Was können Sie von den Wechselwirkungen mit Mexiko berichten? Wer lernt was von wem?
Der Kauf von Valora durch die mexikanische Femsa hat keinen unmittelbaren Einfluss auf unser Geschäft. Gleichzeitig hat in Mexiko das Thema Financial Services für Femsa eine hohe strategische Bedeutung. Daher befinden wir uns in engem Austausch mit unseren mexikanischen Kollegen und prüfen, wo es mögliche Synergien gibt.
Twint könnte demnächst ins BNPL-Geschäft («Buy now, pay later») einsteigen. Würden Sie dadurch von der Nummer vier im Schweizer Markt zur Nummer fünf?
Einen möglichen Markteintritt von Twint in das BNPL-Geschäft betrachten wir als positiv, denn es dürfte die Akzeptanz und Verbreitung von BNPL im Schweizer Markt weiter erhöhen.
Sie wollen den «Status quo durch ein besseres Kundenerlebnis infrage stellen» und «neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln und skalieren». Was meinen Sie damit konkret?
Als wir Bob vor acht Jahren gründeten, war es uns ein Anliegen, mittels neuer Technologien die Convenience und Transparenz für Kredit- und Finanzierungskunden zu erhöhen. Und aus demselben Grund war Bob Finance auch einer der ersten Anbieter von attraktiven, digitalen BNPL-Produkten. Mit unserem BaaS-Partner Mambu haben wir zudem in den letzten beiden Jahren die technischen Voraussetzungen geschaffen, um zukünftig Bedürfnisse unserer Partner und Kunden noch schneller in Innovationen umzusetzen.
Hinter automatisierten Check-out-Prozessen und Käuferautorisierungen stecken Algorithmen und Risikomodelle, die über die Zeit stetig trainiert und verbessert werden. Wie gut sind die?
Privatkredite wie Kauf auf Rechnung sind in der Schweiz kein neues Phänomen. Entsprechend gibt es im Vergleich zum Ausland etablierte und bewährte Datenquellen, die jeder Kredit- und Finanzierungsanbieter für sein Risikomodell heranzieht. In Verbindung mit den Vorgaben des Konsumkreditgesetzes funktionieren diese Modelle daher sehr gut.
Und wie hoch ist die Akzeptanzrate?
Wenn Sie die Frage auf das BNPL-Geschäft beziehen, so ist das sehr vom einzelnen Produkt wie auch vom Kundenprofil einer Branche beziehungsweise eines einzelnen Händlers abhängig. Grundsätzlich dürfte die Regel gelten, dass mit der Zunahme von Finanzierungsbetrag und -laufzeit die Akzeptanzquote abnimmt – auch um den Kunden vor Überschuldung zu schützen.
Wegen der erhöhten Konversionsraten im Check-out und grösseren durchschnittlichen Warenkörben sowie einer steigenden Wiederkaufsrate profitieren Online-Shops von Umsatzsteigerungen. Zudem können Händler so Neukunden gewinnen, die Kundenbindung stärken und die Abbruchquote bei der Verkaufsabwicklung senken. Wie hoch sind Ihre Gebühren, die Sie den Händlern verrechnen?
Das ist sehr unterschiedlich und vom einzelnen Produkt abhängig. Zum Beispiel muss ein Händler heute bei Kauf auf Rechnung mit in der Regel tieferen Beträgen und Laufzeiten bis zu drei Monaten mit einer einmaligen Gebühr von ungefähr 1 Prozent des finanzierten Warenkorbs rechnen. Bei Warenkörben bis 10 000 Franken und einer Laufzeit von 48 Monaten wird der Prozentsatz im aktuellen Zinsumfeld zweistellig.
Einige BNPL-Anbieter offerieren ein Dach-Online-Konto für alle Einkäufe bei verschiedenen Detailhändlern – ein einziges Konto mit einer Übersicht über alle Teil- und Ratenzahlungen scheint auch sinnvoll. Gibt es das bei Bob Finance?
Wir unterstützen eine möglichst starke Transparenz für die Kundin hinsichtlich ihrer finanziellen Verpflichtungen. Dementsprechend offerieren wir bereits seit der Lancierung von Bob Finance ein Kundenportal, in das sich der Kunde, die Kundin einloggen kann und somit jederzeit Überblick über alle Kredite sowie bevorstehenden Zahlungen hat.
