Seit 2006 ist viel passiert. Bankenkrisen, Digitalisierung, die Pandemie und Kriege in der unmittelbaren europäischen Nachbarschaft. Für junge Menschen, die mitten in der Weiterbildung stehen und ihren Berufsweg noch nicht richtig erkennen können, ist das schwer zu verarbeiten. Dementsprechend müssen sich auch Vorgesetzte und Fachhochschulen im Umgang mit jungen Studierenden umstellen und Weiterbildung teils neu definieren: live, aktuell und interaktiv.

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Zwei Dozentinnen sprechen hier über ihre Erfahrungen: Nicole Vogler, die seit zwei Jahren als Gastdozentin tätig ist, und Petronella Vervoort, die seit zwei Dekaden als Ausbildnerin arbeitet. Teilzeit sind beide an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) engagiert. Nicole Vogler begann mitten in der Pandemie und erinnert sich an die Online-Vorlesungen und wie es sich danach zum Präsenzunterricht veränderte. «Während Corona hat sich der Online-/Hybridunterricht etabliert, was von der Interaktion her jedoch schwierig war. Denn als Referentin bin ich auf direkte Rückmeldungen der Studierenden angewiesen, verbal und in der Körpersprache, um so auf Bedürfnisse eingehen zu können und meinen Unterrichtsstil anzupassen.»

 

Frontalunterricht hat ausgedient

Petronella Vervoort erlebte, wie sich der Anspruch an den Unterricht veränderte. «Zuerst der Hype um E-Learning und orts- und zeitunabhängige Lernmöglichkeiten. Gleichzeitig konnte letztlich alles Wissen im Web abgerufen werden. Die Rolle der Dozierenden entwickelte sich massiv. Der Frontalunterricht mit reiner Wissensvermittlung wurde durch handlungs- und problemorientierten Unterricht sowie Praxisbeispiele abgelöst.

Die Studentinnen und Studenten werden Teil des Unterrichts, was die Aufgabe der Dozierenden anspruchsvoller macht.» Verstärkt hinzu kommt, dass Fachhochschulen im Unterricht die gegenwärtigen Krisen und gesellschaftlich relevanten Themen ansprechen müssen. Sehr heikel, wenn beispielsweise das Thema Israel und Palästina ins Klassenzimmer rutscht.

Die Leidenschaftliche

Name: Petronella Vervoort
Verein: Wirtschaftsbildung.ch Zürich
Funktion: Geschäftsführerin
Geboren: 20. November 1972
Wohnort: Kanton Thurgau

Alles steht unter Beobachtung, und was die Referentinnen «da vorne» vortragen, wird von den Studierenden, über deren Laptops und iPads, unmittelbar kontrolliert und kommentiert. Und am Ende der Vorlesung folgt gleich noch eine Bewertung. Nicole Vogler findet das jedoch in Ordnung: «Der Unterricht wird durch die ständigen Inputs interaktiver und spannender und erlaubt so auch den weniger Extrovertierten, sich zu äussern.» Auch Petronella Vervoort sieht eher Vorteile: «Die Distanz zwischen den Dozierenden und den Studierenden hat sich definitiv verringert. Und deren Mitsprache und Mitwirkung sind meines Erachtens ein Plus hinsichtlich didaktischer Qualität. Man redet da vielleicht nicht auf Augenhöhe, aber der Grad der Interaktion hat zugenommen. Und so müssen wir die Teilnehmenden systematisch einbinden, um von deren Erfahrungen zu profitieren und den Know-how-Transfer in beiden Richtungen zu stärken.»

 

#lifelonglearning

Damit spricht Petronella Vervoort an, dass sich auch die Lehrerinnen und Lehrer ständig weiterbilden müssen. «Heute benötigen die Dozierenden vermehrt didaktische Skills und kommunikative Fähigkeiten, um dem gewachsenen Anspruch im Klassenzimmer zu genügen.» Vervoort erinnert sich, dass in den Fachhochschulen, so ab den 2000er-Jahren, Themen wie Modularisierung, Kompetenzorientierung und E-Learning die zentralen Veränderungstreiber waren. Dazu etablierte sich ein neues Didaktikverständnis: von Inhaltsvermittlung zur Kompetenzförderung. «Neben fachlichem Wissen stehen heute überfachliche Kompetenzen im Vordergrund: Analyse- und Beurteilungskompetenz, Selbst- und Sozialkompetenz, Problemlösungskompetenz sowie eben offenere Kommunikationsfähigkeiten.» Der Unterricht sei nicht mehr gleichermassen plan- und kontrollierbar, die Stunden könnten nicht mehr blind wiederholt werden, und das sei für viele Dozentinnen und Dozenten herausfordernd.

Die Interaktive

Name: Nicole Vogler
Unternehmen: On
Funktion: Future Talent Progr. Lead
Geboren: 30. März 1990
Wohnort: Zürich

Deshalb sieht Nicole Vogler für ihre Rolle als Dozentin, dass sie in ihrem Fachbereich jeweils auf dem neuesten Stand der Trends und Veränderungen stehen und vor allem wissen muss, was in der Praxis geschieht. «Dazu gehört auch, dass man die digitalen Tools und Medienformate kennt und weiss, wie man sie vor der Klasse effizient einsetzen kann. Die Aufmerksamkeitsspanne der Studierenden ist begrenzt. Die Fähigkeit, komplexe Ideen verständlich und angewandt zu vermitteln, ist deshalb von entscheidender Bedeutung.» Beide Frauen verstehen zudem, dass auch authentisches Auftreten und Empathie relevant sind.

 

Was motiviert die Referentinnen?

«Fragen und Rückmeldungen der Studierenden, egal ob kritisch oder positiv, helfen mir, dazuzulernen und mich den neuen Anforderungen anzupassen», sagt Nicole Vogler. «Aber am meisten freut es mich, wenn ich nach einer Vorlesung via E-Mail oder Linkedin Rückmeldungen erhalte. Denn das beweist mir, dass ich Wissen weitergeben konnte und dass dann auch etwas hängen geblieben ist.»

Für Petronella Vervoort bedeutet Unterrichten schlicht Leidenschaft. Und ein fachlicher Austausch mit Studierenden, der dann zu gemeinsamen Erfolgserlebnissen führt, bedeutet Genugtuung. «Aber mich reizen besonders die didaktischen Herausforderungen in einem spezifischen Kontext. Also wenn man zusammen einen Live-Case ausarbeitet oder zusammen einen Strategieplan erstellt. Das weckt Begeisterung.»

Die beiden Fachfrauen kennen die Bedürfnisse, die auf Fachhochschulen wie die ZHAW zukommen: Die Lehrinhalte müssen praxisnah gestaltet werden, sich den laufenden Veränderungen der Geschäftswelt anpassen und sich dementsprechend an den neuen Anforderungen der Arbeitsmärkte orientieren. Nicole Vogler ergänzt: «Früher galten bestimmte Skills oft ein ganzes Arbeitsleben lang, heute jedoch nur noch für kurze Zeiträume von vielleicht drei bis fünf Jahren. Fachhochschulen sollten deshalb immer flexibler werden, auch Teilzeit- oder Online-Studienmodelle anbieten, um so den Bedürfnissen der unterschiedlichsten Lernenden gerecht zu werden.»