Cigdem Akyol in der ARD-Talkshow Maischberger im WDR Studio BS 3. Köln, 05.09.2018 *** Cigdem Akyol on the ARD Talkshow Maischberger in the WDR Studio BS 3 Cologne 05 09 2018 Foto:xC.xHardtx/xFuturexImage

Impulsgeber 2020: Gesellschaft

Veröffentlicht am 01.09.2020 - 11:08 Uhr
Quelle: imago/Future Image

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Ob im Kampfjet-Cockpit, im Pandemie-Krisenmanagement oder am Verhandlungstisch – mit ihren Initiativen haben diese Impulsgeber 2020 inspiriert.

Im Rahmen des «Magazins 25» stellen wir Ihnen jährlich 25 Impulsgeber und Visionäre vor, die in ihren Bereichen besonderes leisten. Die Jury richtet ihre Auswahl nach dem diesjährigen Jahresthema «Sicherheit in Zeiten der Unsicherheit» unseres Partners Europa Forum Luzern. Nachfolgenden finden Sie die Porträts der Persönlichkeiten in der Kategorie «Gesellschaft».

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Cigdem Akyol (41): Passion für Politik

Wenn das Schreiben stockt, helfen ihr rauchen, Schokolade essen und Musik von Johann Sebastian Bach, hat die Journalistin Cigdem Akyol einmal zu Protokoll gegeben. Angesichts ihres Outputs als Autorin könnte man fast etwas Angst um ihre Gesundheit bekommen. Cigdem Akyol folgt den Geschichten rund um den Globus, berichtete für die Berliner «taz» aus dem Nahen Osten, Zentralafrika, China und Südostasien, bevor sie 2014 als Korrespondentin nach Istanbul ging und später eine viel beachtete Biografie über Präsident Recep Tayyip Erdogan publizierte. Seit 2019 schreibt sie als feste Redaktorin für die Wochenzeitung WOZ in Zürich und nahm von dort aus als Erstes die österreichische FPÖ aufs Korn.

Ihr Hintergrund atmet Politik: Akyol stammt aus der Stadt Herne im westdeutschen Ruhrgebiet, ihre kurdischen Eltern waren 1973 als Gastarbeiter dorthin gekommen. Auch wenn die Nähe zur Türkei damit folgerichtig erscheint, hätte Akyol eigentlich Russland als Korrespondentenstation bevorzugt. Egal an welchem Ort, für die studierte Slavistin und Völkerrechtlerin zählt offenbar vor allem, dass sie sich leidenschaftlich mit den politischen Verhältnissen auseinandersetzen kann. So betrachtet sie nicht nur die Schweizer Flüchtlingspolitik mit kritischem Blick, von hier verfolgt sie auch genau das Handeln der Mächtigen am Bosporus und liefert ein differenziertes Bild der politischen Entwicklungen in der Türkei und im Nahen Osten.

Peter Maurer (64): Kopf, Herz und Hand

Der Spitzendiplomat und gebürtige Thuner steht an der Spitze des IKRK, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Der amtierende Präsident steht dem Komitee bereits seit acht Jahren vor. Bevor er diesen Posten in der Schweiz angetreten hatte, war seine Karriere von internationalen Standorten geprägt. Nach seinem Studium der Geschichte und des internationalen Rechts, das er mit dem Erwerb des Doktortitels erfolgreich abschloss, trat Maurer 1987 in den diplomatischen Dienst ein. Während zehn Jahren arbeitete er unter anderem in Bern und Pretoria (Südafrika), bevor er ab 1996 in New York den Posten als ständiger Beobachter der Mission bei den Vereinten Nationen übernahm. Vom ständigen Beobachter wechselte er ab 2004 zum ständigen Vertreter, um die Schweiz im multinationalen und komplexen Netzwerk zu repräsentieren. Verschiedene weitere internationale Stellen begleiteten seine Karriere, bevor er 2010 die Leitung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten in Bern übernahm und so in die Schweiz zurückkehrte. Seit 2012 amtiert er als Präsident des IKRK. In dieser Funktion ist er täglich mit sicherheitspolitischen Situationen konfrontiert.

Das IKRK verfolgt die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und setzt sich für den Schutz der Zivilbevölkerung sowie die Hilfe für Opfer von bewaffneten Konflikten ein. Ganz nach dem Leitsatz «Probleme löst man am besten, wenn man auf sie zugeht» lenkt Maurer das IKRK in diesen Konfliktzonen und versucht dort, humanitäre Lösungen zu finden.

