Appetit auf eine Pizza? Der gängige digitale Weg führt über Plattformen, Websites und Lieferdienst-Apps. Der zukünftige Weg führt über KI-Assistenten, wie sie für das Programmieren entwickelt worden sind.
Oft wird vergessen, dass die Large-Language-Modelle (LLM), die hinter Chat GPT und weiteren ähnlichen Systemen stehen, für die Erleichterung der Programmierarbeit entwickelt wurden. Dass diese LLM auch brauchbare Präsentationen und fast echte akademische Qualifikationsarbeiten schreiben können, hat sich längst herumgesprochen. Werden diese Modelle miteinander kombiniert, lassen sich noch ganz andere Aufgaben automatisieren. Wie etwa die Bestellung von Pizzen.
Kein Trinkgeld mehr
Der Ablauf ist eigentlich einfach – und zählt inzwischen zu den Demos von Abschlussarbeiten an Hochschulen und Universitäten. Ausgangspunkt ist die Eingabe eines «Prompts», um die Maschinen in Gang zu setzen. Beliebter Ausgangspunkt ist Auto GPT, ein System, das komplexe Aufgaben in kleinere aufteilt und auf unterschiedliche KI-Systeme verteilt. Das erste LLM-System wird dann beauftragt, sich via Schnittstellen die weiteren Systeme zu organisieren, die es für die vollautomatische Bestellung einer guten Pizza braucht. Dazu muss das System zunächst in Erfahrung bringen, wo es in der Umgebung eine gute Pizzeria gibt (wenn diese in einer anderen Stadt beziehungsweise Region ist, nützt das wenig). Dann muss es feststellen, auf welchen digitalen Kanälen die Bestellung aufgegeben werden kann (Sprechcomputer und Chat-Systeme sind die gängige Wahl). Weiter muss das System in Erfahrung bringen, ob und wie die Pizzeria die Pizzen liefern kann (das gehört heute zum Standardservice) und wie sich das Ganze bezahlen lässt.
Die Praxistests – einige davon sind auf Youtube zu sehen – sind verblüffend: Das LLM-System, das alles organisiert, sucht sich seine brauchbaren weiteren Systeme selbstständig zusammen. Was noch nicht vorhanden ist, wird dann innert Sekunden rasch selbst entwickelt, beispielsweise die digitale Bezahlweise. Alles dauert wenige Sekunden, der grösste zeitliche Aufwand entfällt auf den Teil, bei dem ein Mensch in der Pizzeria eine Bestellung aufnimmt und eventuell nicht alles auf Anhieb versteht. Das LLM-programmierte Bestell-Tool wiederholt dann mit einer Geduld, die den meisten hungrigen Pizzabestellenden wohl abgehen würde, die Wünsche (zum Beispiel: «Eine elf Zoll grosse Peperonipizza, mittelscharf, ohne weitere Sachen oben drauf»), bis die Wiederholung der Bestellung durch die Person in der Pizzeria anzeigt, dass alles verstanden wurde.
Brücken zwischen den Blockchains
Das sei erst der Anfang dieser Entwicklung, sagte Sascha Lobo, Berater und Publizist zu Technologie- und Gesellschaftsthemen, kürzlich an einer Veranstaltung des «Finanz und Wirtschaft»-Forums in Zürich. Anstelle untereinander fest «verdrahteter» Systeme werden zukünftig flexible Basissysteme stehen, die dann jeweils genau das zusammensetzen, was gerade erforderlich ist. Weil hierbei der Aufwand klein ist und die KI-Aufgaben bei einer grösseren Schar pizzahungriger Menschen einigermassen ähnlich sind, dürfte es nur eine Frage von wenigen Monaten sein, bis erste Bestellungsassistentensysteme den kommerziellen Betrieb aufnehmen werden.
Es zeichnen sich bereits weitere Aufgaben ab: Im geschäftlichen Bereich, bei Banken untereinander und zwischen Banken und ihren Firmenkunden gebe es zahlreiche Schnittstellenaufgaben, die sich viel schneller und zweckmässiger über LLM-Assistenten nach dem Vorbild der Pizzabestellung abwickeln lassen, glaubt Christine Moy, beim britisch-amerikanischen Assetmanager Apollo zuständig für digitale Assets. Mit LLM-Unterstützung lassen sich auch die bisher oft fehlenden Brücken und Schnittstellen zwischen einzelnen Blockchains herstellen – und der Inhalt von Smart Contracts, zum Beispiel bestimmte Handelsinformationen, lässt sich von einem System in ein anderes übersetzen, wie die Expertin am Singapore Fintech Festival sagte. Selbst sehr kleine Beträge lassen sich laut Moy zukünftig eleganter über Bezahl-Apps begleichen – ohne dass vorher der Auf- und Ausbau einer teuren Infrastruktur erforderlich sein wird.
Offen ist lediglich die Frage, wann sich KI-Systeme zu fragen beginnen, was die Menschen mit dem Geld alles Unsinniges anstellen.