Noch vor wenigen Jahren waren Autofahrerinnen und Autofahrer in der Schweiz gegenüber Modellen aus China eher skeptisch eingestellt – und das galt flächendeckend in Europa. Importeure glaubten nicht so recht daran, dass «made in China» auf vier Reifen im europäischen Raum ankommen würde, und erste Importversuche vor etlichen Jahren bestätigten sie in dieser Meinung. Doch das hat sich mittlerweile komplett geändert. Die neuen Modelle aus China haben in Sachen Design, Verarbeitung und vor allem im Infotainment sowie bei den Assistenzsystemen mächtig aufgeholt. Die zunehmenden Importe chinesischer Autos haben auch den Trend zum Elektroauto beflügelt.
Asien war schneller unterwegs
Im Reich der Mitte wurden schon im Jahr 2022 mehr als doppelt so viele E-Autos verkauft wie in Europa und den USA zusammen. Aber auch bei den Preisen ist der Markt in Bewegung geraten. Verschiedene chinesische Hersteller bieten derzeit Fahrzeuge an, die umfassend ausgestattet sind, und dies zu attraktiven Konditionen. Als erster chinesischer Hersteller tauchte im Jahr 2020 die Marke JAC mit 94 Zulassungen in der Statistik von Auto-Schweiz auf. Seither wurden bis Ende Juli 2024 insgesamt 516 Personenwagen (PKWs) immatrikuliert. Ebenfalls im Jahr 2020 findet man eine weitere Marke in der Statistik, nämlich der zur Geely Group gehörende Autohersteller Polestar, der 2020 mit 36 verkauften Fahrzeugen startete. Seither wurden bis zum Juli 2024 insgesamt 2876 Autos in der Schweiz zugelassen.
Von der Marke Aiways, die seit 2021 in der Schweiz vertreten ist, wurden bis zum Juli 2024 insgesamt 189 Fahrzeuge für den Schweizer Verkehr zugelassen.
Revival von MG
Die einstige englische Sportwagenmarke MG Motor, welche im Jahr 2023 das Hundert-Jahr-Firmenjubiläum feierte, wird mittlerweile vom chinesischen Unternehmen Saic Motor hergestellt. Sie ist nun seit einigen Monaten wieder in der Schweiz erhältlich. Saic Motor übernahm beim Konkurs der Marken Rover und MG im Jahr 2005 die Markenrechte. Die ersten 185 Modelle wurden in diesem Jahr von Januar bis Juli durch den Importeur Astara Mobility Switzerland verkauft. MG stellte vor wenigen Wochen am diesjährigen Festival of Speed in Goodwood den elektrisch angetriebenen Roadster Cyberster vor.
Momentan stehen noch weitere Importeure in den Startlöchern. Zu ihnen zählt der Hersteller BYD aus Shenzhen. Zwischen der Emil Frey Gruppe und dem chinesischen Hersteller laufen derzeit Gespräche über den Import und den Vertrieb von BYD-Modellen in der Schweiz. Sie sollen im Laufe des zweiten Halbjahres 2024 finalisiert werden. Dazu zählt auch das Oberklassemodell BYD Han. Im Weiteren haben sich die Emil Frey Gruppe und der chinesische Autohersteller Great Wall Motor (GWM) auf eine strategische Partnerschaft für den Import und den Vertrieb der Marken GWM Ora und Wey in Europa geeinigt. In Deutschland vertreibt Emil Frey bereits GWM-Modelle. In den Niederlanden ist Emil Frey als Verkaufsagent der Modelle des chinesischen Herstellers Xpeng aktiv.
Immer neue Marken
Und das Treiben der chinesischen Marken auf dem Schweizer Automarkt geht munter weiter: Im vergangenen Jahr wurde die Firma Noyo Mobility AG mit Sitz in Rotkreuz gegründet als offizieller Vertriebs- und Servicepartner der Premium-Elektromarke Voyah, hergestellt von der Dongfeng Motor Corporation (DFM). Für den Start in der Schweiz hat Noyo verschiedene Kooperationspartner wie die Allianz Versicherung, die Firma Leaseteq für Fahrzeugfinanzierung und die Firma Galliker Transport & Logistics für die Fahrzeuglogistik gewinnen können. Mit lizenzierten Werkstattketten und einem Kompetenzzentrum für Reparaturen und Services will Noyo eine umfassende Kundenbetreuung in der Schweiz gewährleisten.
Gestartet wurde mit dem Verkauf des Premium-SUV Voyah Free und dem Elektro-Offroader MHero. Bis Ende Juli 2024 wurden 18 Fahrzeuge eingelöst. Geplant ist von Noyo auch die Markteinführung des DFM-Modells Box, das mit einem Preis von rund 20’000 Franken das derzeit günstigste Angebot wäre, liegen die Durchschnittspreise chinesischer E-Autos doch normalerweise um einiges höher. Ebenfalls einen Eintritt in den Schweizer Markt planen der Hersteller NIO, der Erfinder der Batteriewechselstationen, und die Chery Automobile, die ein Gemeinschaftsunternehmen mit der spanischen EV Motors gründete, welche im ehemaligen Nissan-Werk in Barcelona Personenwagen in Europa herstellen will.
Wachstum absehbar
Die anfängliche Skepsis gegenüber chinesischen PKW ist angesichts der Zulassungszahlen in der Schweiz einem stärkeren Interesse gewichen. Addiert man die Immatrikulationen der Personenwagen «made in China» bis Ende Juli dieses Jahres, kommt man auf rund 3800 Fahrzeuge. Eine Zahl, die in den kommenden Jahren wohl noch wachsen wird, denn es ist damit zu rechnen, dass weitere chinesische Hersteller den Schweizer Markt im Visier haben.