Zwei 4-Zimmer-Eigentumswohnungen in Meilen am Zürichsee, praktisch gleiche Grösse, praktisch gleiche Aussicht, einige hundert Meter voneinander entfernt. Die eine Wohnung kostet auf Immobilienportalen 1,3 Millionen Franken, die andere 2 Millionen. Die eine Wohnung wurde in den 1970er Jahren gebaut, die andere vor drei Jahren. Ein wichtiger Unterschied: Bei der einen Wohnung wurden die Heizanlagen regelmässig erneuert und die Fassade vor 15 Jahren saniert. Die andere Wohnung entspricht modernsten Standards.

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«Selbstbewohntes Wohneigentum wird heute fast ausschliesslich mit der sogenannten hedonischen Methode bewertet», sagt Thomas Rieder, Senior Economist Immobilienanalyse bei Credit Suisse. «Mit Blick auf die Nachhaltigkeit ist hierbei auch der Zustand der Wohnung beziehungsweise des Gebäudes ein wichtiger Faktor.» Einzelne spezifische Aspekte wie Heizung oder Fassade und deren Zustand würden zwar nicht eigenständig in das Modell einfliessen, sie sind aber relevante Einflussgrössen in der Gesamtbeurteilung des Gebäudezustands.

Geringer Aufschlag für Minergie

Generell gilt laut Rieder, dass ein besserer Wohnungs- und Gebäudezustand einen positiven Einfluss auf den Wert des Objekts hat. «In der wissenschaftlichen Forschung wird für die Schweiz mehrheitlich davon ausgegangen, dass Nachhaltigkeit einen positiven Effekt auf den Preis von Wohneigentum hat. In der Vergangenheit wurden beispielsweise für Minergie-Bauten Preiszuschläge von 10 Prozent geschätzt», so Rieder. «Mit dem zunehmenden Auftreten von Minergie ist diese Prämie jedoch gesunken.» So nennt eine Studie der Universitäten Zürich und Basel aus dem Jahr 2022 einen darauf zurückzuführenden Preiszuschlag von nur noch knapp 2,5 Prozent.

«Für eine gesamtheitliche Betrachtung ist es jedoch auch notwendig, die höheren Produktionskosten sowie Einsparungen beim Betrieb zu berücksichtigen», sagt Thomas Rieder weiter.

Mit zunehmender Verbreitung von nachhaltigen Immobilien dürften Objekte, die nicht nachhaltig saniert wurden, einen immer schwieriger werdenden Stand in der Vermarktung haben und Preisabschläge hinnehmen müssen, glaubt Experte Rieder. «In Bezug auf Massnahmen raten wir, dazu einen Sanierungsplan zu erstellen, falls notwendig unter Einbezug eines Experten.» Werde beispielsweise eine Wärmepumpe eingebaut, Fassade, Fenster und Dach werden jedoch nicht gleichzeitig energetisch saniert, ist eine teurere Wärmepumpe mit mehr Leistung notwendig. Werden die übrigen Bauteile später ebenfalls saniert, benötigt das Gebäude weniger Energie und die Wärmepumpe ist überdimensioniert.

Nicht sanierte Objekte dürften einen immer schwierigeren Stand haben.

Zur optimalen Steigerung des Liegenschaftswerts ist laut Marco Funk, Experte beim Immobilienberatungsunternehmen IAZI in Zürich, kein allgemeingültiges Rezept verfügbar. «Es fliessen viele verschiedene Faktoren in die Evaluierung der Wirtschaftlichkeit von energetischen Sanierungsmassnahmen ein wie beispielsweise der Zustand, die Bausubstanz, das aktuelle Heizsystem und bereits getätigte Renovationen.» Handelt es sich um einen unsanierten Altbau mit Baujahr vor 1970 und mit einer Ölheizung, so könnten eine verbesserte Gebäudedämmung sowie ein Ersatz durch eine Wärmepumpe lohnende Massnahmen sein. «Es gilt einen Experten beizuziehen – beispielsweise eine kostenlose Impulsberatung von ‹erneuerbar heizen› –, mögliche Fördermassnahmen zu prüfen und Steuerabzüge geltend zu machen, da diese einen wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben», rät Funk. «Die Einflüsse der Nachhaltigkeit bei selbstbewohnten Immobilien sind in der Wahrnehmung der Käuferschaft jedoch noch nicht sehr ausgeprägt», sagt Funk weiter. Das sei auf das knappe respektive ausgedünnte Angebot und auf die hohe Nachfrage zurückzuführen.

 

Grösstes Problem: Immobilie finden

Potenzielle Käufer würden primär den Fokus darauf legen, überhaupt eine Immobilie zu kaufen, und nicht darauf, ob die Immobilie speziell nachhaltig ist. Für die längerfristige Wertentwicklung hat das Folgen. «Bei neu gebauten Einfamilienhäusern gilt es, die aktuellen Bauvorschriften einzuhalten, womit ein Neubau grundsätzlich energieeffizient und entsprechend nachhaltig sein muss», so Marco Funk. «Anders sieht die Lage bei den Bestandesobjekten aus. Die Mehrheit der Schweizer Einfamilienhäuser wird nach wie vor mit Öl oder Gas beheizt und weist beträchtliches Sanierungspotenzial auf.» Aufgrund der beobachteten Kaufpreise stellt man jedoch seit Jahren fest, dass renovationsbedürftige Liegenschaften verhältnismässig überzahlt werden.