Einen klassischen Managementkurs hat Michel Grunder nie besucht. Ursprünglich studierte er an der Universität Bern Philosophie und rutschte über ein Praktikum in die PR-Branche, in der er eine typische Agenturlaufbahn absolvierte. Diese gipfelte Anfang Jahr in der Position als alleinigem CEO von Team Farner Schweiz.
Dass er Spass am Führen hat, merkte Grunder rasch. Seine Leadership basiert einerseits auf dem Vorleben von Beispielen; andererseits schenkt er den Leuten sehr viel Vertrauen, solange die Performance stimmt. «Sobald ich jedoch das Gefühl habe, dass etwas nicht gut kommt oder zu lange dauert, bin ich sehr klar in der Kommunikation. Wenn nötig, entscheide ich präzise und schnell.» Dies sei ihm schon immer leicht gefallen, die Fähigkeit zum Führen wohl eher eine Veranlagung als etwas Angelerntes. «Vermutlich bin ich deshalb sehr authentisch in meinem natürlichen Führungsstil und nicht sehr flexibel im Adaptieren von trendigen Führungsmustern», erklärt Grunder.
Wertvoller Austausch
Zwischen 2022 und 2024 leitete er Team Farner Schweiz gemeinsam mit Pablo Koerfer; zuletzt in einer Mischform aus alter und neuer Governance: Während Koerfer nach seiner Rücktrittsankündigung noch im Daily Business präsent war, verantwortete Grunder bereits alle zukunftsgerichteten Themen. Doch welches Führungsmodell ist ihm lieber? «Ich denke, beide haben Vor- und Nachteile. Ich schätzte das Co-Modell mit Pablo sehr, das liegt sicher auch daran, dass wir uns wirklich gut verstanden und ergänzten. Es hat schon eine Qualität, wenn man permanent jemanden hat, um zu ‹sounden›, sich auszutauschen und all das zu teilen, was einen so umtreibt», sagt Grunder.
Dies sei nun nicht mehr der Fall, dafür würden einige Dinge etwas schneller gehen. Er dürfe nach wie vor mit einer grossen Zahl an Führungspersönlichkeiten innerhalb der Agentur zusammenarbeiten. Zudem sei Team Farner eine internationale Gruppe, in deren Leadership-Gremien er ebenfalls Kolleginnen und Kollegen habe, um unterschiedliche Perspektiven einzuholen. «Am Ende des Tages entscheide ich und trage entsprechend auch die Verantwortung, aber der Weg dorthin liegt immer noch im Austausch», erklärt Grunder.
Respekt als Schlüssel
Bei Farner sind die Hierarchien flach, jede Meinung zählt: «Wenn eine Praktikantin oder ein Praktikant für ein Kundenprojekt eine gute Idee hat, ist diese zehnmal besser als meine schlechte», betont der CEO. Er ermutige die Leute gezielt, sich einzubringen, sich zu äussern und für die eigene Meinung einzustehen, was auch gewürdigt und gefeiert werde. «Ich denke, dass dies einen extremen Einfluss darauf hat, wie man in einer Agentur miteinander umgeht. Der gegenseitige Respekt, das Einbinden von unterschiedlichen Generationen, Geschlechtern und Sprachregionen ist bei uns wirklich gelebter Alltag», betont Grunder.
Folglich wird der gegenseitige Austausch grossgeschrieben: Spezielle Gesprächsformate wie «Close the Gap» oder regelmässige Meetings mit ihren Mentorinnen und Mentoren geben Mitarbeitenden die Möglichkeit, Dinge wie die Vereinbarkeit von Karriere und Familie zur Sprache zu bringen. «Wie man mit solchen Themen umgeht, ist auch für uns delikat», sagt der Kadermann. Aus Gründen der Privatsphäre dürfe man niemanden auf die Familienplanung ansprechen, doch wenn eine gemeinsame Vertrauensbasis bestehe, um Entwicklungsschritte in alle Dimensionen zu diskutieren, würden alle profitieren. Und wenn doch irgendwo der Schuh drücke, stehe seine Tür stets offen.
Chancen für alle
«Aspekte wie Chancengleichheit, Gleichberechtigung und Equal Payment waren zumindest in den vergangenen zwanzig Jahren immer eine Selbstverständlichkeit bei Farner», erklärt Michel Grunder. Natürlich habe man gewisse Dinge verbessern und weiterentwickeln müssen – beispielsweise den Gender-Mix auf der oberen Kaderstufe. Sowohl bei den Partnerinnen und Partnern sowie in der Gesamtbelegschaft habe Farner heute eine gute Durchmischung. Ausserdem beschäftige man schon seit mehr als zwei Dekaden viele Part-Timerinnen und Part-Timer. Darunter viele junge Väter, die ihr Pensum reduzieren würden, um für die Familie da zu sein und der Partnerin die Möglichkeit zu geben, ihre eigene Karriere weiterzuverfolgen.
«Wir haben sehr viel Gewicht darauf gelegt, dass wir im Bereich der Karrieren- und Chancenentwicklung einen Fast-Track nicht von einer 100-Prozent-Verfügbarkeit abhängig machen. Damit wollen wir sicherstellen, dass Frauen und Männer, die – meist familienbedingt – nicht Vollzeit arbeiten, die gleichen Chancen haben», betont der CEO. Neben Gleichstellung und Genderdiversität fördere man jedoch auch andere Facetten, beispielsweise die Generationenvielfalt. In der Regel haben Kommunikationsagenturen eine junge Truppe, bei Farner sind jedoch nahezu ein Fünftel aller Leute über 50 Jahre alt; viele bleiben auch bis zur Pensionierung. «Dies ist etwas, was uns unglaublich bereichert – dafür haben wir aber keine Programme, das gehört einfach dazu», sagt Grunder.
Es brauche immer eine Perspektivenvielfalt, was das Geschlecht, die Generationen, aber auch die handwerklichen Rucksäcke betreffe: «Ein USP von Farner ist, dass wir Kreative, PR-Beraterinnen, Techies und Coder haben. Wenn wir ein Problem mit all diesen unterschiedlichen Kompetenzen integrativ zu lösen beginnen, entstehen meist ganz überraschende Ansätze, auf die eine reine Werbeperspektive oder eine reine Politikberatungsexpertise gar nicht gekommen wäre», sagt der CEO. Um integrale Lösungen zu finden, brauche es handwerkliche Vielfalt sowie eine Vielfalt, was die Persönlichkeiten, Geschlechter, Generationen und Sprachen angehe. «Diverse Teams sind einfach die viel besseren Teams», ist Grunder überzeugt.