Wenn wir uns die Zahlen anschauen, ist allen klar: Die IT-Branche ist eine Männerdomäne. So beträgt der aktuelle Prozentsatz an Frauen in der Schweiz, die in der Branche tätig sind, gemäss Bundesamt für Statistik rund 16,3 Prozent. Gleichzeitig gibt es viele Diskussionen und Initiativen rund um die Erhöhung der Repräsentanz von Frauen in der Tech-Industrie. Mehr Diversität in den Teams würde nämlich zu mehr Innovationskraft, mehr Kreativität, mehr Leistung und schliesslich auch mehr Qualität führen – und somit die elementaren Säulen, die den Erfolg eines Unternehmens tragen, festigen. Warum also sind nicht einmal zwei von zehn IT-Fachkräften weiblich?

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Die Autorin

Maria Kirschner, Vice President und General Manager von Kyndryl Alps

Es gibt keinen Zweifel daran, dass Frauen im Technologiesektor unterrepräsentiert sind – sämtliche Daten weisen genau darauf hin. Und zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass diese Unterrepräsentation den Sektor einschränkt und sich auf die Innovationskraft sowie schlussendlich auch auf die Wirtschaft auswirkt. Es reicht jedoch nicht aus, nur über das Problem zu sprechen, indem man den Anteil von Frauen in Führungspositionen und die erwiesenen Vorteile einer grösseren Vielfalt betrachtet. Wenn wir uns nur auf Frauen in Führungspositionen konzentrieren, behandeln wir immer noch ein Symptom und nicht die Ursache. Der Frauenanteil im Technologiebereich ist nicht nur auf Vorstandsebene, nicht nur in der Beratung, sondern auch an der Basis geringer. Daher kann die Ungleichheit in Spitzenpositionen im Technologiesektor nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Zusammenhang mit der Ungleichheit in der Gesellschaft als Ganzes. Schliesslich sind Technologie und Gesellschaft eng miteinander verwoben. Eine ganzheitliche Perspektive hilft uns, besser zu verstehen, dass mehr Gleichheit in der Gesellschaft zu besseren Geschäftsergebnissen, Innovation und Wachstum führt.

 

Talente schauen auf die Unternehmenswerte

Dem IWF zufolge bringt ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Leitungsorganen eine grössere Ideenvielfalt hervor, die wiederum zu besseren Geschäftsentscheidungen und letztlich zu einem besseren Endergebnis führt. Dies ist keine blosse Spekulation: Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Präsenz von Frauen in Spitzenpositionen und besserem Management.

Einstellungs- und Beförderungspraktiken, die sich nicht an Diversität orientieren, berauben die Technologieinstitute derjenigen Talente, die sie brauchen, um wettbewerbsfähig und erfolgreich zu sein. Die Rede ist hier nicht nur von weiblichen Talenten. Die besten Kandidaten, die sich aussuchen können, für wen sie arbeiten, werden sich wahrscheinlich für Unternehmen entscheiden, bei denen sie die grösste Übereinstimmung des Unternehmensprofils mit ihren persönlichen Werten vorfinden. Daher ist es unwahrscheinlich, dass aufgeschlossene und zukunftsorientierte Menschen, gleich welchen Geschlechts, ihre Talente Unternehmen zur Verfügung stellen, die einen Mangel an personeller Ausgewogenheit aufweisen.

 

Stereotypen beenden

Ja, wir sollten Frauen vor den Vorhang holen, aber das Ziel ist es, Gleichheit zu normalisieren. Wenn unsere sozialen Strukturen es zulassen, gemeinsame Verantwortung tatsächlich zu leben, ist ein grosser Schritt in diese Richtung getan. Wir sind noch nicht an diesem Punkt angekommen, deshalb brauchen wir einen förderlichen Rahmen, dazu zählt zum Beispiel die Kinderbetreuung. Ausserdem müssen wir Frauen in technischen Kompetenzen gut abholen, und damit müssen wir schon früh beginnen. Es wurde uns nicht in die Wiege gelegt, ob wir gute Mathematikerinnen oder Mathematiker sind oder nicht. Gemäss einer kürzlich veröffentlichten Pisa-Studie ist es gar so, dass die schulischen Leistungen in der Schweiz in diesem Bereich einen Abwärtstrend aufweisen. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation hält fest, dass die Emotionen dabei eine grosse Rolle spielen: Während die Angst vor der Mathematik bei Mädchen im Jahr 2003 noch bei 41 Prozent lag, stieg sie im Laufe der Zeit auf satte 68 Prozent an. Und auch wenn bereits einiges dafür getan wird, um diesem Trend entgegenzuwirken, müssen wir auf diese Warnsignale hören und als Gesellschaft gemeinsam daran arbeiten, diese Stereotype zu beenden.

Auch später können wir einiges tun. Wenn Frauen in Meetings beispielsweise nicht anwesend sind, sollten wir fragen: «Warum nicht?» Wenn Frauen diskriminiert werden, sollten wir schlechte Praktiken aufzeigen und aktiv werden. Wichtig ist meines Erachtens ein Mentoring, in dem weibliche Führungskräfte, die Vorbilder für die nächste Generation weiblicher Führungskräfte sein könnten, gefördert werden. Es gibt viel zu tun, viele Herausforderungen stehen an, die mit Unterstützung der Tech-Branche gelöst und/oder unterstützt werden können. Um dies zu tun, braucht es beide Geschlechter.