Japanisch zu lernen, ist nicht ganz einfach: Die Aussprache hat einen einzigartigen Klang, der für Nichtmuttersprachler schwer zu imitieren ist. Auch das Erlernen des Schriftsystems erfordert einigen Aufwand, da es mit Hiragana, Katakana und Kanji gleich drei Systeme gibt – plus eine Höflichkeitssprache. Um hier eine Brücke zu schaffen, hat das japanische Startup Monoxer eine App entwickelt, die Menschen, die sich für die japanische Sprache und viele weitere Lernstoffe interessieren, das Lernen vereinfacht. Die durch künstliche Intelligenz (KI) gesteuerte App erstellt laut Monoxer-Marketingchef Mathieu Guillaume auf die einzelnen Lernenden zugeschnittene Fragen. Anhand der Antworten ermittelt man die individuellen Lernleistungen und Vergessensraten. Zudem nutzt man Quizformate für die Visualisierung. Damit man nicht in Konkurrenz mit den Smartphones der User tritt, wurden die Inhalte gleich auch für diese und weitere mobile Endgeräte zugänglich gemacht.

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Mehr als nur Reize und Anreize

Monoxer ist nicht das einzige Startup aus dem KI-gestützten Lernbereich, das sich an der Consumer Electronics Show in Las Vegas präsentiert hat. Was zunächst in Schulformaten ausprobiert und bei Lerninhalten für Studierende verfeinert wurde, soll jetzt nach und nach auch für Firmenkunden und mit berufsspezifischen Wissensbeständen ergänzt werden. Auch bestehende Lehrmittel müssen dann nicht mühsam umgeschrieben werden: Die KI kann auf der Grundlage bestehender konventioneller E-Books Quizformate erstellen und sie optisch attraktiv aufbereiten. Mit solchen Formaten arbeiten inzwischen auch weitere Firmen und Schulen. Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) beispielsweise hat ein Onlinequiz aufgeschaltet, damit Interessierte rasch die zu ihnen passende Weiterbildung finden. Und «Brian», ein Spin-off der Universität St. Gallen, ermöglicht Lehrpersonen, auf der Grundlage der eigenen Unterrichtskonzepte und -materialien, adaptive Lernwelten inklusive Gamifizierungselementen zu erstellen.

«Echtes Lernen erfordert mehr als nur ein Reagieren», kommentiert Douglas Rushkoff, Professor für Medientheorie an der City University of New York, diese Entwicklung. «Reales Lernen erfordert die Lösung neuer Probleme auf der Grundlage der Erfahrungen, die man bei bisherigen Problemen gemacht hat.» Doch was ist, wenn sich die Verhältnisse verändern und die Maschinen lernen, was die Menschen ihnen beibringen – und nicht das vermitteln, was die Menschen wirklich wissen müssten? Im Kern gehe es hier um das «Non Machine Learning» und damit um die Zukunft der Bildung, glaubt Manu Kapur, der an der ETH Zürich als Professor für Lernwissenschaften arbeitet und seine neusten Forschungen demnächst am Trendtag des Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) präsentieren wird. Die KI wird neue Lernmethoden erzwingen, auch und weil sich der Lernstoff nicht direkt in den Lernerfolg übersetzt. Hier sind die Computer viel weiter, zumal diese weitaus besser als Menschen mit dem traditionellen Trichterlernmodell arbeiten, riesige Datenmengen verarbeiten können und das Erlernte nicht «vergessen». Die Forschungen von Kapur legen die Umkehrung der Lernrichtung nahe: Zuerst werden im Rahmen des «Productive Failure», des «produktiven Fehlschlags», Aufgaben gelöst – und dann erst wird der Stoff vermittelt.

 

Künstliche Verknappung

ETH-Studierende bekamen in einem Experiment von Kapur im Fach Lineare Algebra Aufgaben, bevor sie den Lernstoff dazu absolviert hatten. Die Erfolgsquote stieg dennoch – von 55 auf über 70 Prozent. Laut Kapur waren hierfür zwei Faktoren verantwortlich: Mit der Anschauung erarbeiten sich die Studierenden eine Sicht auf den Stoff, den sie überhaupt brauchen. Und das (latent drohende) Scheitern ist für die menschliche Entwicklung der weitaus stärkere Lernanreiz als der Erfolg.

Laut Kapur funktioniert dieses Erfolgsrezept auch im Kontext von Firmen, welche sich mit KI-Anwendungen beschäftigen. Er rät, gleich am Anfang sowohl die Datenbestände als auch die verfügbare Zeit für ein Projekt zu begrenzen beziehungsweise sie gegenüber den ursprünglichen Plänen weiter zu verknappen. Auch die Datengrundlagen lassen sich anders als gewohnt handhaben, beispielsweise indem man für eine KI-Anwendung nur auf ganz wenige Daten zur Browsing-History und zum bisherigen Kaufverhalten zurückgreift. Teams sind dann gezwungen, rasche Alternativen auszuprobieren, etwa indem sie auf vortrainierte Open-Source-Modelle und Computercodes zurückgreifen.

Natürlich gehen dann viele Dinge schief, aber das schafft laut Kapur die Grundlagen für weitere Lernerfahrungen, indem man die ursprünglich angestrebte Lösung mit der später tatsächlich realisierten Erfahrung vergleicht, die vorab bestimmten Vorgehensweisen hinterfragt und die Fehlschläge als zwingend notwendige Elemente einer Innovationsstrategie begreift. Startups wie Monoxer haben solche Erkenntnisse bereits in ihre Quizformate eingebaut – falsche Antworten werden so vermittelt, dass die Motivation und die Lust auf Neues nicht ruiniert werden. «Shiken Ganbatte!», heisst es dann am Ende der Lektion. Für Nichtmuttersprachler: «Viel Erfolg!»