Der Stratege
Hilmar Scheel Der CEO von Bob Finance ist verantwortlich für den Erfolg und die Entwicklung des Unternehmens innerhalb der Valora-Gruppe. Zuvor war er als Strategieberater und Investmentbanker in New York, Frankfurt und Zürich tätig; Stationen waren unter anderem die Deutsche Bank, Bain und die LBS. Zudem war er Gründungsteam-Mitglied des Internet-Startups Ecircle.com (heute Teradata). Hilmar Scheel ist Dipl. oec./MBA Economics der Universität Hohenheim (D). Seinen Master in Finance machte er an der London Business School, UK. Er absolvierte auch das Executive Program for Growing Companies der Stanford University Graduate School of Business.
Es gibt Technologien, die die Integrität einer E-Mail-Adresse in Verbindung mit digitalen Identitäten sicherstellen. Setzen Sie solche Tools ein?
Die Sicherstellung der Identität hat für uns Priorität. Deshalb überprüfen wir auch ständig, inwieweit mögliche Betrugsfälle mittels neuer Technologien ausgeschlossen werden können. Kann die Identität einer Kundin, eines Kunden nicht sichergestellt werden, führt dies zu einer Ablehnung der Kreditanfrage.
Wie sicher sind Sie, dass niemand etwas kauft, dass sie/er sich eigentlich nicht leisten könnte? Gibt es etwa für Junge, die anfälliger für eine Überschuldung sind, einen engeren Verfügungsrahmen?
Um eine Überschuldung möglichst zu vermeiden, ziehen wir im Rahmen eines Finanzierungsantrags unter anderem die Informationen der Zentralstelle für Kreditinformation (ZEK) in unsere Prüfung der Kundin mit ein. Zudem melden wir die Finanzierung auch bei der ZEK an, um anderen Marktteilnehmenden anzuzeigen, dass bei dieser Kundin bereits eine finanzielle Verpflichtung besteht. Speziell zur Vermeidung der Überschuldung von jungen Erwachsenen bieten wir eine Finanzierung oftmals erst ab 25 Jahren an.
Thorsten Hens, Professor für Finanzökonomie der Uni Zürich, findet BNPL «gefährlich». Was sagen Sie dazu?
Dazu müsste man verstehen, was Herr Hens genau mit «gefährlich» meint und wie er zu diesem Schluss kommt. Bezieht sich seine Aussage auf bekannt gewordene Fälle von überschuldeten jungen BNPL-Kunden und -Kundinnen, insbesondere in den USA und UK, so teilen wir seine Einschätzung, dass diese Situation nicht wünschenswert ist. Bezogen auf die Schweiz erachten wir die Gefahr einer ähnlichen Entwicklung jedoch als gering. Alle wesentlichen BNPL-Anbieter sind ZEK-Mitglieder, was die Transparenz hinsichtlich Verschuldungsgrad eines Kunden für alle Marktteilnehmenden erhöht und dadurch das Risiko einer Überschuldung reduziert.
Sind die steigenden Zinsen für Sie Fluch oder Segen? Viele Zahlungsausfälle können zum Problem führen. Anderseits könnten Sie mit den Mahngebühren viel Geld verdienen. Wie sieht das bei Bob Finance aus?
Grundsätzlich sind steigende Zinsen negativ zu beurteilen, da sie zu höheren Finanzierungskosten und damit auch zu höheren Kosten für die Kreditnehmenden – oder im Falle von Null-Prozent-Finanzierungen für den Händler – führen. Im Gegensatz zu Banken, die sich teilweise über Kundeneinlagen finanzieren, hat Bob Finance diese Möglichkeit der Refinanzierung nicht.
Das Marktvolumen könnte laut Schweizer Handelsverband in den nächsten fünf Jahren auf 3 bis 4 Milliarden Franken steigen und damit auf rund 20 Prozent des E-Commerce-Gesamtvolumens. Wie gross ist der Schweizer BNPL-Markt gemäss Ihrer Schätzung?
Verschiedene Analysten und Marktbeobachterinnen kommen zu ähnlichen Schätzungen. Wir halten sie für realistisch.
Wie geht es Ihrem Projekt «PostFinance Privatkredit»?
Wir freuen uns sehr, dass die Entwicklung gemäss unserer Planung verläuft.