der neuen Formate neben bestehenden Bildungsangeboten wie CAS und MAS, aber auch Diploma of Advanced Studies (DAS), Master of Business Administration (MBA) oder dem Executive Master of Business Administration (EMBA). Gleichzeitig eröffnen Micro-Credentials vielversprechende Perspektiven für die Zukunft der Weiterbildung in der Schweiz, da sie für Fach- und Führungskräfte die Themenvielfalt vergrössern und die niederschwellige Zugänglichkeit zu neuem Wissen verbessern. Auch können sich Personen für Weiterbildungen entscheiden, denen bestehende Angebote zu umfangreich oder auch kostenintensiv sind.

Micro-Credentials haben das Potenzial, die Weiterbildung in der Schweiz zu stärken, da sie an die bewährten modularen und praxisnahen Formate anknüpfen. Parallel bieten sie flexible und effiziente Lernmöglichkeiten für Fach- und Führungskräfte, um sich schnell an die sich ständig verändernden Anforderungen des Arbeitsmarktes anpassen zu können. Sicherlich müssen gewisse Herausforderungen der Organisation, Kreditpunktevergabe, Anrechnung und Kombinierbarkeit noch gelöst werden. Erste Erfahrungen zeigen jedoch, dass die neuartigen Micro-Credentials einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung von Fach- und Führungskräften und damit des Wirtschaftsstandorts Schweiz leisten können.