Die humanitäre Arbeit wurde im Verlauf der Zeit nicht einfacher, nur noch komplizierter. Auch mit dem Einfluss der Covid-19-Pandemie haben sich neue, schwierige Situationen ergeben, die nun gelöst werden müssen. So steht die Wirtschaft zwar teilweise still, doch die Kriege werden weitergeführt, was die humanitären Aktivitäten des IKRK erschwert und die Lage vieler hilfsbedürftiger Menschen verschlimmert.

Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).
Foto: Sebastian Magnani / 13 Photo
Foto: Sebastian Magnani / 13 Photo

Maurer ist ein Mann, der in solchen Situationen mit anpackt und hilft. Sein erklärtes Ziel ist es, die humanitäre Diplomatie zu stärken, zwischen den verschiedenen Akteuren zu vermitteln und das Völkerrecht in Kriegszonen zu festigen, sei es durch Innovationen oder durch neue Partnerschaften. Diese Strategie verfolgt Maurer beispielsweise in von der Schweiz weit entfernten Konfliktregionen wie Afghanistan oder dem Südsudan, aber auch in Europa, wo das IKRK nach wie vor eine Verbesserung der humanitären Situation entlang der Fluchtrouten fordert.

An offiziellen Anlässen wie beispielsweise dem World Economic Forum in Davos war Maurer vor Ort und sensibilisierte die Führungskräfte für beängstigende Sachverhalte wie den Klimawandel, dessen Folgen eine Verschärfung der Konflikte und die Entstehung neuer Krisensituationen sein können.

Maurer agiert vorausblickend und scheut vor Herausforderungen nicht zurück. Sein Alltag ist geprägt von den Konfliktsituationen auf der ganzen Welt, doch mit seinem diplomatischen Hintergrund ist er stets darauf bedacht, eine passende Lösung zu finden. Die Gratwanderung zwischen den verschiedenen Interessen und der Herkulesaufgabe, alle Parteien an einen Tisch zu bringen, fordern den Berner immer wieder heraus. Doch Maurer erfüllt diese Aufgabe souverän, sodass er für vier weitere Jahre im Amt als Präsident des IKRK bestätigt wurde und sich auch in Zukunft um die Sicherheit von Opfern in Konfliktländern einsetzen und zwischen den verschiedenen Akteuren vermitteln wird.

Jens Stoltenberg (61): Immer auf der Hut

Eigentlich, so geht die Legende, habe er gar nicht Nato-Generalsekretär werden wollen. Eigentlich, so heisst es, musste er erst von verschiedenen Regierungschefs überzeugt werden, sich für das Amt zur Verfügung zu stellen. Aber was will man schon machen, wenn man von Angela Merkel und Barack Obama sanft gedrängt wird? Also steht Jens Stoltenberg seit 2014 an der Spitze des mächtigsten Militärbündnisses der Welt. Bereits zweimal wurde seine Amtszeit verlängert, zuletzt bis Herbst 2022.

Nato-Generalsekretaer Jens Stoltenberg, NATO Hauptquartier Bruessel, Bruessel, am 21.03.2019 Engl.: Jens Stoltenberg, Norwegian politician and 13th Secretary General of NATO since 2014, portrait and interview at NATO headquarters in Brussels, Belgium, Europe, on 21 March 2019. international politics
Foto: Matthias Jung/laif
Foto: Matthias Jung/laif

Um seine Aufgabe ist Stoltenberg nicht zu beneiden. Der Feind sitzt aussen und innen. Aussen, weil China und Russland ihre militärischen Ambitionen immer unverhohlener zeigen und auch die Spannungen mit Nordkorea immer mal wieder aufflackern. Innen, weil die Mitglieder selbst bisweilen Zweifel haben, ob die Nato richtig aufgestellt ist: Ende letzten Jahres sprach der französische Präsident Emmanuel Macron öffentlich vom «Hirntod» des Verteidigungsbündnisses (und handelte sich dafür einen Rüffel von Stoltenberg ein). US-Präsident Donald Trump konnte, glaubt man dem Buch seines damaligen Sicherheitsberaters John Bolton, nur mit Mühe davon abgehalten werden, mit dem Austritt der USA zu drohen, falls die anderen Mitgliedstaaten ihre Militärausgaben nicht erhöhen.

