Für Tesla-User sind die Softwarenutzerführung, die hohe Reichweite und der tiefe Schwerpunkt wichtige Kaufargumente. Für Mitbewerber sind die Produktionsprozesse spannend. Denn da gibt es einige Innovationen, die eine Preisreduktionen ermöglichen und die erst auf den zweiten Blick ihre Wirkung entfalten. Wie beispielsweise das sogenannte Gigacasting. So bezeichnet man das Druckgussverfahren für grosse Bauteile.
Beim Modell Y SUV hat man damit laut einem Bericht von Reuters nur noch ein einziges Bauteil statt 400 wie beim konventionellen Autobau. Das Aluminiumdruckgussverfahren wird bereits für grössere Front- und Heckteile der Fahrzeuge verwendet. Tesla-CEO Elon Musk soll dazu von den Spielzeugautos seine Kinder inspiriert worden sein und sich gefragt haben, ob und wie sich das, was in kleinem Massstab möglich ist, auf die «richtigen» Autos übertragen lässt.
Rahmen wird zur tragenden Struktur
Tesla hat aber das Druckgussverfahren für Aluminiumkarosserien weiterentwickelt: Man nutzt hier mit 3D-Druck bearbeiteten Sand für die Formgebung, und man arbeitet mit verfeinerten Heiz- und Kühltechniken, um den grossen Unterboden in eine Form zu bringen, die notfalls auch die Folgen eines Unfalls begrenzt. Ziel ist die Beschleunigung und damit die Effizienzsteigerung des gesamten Produktionsprozesses. Elon Musk bezeichnete dieses am Analystentag seines Unternehmens als «Unboxed»-Vorhaben im Rahmen des «Dritten Masterplans» für Tesla.
Dabei werden sechs grössere Bauteilgruppen parallel vormontiert. Erst kurz vor dem Abschluss des Produktionsprozesses werden die Front- und Heckteile, der Unterboden, das Cockpit inklusive der Vordersitze und der Akkusektion im Boden, die linke und rechte Karosserieseite sowie das Dach zusammengefügt. Damit werden mehrere weitere Ziele erreicht: Die schweren Akku-Elemente werden zu tragenden Strukturen, womit sich auch das Gesamtgewicht des Fahrzeugs verringern lässt. Und das ist gut für die Reichweite. Apple setzt seine Notebooks ähnlich zusammen – auch hierbei werden tragende Strukturen gleich in die Aluminiumbodenplatte integriert.
Laut den Analysten und Analystinnen von Morgan Stanley spart das Produktionsverfahren Zeit, menschliche Arbeitskraft, Produktionsflächen und Geld. Auch Roboter, die im konventionellen Autobau Menschen ersetzen, werden hier eingespart – es braucht insgesamt weniger Produktionsschritte, und weniger Komponenten müssen zusammengefügt werden. Mindestens so wichtig wie die direkten Effekte bei den Ressourcen sind die indirekten für den Hersteller: Anpassungen bei den Teilen und im Produktionsprozess lassen sich rascher als bisher vornehmen – wenn auch nicht ganz so flexibel wie bei den Software-Updates.
Nicht auf alle übertragbar
In der Autobranche schaut man sich das Vorgehen von Tesla sehr genau an. Es auf die Schnelle zu kopieren, ist aber schwierig. Das Druckgussverfahren erfordert teure neue Maschinen, geeignete Metalllegierungen sowie erfahrenes Personal – und weltweit sind mindestens zwei dieser drei Voraussetzungen knapp. Toyota ist besonders herausgefordert – hier hatte man mit der «Just-in-time»-Produktion vor vierzig Jahren den heutigen Industriestandard eingeführt, der dann überall kopiert worden war. Gemäss einem Bericht der «Financial Times» will man zwar das Druckgussverfahren breiter einsetzen – die Japaner vertrauen aber auch stark auf ihre eigene, in den vergangenen vierzig Jahren immer weiter verfeinerte Expertise beim Zusammenbau von Autos und beim Zusammenspiel aller weltweit verstreuten Lieferanten.
Vor allem beim tragenden grossen Unterboden teilen sich die Meinungen: Wenn dieser bei einem Unfall beschädigt wird, muss gleich ein sehr grosses Element ersetzt werden – und das kann eine Reparatur rasch unwirtschaftlich machen. Bei Toyota setzt man deshalb auf mehrere mittelgrosse Komponenten, die dann zusammengesetzt die gleichen Vorteile aufweisen sollen wie das grosse Einzelstück bei Tesla. Aber allfällige Reparaturen sind somit einfacher und günstiger.
Und auch zu den aufstrebenden chinesischen Herstellern pilgern die Vertreter der grossen europäischen Marken. Tesla unterhält in Schanghai seit Jahren eine eigene Gigafactory. Die lokalen Marken, die zunächst die Rezepte der westlichen und asiatischen Hersteller kopiert und dann verfeinert haben, sind bezüglich Effizienz inzwischen selber zu Vorbildern geworden. Laut einem Bericht von «Fortune» sind sie inzwischen schon fast zu erfolgreich: Die Überproduktion der lokalen Marken lässt inzwischen auch die Regierung aktiv werden. Sie wies einige Hersteller im Januar an, ihre Produktion der tatsächlichen Nachfrage anzupassen – ansonsten gebe es «kraftvolle Massnahmen».
1 Kommentar
Spannender Bericht über häufig unterschätzte USPs bei Tesla einschließlich Freud‘schem Versprecher („disrumpiert“)? Falls nicht, bitte klarstellen!