Die Fachhochschulen mussten sich in den letzten rund 25 Jahren ihren Ruf und ihre Titel hart erarbeiten. Pionierarbeit leistete dabei Lucien Wuillemin, der den Auf- und Ausbau der Hochschule für Wirtschaft in Freiburg als Direktor massgeblich prägte. Bis heute ist er eng mit der Sache FH verbunden. Die Entwicklung hat er nun in einem Buch, stellvertretend auch für alle FH, aufgearbeitet. Ein Einblick.
Schon immer war Lucien Wuillemin von den FH sehr begeistert, und er ist von ihrem unschätzbaren Wert für die Schweiz überzeugt. Wie sind die Vorgängerschulen der heutigen Fachhochschulen entstanden? Sein Buch «Die Grundlagen der Fachhochschulen – FH» veranschaulicht die tiefgreifenden Umstrukturierungen dieser Bildungseinrichtungen bis etwa 2011. Zuvor hatten sie lediglich eine Aufgabe – nämlich spezialisierte Abschlüsse zu verleihen. In seinem Fall war dies der «Diplom-Betriebswirtschafter HWV». Den FH wurden zusätzliche, anspruchsvolle Aufgaben übertragen. Diese Umstrukturierung infolge der Initiative von Bund und Kantonen und die danach wichtige Anpassung an den Bologna-Prozess empfindet er als äusserst positiv.
Diese fundamentalen Veränderungen hat er anhand der Hochschule für Wirtschaft Freiburg, die 1991 gegründet wurde, in seinem Buch detailliert dargestellt (siehe Fussnote). Als Direktor dieser Institution und Präsident der Schweizerischen Fachkonferenz Wirtschaft und Dienstleistungen hat er an dieser Transformation (EMBA, CAS, Master, angewandte Forschung und so weiter) mitgewirkt und neue Aktivitäten koordiniert.
Was war Ihre Motivation, dieses Buch zu verfassen?
Keine schweizerische Schule hat je zuvor derart einschneidende Veränderungen durchlebt. Es war mir ein Anliegen, die konkrete Umsetzung darzustellen. Politische Instanzen, Direktionen, Lehrkörper, Studierende und Verwaltungen waren stark gefordert. Sie leisteten eine intensive Arbeit, von der ich persönlich stark geprägt wurde. Dieses Buch spiegelt dies. Es ist zugleich ein Dank an alle, die zum Erfolg dieses Projekts beigetragen haben.
Wo sahen und sehen Sie in dem Entwicklungsprozess die besonderen Herausforderungen?
Trotz Gesetzen und Richtlinien als Grundlage erforderte die Umsetzung viel Kreativität. Wir mussten Bedürfnisse analysieren, neue Aktivitäten konzipieren, umsetzen und nachhaltig verankern. FH sind bewusst anders als Universitäten – gleichwertig, aber andersartig! Nach 22 Jahren als Universitätslehrbeauftragter war ich sensibilisiert für die Eigenheiten der FH. Die Gefahr, den praktischen Aspekt des Studiums zu vernachlässigen, besteht aber nach wie vor. Es ist entscheidend, hervorragende Lehrkräfte einzusetzen und Studierende zu fördern, die umfangreiche praktische Erfahrungen aufweisen. Den hohen Qualitätsanspruch dürfen wir nicht aufgeben, damit diese einzigartigen Merkmale weiterhin auf dem Arbeitsmarkt anerkannt werden.
Der Aufbau der HES-SO als Dach aller Westschweizer Fachhochschulen erfolgte nicht ohne Nebengeräusche. Wie erlebten Sie diese Zeit?
Der Bund schrieb für die sechs Westschweizer Kantone eine einzige grosse FH vor. Die anfangs komplizierte Organisation ermöglichte dennoch die Entwicklung der Schulen ohne grössere Schwierigkeiten. Hervorheben möchte ich die Kooperation zwischen den fünf Wirtschaftsschulen, bei der trotz oder sogar aufgrund des Wettbewerbs Innovationen unterstützt und gefördert wurden. In Freiburg habe ich beispielsweise trilinguale Programme in Französisch, Deutsch und Englisch entwickelt, die in den FH einzigartig sind.
Stichwort Beziehung: Wie haben Sie das Verhältnis zwischen Hochschule und Alumni und Alumnae erlebt?
Alumni und Alumnae sind idealerweise Partner der Hochschulen und stehen diesen nahe. Ihre vorrangige Aufgabe sollte darin bestehen, die Schulen zu unterstützen und einen positiv-kritischen Einfluss auf zwei wichtige Elemente auszuüben: auf die Anpassung der Programminhalte, um zu vermeiden, dass Programme erweitert werden, die nicht mehr aktuell sind, sowie auf den Lehrkörper. National nimmt FH Schweiz eine wichtige Rolle ein.
Dieses Interview erschien zuerst im Magazin «Inline» von FH Schweiz.