Qualifiziert für das Nato-Amt hat sich der ehemalige Journalist Stoltenberg in seiner Zeit als norwegischer Ministerpräsident: Zweimal bekleidete er das Amt des Regierungschefs, einmal von 2000 bis 2001, das zweite Mal von 2005 bis 2013. In diese Zeit fielen auch die Anschläge in Utøya. Für seine Reaktionen darauf erhielt er viel Zuspruch aus der Bevölkerung.

Daniel Koch (65): Der ruhige Pol im Sturm

Der ehemalige Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten (2008 bis 2020) beim Bundesamt für Gesundheit BAG und zuletzt als Covid-19-Delegierter sozusagen der Pandemie-Papst der Schweiz. Er ist seit Juni offiziell pensioniert und nebenbei als selbstständiger Berater für Krisenmanagement und -kommunikation tätig; im Netz findet man sein Unternehmen unter www.danielkoch-consulting.ch.

Krisen haben sein Leben begleitet: 14 Jahre, von 1988 bis 2002, war er für das IKRK tätig, unter anderem als medizinischer Koordinator in Krisengebieten in Afrika und Südamerika.Er erlebte Katastrophen, Tod und Elend hautnah mit – «in Sierra Leone wurden Hände abgehackt, Kindersoldaten instrumentalisiert».

1997 kehrte er in die Schweiz zurück und ging 2002 zum BAG. Der im April 1955 geborene Doktor, Vater zweier erwachsener Töchter und seit kurzem Grossvater ist sportlich und ein ausgesprochener Hundeliebhaber. Er hat an der Universität Bern Medizin studiert, arbeitete dann einige Jahre unter anderem in Peru als Assistenzarzt und absolvierte 1997 an der Johns Hopkins University in Baltimore ein Nachdiplomstudium in Öffentlicher Gesundheit.

Koch über Koch: «Es ist nicht einfach, mich in Panik zu versetzen.» Und entsprechend souverän meint er: «Ich hoffe, dass Europa aus der jetzigen Krise lernt, noch besser und enger zusammenzuarbeiten.»

Daniel Koch
Quelle: Thomas Meier
Fanny Chollet (28): Im Kampfjet daheim

Fanny Chollet ist der Inbegriff von Frauenpower. Seit dem Frühjahr 2019 ist sie als Pilotin einer F/A-18 Hornet in einem der leistungsfähigsten Kampfjets unterwegs. Und sie schrieb Militärgeschichte. Sie ist die erste und bisher einzige Kampfjet-Pilotin der Schweiz. Vor Chollet gab es neun Militärpilotinnen, jedoch machten alle das Helikopter-Brevet. Der Weg in das Cockpit des 90 Millionen Franken teuren Flugzeugs war lang. Schon im Gymnasium entschloss sich die Waadtländerin, die viele zivile Piloten in ihrem privaten Umfeld hat, Militärpilotin zu werden. Anfangs schwankte sie noch zwischen Helikopter und Jet, entschloss sich dann aber für das schnellere Gerät.

Den ersten Teil der Ausbildung absolvierte Fanny Chollet mit der zivilen Berufspilotenlizenz. Die Grundausbildung zur Militärpilotin schloss die junge Frau Ende 2017 ab. Seither ist die Berufsoffizierin im Range eines Hauptmanns Mitglied der Fliegerstaffel 18 und somit in der Basis Payerne stationiert. Alleine die Ausbildung auf der F/A-18 dauertezwölfMonate.

Vor 2004 wäre Chollets Karriere rechtlich nicht möglich gewesen. Erst durch eine Gesetzesänderung wurde der Weg zur Kampfpilotin in der Schweizer Armee frei gemacht.

Fanny Chollet
Quelle: Pablo Wunsch Blanco
Die Jury, welche die Impulsgeber und Visionäre kürte:

Executive Commitee, Europa Forum Luzern.

  • Marcel Stalder, Präsident
  • Philipp Gmür, Vizepräsident, Helvetia
  • Elvira Bieri, SGS
  • Julie Cantalou, foraus
  • Andreas Gerber, Credit Suisse
  • Morten Hannesbo, Amag
  • Hans Hess, Swissmem
  • Damian Müller, Ständerat
  • Fabian Peter, Regierungsrat Luzern
  • Nina Ranke, Ringier Axel Springer Schweiz 
  • Cécile Rivière, Interpharma
  • Jean-Philippe Rochat, Kellerhals Carrard
  • Stefan Rösch-Rütsche, EY
  • Bruno Staffelbach, Rektor Universität Luzern
  • Sophie Weerts, Professorin Universität Lausanne
  • Beat Züsli, Stadtpräsident Luzern