Im Unterschied zur Formel 1 werden alle Autos vom gleichen Hersteller produziert – trägt das zur Chancengleichheit bei? Und wie sehr können Sie als Fahrer Einfluss auf die Entwicklung nehmen?

In der Formel E sind zentrale Komponenten wie das Auto, das Chassis, die Reifen und Bremsen, die Aerodynamik und die Batterien standardisiert und werden vom selben Hersteller produziert. Der hintere Teil des Autos jedoch, der die wichtigsten und kommerziell relevantesten Technologien umfasst – darunter den Antriebsstrang, den Inverter, den Motor, die MGU, das Differential, das Getriebe und die Aufhängung –, wird von jedem Hersteller unabhängig entwickelt.

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Zur Person: 

Der brasilianische Autorennfahrer Lucas di Grassi sitzt seit den Anfängen der Formel E am Steuer eines Elektrowagens. Aktuell fährt er für den Rennstall ABT Cupra Formula E Team. Er fuhr zudem für die FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft und die Formel 1.

Die Formel E dient vorab orschungszwecken ...

Die Vorschriften in der Formel E sind sorgfältig darauf ausgelegt, sicherzustellen, dass Ressourcen in die Entwicklung von Komponenten fliessen, die für die kommerzielle Fertigung am relevantesten sind. Dieser Ansatz ermöglicht es den Herstellern, in Forschung und Entwicklung zu investieren, die das Produkt direkt verbessern und zur Förderung der Elektromobilität weltweit beitragen. Diese Strategie steht im Kontrast zur Formel 1, in der bedeutende Ressourcen oft für Bereiche wie die Aerodynamik und andere spezialisierte Technologien verwendet werden, die für die breitere Automobilindustrie nur wenig Relevanz haben.

Sie sind Formel 1 gefahren, nun Formel E. Wie unterscheidet sich die Rennstrategie in der Formel E von der in der Formel 1 oder von jener an anderen Motorsportrennen?

Formel 1 und Formel E teilen viele strategische Ähnlichkeiten. Beide sind Autorennen, bei denen das Ziel ist, als Erster ins Ziel zu kommen, und bei beiden spielen Faktoren wie Reifenverschleiss, Streckenevolution und taktische Entscheidungen eine Rolle. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch im Energiemanagement.

Wie gestaltet sich dieses während eines Rennens?

In der Formel E ist die Energie aufgrund der begrenzten Kapazität der Batterie viel stärker eingeschränkt als im Vergleich zu einem vollen Tank in der Formel 1. Dies erfordert von den Fahrern aussergewöhnliche Präzision in Bezug auf die Energiesteuerung – sei es beim Angreifen, Verteidigen, beim Maximieren der Geschwindigkeit oder beim Energiesparen. Diese Begrenzung macht das Energiemanagement zur bestimmenden Herausforderung der Strategie in der Formel E. Zusätzlich bietet die Formel E einzigartige Elemente wie den Attack-Mode und unterscheidet sich durch den Verzicht auf Boxenstopps. Ab dieser Saison werden die Rennen auch Phasen mit Allradantrieb im Attack-Mode und mit Zweiradantrieb in anderen Phasen des Rennens beinhalten. Insgesamt würde ich sagen, dass die Strategie in der Formel E grundlegend komplexer und anspruchsvoller ist als in der Formel 1.

Was fasziniert Sie an E-Wagen? Ich habe gelesen, dass es für Sie vor allem auch deshalb spannend ist, weil die Technik in euren Wagen irgendwann auch in neuen Strassenmodellen verbaut werden wird. 

Was ich an Elektroautos schätze, ist die Einfachheit ihrer Motoren und Antriebsstränge. Sie haben im Vergleich zu Verbrennungsmotoren deutlich weniger bewegliche Teile – um zwei Grössenordnungen weniger. Während ein herkömmlicher Motor 200 bis 300 bewegliche Teile haben kann, hat ein Elektromotor typischerweise nur zwei: den Rotor und den Stator, zusammen mit ein paar Lagern. Selbst wenn man den gesamten Antriebsstrang betrachtet, bleibt die Anzahl der beweglichen Teile deutlich geringer.

Wie sieht es mit der Effizienz aus?

Das ist tatsächlich ein weiteres bemerkenswertes Merkmal der Formel E. Elektromotoren erreichen Energieumwandlungsraten von 98,5 bis 99 Prozent, während Verbrennungsmotoren aufgrund thermodynamischer Grenzen oft Schwierigkeiten haben, die 50 Prozent zu überschreiten. Das macht Elektromotoren von Natur aus wesentlich effizienter. Die Herausforderung liegt jedoch in der Energiespeicherung. Elektromotoren sind auf Batterien angewiesen, die im Verhältnis zur gespeicherten Energiemenge derzeit relativ schwer sind. Im Gegensatz dazu speichern Verbrennungsmotoren Energie in chemischen Bindungen innerhalb von flüssigem Kraftstoff, der eine deutlich höhere Energiedichte aufweist.

Welche Rolle spielt die Formel E für die Zukunft von Elektromobilität?

Was mich am meisten begeistert, ist das Potenzial für Fortschritte in der Batterietechnologie. Wenn sich die Batterien verbessern, wird die Elektromobilität günstiger, sauberer und effizienter werden. Ich glaube, dass die Formel E eine entscheidende Rolle dabei spielen kann, diesen Wandel zu beschleunigen und zu einer nachhaltigeren Zukunft im Transportwesen beizutragen.