Retrodesign hat sich als wirtschaftlich erfolgreiche Strategie für zahlreiche Autohersteller etabliert – statt neue Modell im aufwendigen Verfahren zu schaffen, wird in den Archiven gegraben und erfolgreichen Designs ein Rebranding verpasst. Das hat viele Vorteile – zuerst einmal die emotionale Bindung von Käuferinnen und Käufern an eine Marke. Viele der neu aufgelegten Serien erinnern die Menschen an das erste Auto, an das erste Dates, an die Jahre, in denen man zwanzig, frei und mit dem Auto auf Reisen war. Diese Kombination aus Nostalgie und neuer moderner Technologie hat wiederum zahlreiche wirtschaftliche Vorteile, die den Markt für Retrodesignautos weiterhin befeuern.
Emotionaler Mehrwert
Einer der Hauptgründe für den wirtschaftlichen Boom von Retro-Design-Autos ist wie eigangs erwähnt der starke emotionale Mehrwert, den sie bieten. Modelle wie der Mini Cooper und der Fiat 500 sind Beispiele dafür. Die emotionale Resonanz treibt nicht nur den Absatz an, sondern stärkt auch die Markenbindung. Kundschaft, die positive Erinnerungen oder Assoziationen mit einem früheren Modell hat, ist eher bereit, in die neue Version zu investieren, selbst wenn sie teurer ist als vergleichbare Modelle ohne den Retro-Appeal. Das macht es wiederum Herstellern einfacher, Premium-, wenn nichts sogar überteuerte Preise für die Modelle zu verlangen.
Um beim Beispiel Mini Cooper und Fiat 500 zu bleiben: Sie sind teurer als die direkte Konkurrenz aus dem Kompakt- und Kleinwagensegement. Ein Mini Cooper, neu und ab Autohaus, beginnt bei einem Einstiegspreis von etwas mehr als 28’000 Franken, kann aber auch je nach Ausstattung und Modell bis zu 60’000 Franken kosten – ein Preis, zu dem auch ein neuer SUV in die Garage einziehen kann. Und als der Fiat 500 im Jahr 1957 erstmals auf den Markt kam, kostete er in Italien etwa 490’000 Lire. Dies entsprach damals rund 3000 Deutsche Mark. Zum Vergleich: Der moderne Fiat 500, der 2007 neu aufgelegt wurde, hat deutlich höhere Startpreise, je nach Modell und Ausstattung bewegt er sich in der Regel in einem Bereich von etwa 10’400 bis mehr als 15’000 Euro.
Erfolg durch Diversifizierung
Ein weiterer wesentlicher Vorteil von Retrodesign ist die Möglichkeit zur Diversifizierung. Hersteller können innerhalb einer Modellreihe unterschiedliche Versionen anbieten, die verschiedene Kundensegmente ansprechen. So gibt es den Mini nicht nur als klassischen Zweitürer, sondern auch als SUV, also den Mini Countryman, oder Cabrio. Eine gute Strategie, um den Absatz zu steigern und die Zielgruppe zu erweitern. Und das zahlt sich aus. Der Mini hat BMW neue Zielgruppenansprachen ermöglicht, es brauchte jedoch – kurz nach der Einführung – eine neue Markenstrategie. Zuerst wurden die Minis in den BMW-Läden verkauft, dann kam die Erkenntnis, dass es auch bei den Sales-Verantwortlichen unterschiedliche Charaktere brauchen würde. Daher ist die heutige Variante, dass der BMW-Shop direkt neben einem eigenständigen Mini-Shop platziert wird, die beste Wahl.
Fiat hat 2023 sein weltweites Verkaufsvolumen hingegen um 12 Prozent gesteigert, auch dank des Fiat 500. In der Schweiz wuchs die italienische Traditionsmarke mit 4302 Neuimmatrikulierungen um rund 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland war die Fiat-500-Familie im Oktober 2023 Highlight der Verkaufsliste. Ohne dass man sich neuen Zielgruppen geöffnet hat. Retrodesign ist daher immer Risiko, funktioniert oder auch nicht.
Es funktioniert nicht immer
Als Volkswagen (VW) den Käfer als Beetle neu auflegte, war man von Beginn an skeptisch. Man hatte sich auch hier an traditionellen Dingen orientiert, denn die Amerikaner nannten den Wagen schon von Anfang an Beetle. Doch die Produktion der neuen Version wurde im Jahr 2019 eingestellt. Den Namen hatte man zwar auch aus der Vergangenheit übernommen, aber ein Käfer ist und war immer mehr als ein Auto, das mal neu auflegen kann. Der wirtschaftliche Erfolg von Retrodesigns motiviert Hersteller, ähnliche Strategien zu verfolgen, aber manchmal ist das die falsche.
Trotz der Herausforderungen, die die Automobilindustrie derzeit durchläuft – darunter Elektrifizierung, autonomes Fahren und zunehmender Wettbewerb – bietet das Retrodesign ein robustes wirtschaftliches Modell. Es verbindet Tradition und Innovation, spricht verschiedene Kundensegmente an und ermöglicht höhere Preise sowie längere Produktlebenszyklen. Somit bleibt das Retrodesign eine zukunftssichere Strategie mit bedeutendem wirtschaftlichem Potenzial.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Retro-Design in der Automobilindustrie nicht nur eine nostalgische Reminiszenz, sondern auch eine wirtschaftlich erfolgreiche Strategie darstellt. Die Kombination aus markentypischen Designmerkmalen und moderner Technologie schafft eine einzigartige Positionierung im Markt, die sowohl emotionale als auch wirtschaftliche Vorteile bietet.