Menschenretter trifft auf Klimaforscherin – diesen Impulsgeber liegt die Sicherheit Europas besonders am Herzen.
Im Rahmen des «Magazins 25» stellen wir Ihnen jährlich 25 Impulsgeber und Visionäre vor, die in ihren Bereichen besonderes leisten. Die Jury richtet ihre Auswahl nach dem diesjährigen Jahresthema «Sicherheit in Zeiten der Unsicherheit» unseres Partners Europa Forum Luzern. Nachfolgenden finden Sie die Porträts der Persönlichkeiten in der Kategorie «Wissenschaft».
Die gebürtige Britin ist bereits seit 1997 in der Schweiz und heute als Rektorin der ETH Zürich tätig. Ihren Werdegang hat sie nach dem Bachelor als Bauingenieurin international gestartet, um geotechnische Projekte zu begleiten. Im Anschluss beendete Sarah Springman ihren Master und schloss 1989 mit dem Doktorat in Bodenmechanik ab.
Sicherheit ist die Grundlage ihres täglichen Tuns. Mit dem Fokus auf die Interaktion zwischen Boden und Gebäude sowie auf das Risiko von Naturgefahren trägt sie massgeblich zur Sicherheit von Stadt und Land bei. Auf dem Gebiet von Rutschungen hat sie herausragende Feldarbeit geleistet und mit ihrem spezifischen Wissen rund um den schmelzenden Permafrost ist sie am Puls der Zeit. Denn die Herausforderungen im geotechnischen Bereich werden in Zukunft als Folgen der Klimaerwärmung nicht verschwinden, sondern sich verstärken – und sie müssen mit neuen Lösungen angegangen werden.
Vor Herausforderungen schreckt Sarah Springman jedoch nicht zurück. Als ehemalige Spitzensportlerin weiss sie mit fordernden und strapaziösen Situationen umzugehen. Die Queen persönlich verlieh ihr für ihre sportlichen Verdienste den Orden als Commander of the Most Excellent Order of the British Emprire. Mit demselben Fleiss und Elan hat sie die Karriereleiter erklommen und motiviert heute als Rektorin der ETH junge Frauen und Männer, es ihr gleichzutun.
Sie ist das wissenschaftliche Gewissen der Klimabewegung. ETH-Klimaforscherin Sonia Seneviratne gehört zu den meistzitierten Wissenschaftern und ist seit 2018 eine koordinierende Hauptautorin des Berichts des Weltklimarats. Und sie macht wieder und wieder auf die Dringlichkeit aufmerksam,
zu handeln, und zwar jetzt. «Die aktuellen Massnahmen gegen den Klimawandel sind gänzlich unzureichend, auch in der Schweiz», schrieb sie jüngst in einem Blogbeitrag der ETH. So plädiert die Lausannerin beispielsweise für einen raschen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Bis 2050 soll die Schweiz dann klimaneutral sein, also unter dem Strich keine Treibhausgas-Emissionen mehr ausstossen. Ein Ziel, für das sich der Bundesrat im August 2019 entschieden hat. Und zwar «aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse des Weltklimarates». Dank jenem Bericht also, an dem Seneviratne wesentlich mitwirkte. Soll also noch jemand sagen, als einzelner Mensch könne man klimatechnisch nichts beeinflussen.
Plötzlich war es da, das Virus, und breitete sich auch in der Schweiz rasend schnell aus. Der Informationsbedarf bei den politischen Entscheidungsträgern und in der breiten Bevölkerung war immens. Es schlug die Stunde der Virologen und Wissenschafter. Von Beginn weg besonders hervorgetan hat sich Marcel Salathé, Professor für Epidemiologie an der ETH Lausanne (EPFL). Er wirkte nicht nur wegen seiner grossen Kompetenz glaubwürdig, er wusste auch, medienwirksam aufzutreten – und wurde damit zu einem der Gesichter der Corona-Krise. Kein anderer Epidemiologe wurde öfter zitiert, keiner hatte mehr Auftritte im Schweizer Fernsehen als der Lausanner. So ist es wenig verwunderlich, dass die SBB just ihn auswählten, um dem öffentlichen Verkehr nach dem Lockdown wieder Schwung zu verleihen: «Mit Abstand schütze ich mich und alle anderen auch», lässt er von Plakatsäulen und in grossflächigen Zeitungsinseraten wissen. Er ist zudem ein Verfechter des Maskentragens in den Zügen – auch wenn er selber auf dem SBB-Bild keine trägt. Wird die Botschaft mit dem Abstandhalten von der Bevölkerung breit verfolgt, so ist das mit dem Maskentragen weniger der Fall: Messungen von Mitte Juni zeigten, dass nur rund sechs von hundert Personen im öffentlichen Verkehr mit Maske unterwegs waren. Die Situation besserte sich erst, als Anfang Juli die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr eingeführt wurde.
Vor der Corona-Krise kannte Salathé kaum jemand. Er ist in Basel aufgewachsen und stammt aus einfachen Verhältnissen; sein Vater war Polizist. Er gilt er als eher ruhiger und sachlicher Mensch, sein Hobby ist Wandern. Doch in der Diskussion um die Corona-Krise zeigte er Verve – und schoss mitunter übers Ziel hinaus. Etwa als er dem Bund vorwarf, allzu gemächlich reagiert, die Wissenschaft zu wenig beratend einbezogen und kritische Stimmen zum Schweigen gebracht zu haben: «Fast wie in Nordkorea», liess er sich in der «NZZ am Sonntag» zitieren, was er aber bald bereute: Einen Tag später krebste er zurück und liess auf Twitter wissen, der Nordkorea-Vergleich sei «ein Seich» gewesen – schliesslich sei Nordkorea ein brutales Regime. Der Grund seines Ärgers indes hatte durchaus nachvollziehbare Gründe: Zusammen mit anderen Experten, allen voran Christian Althaus von der Universität Bern, hatte er das Bundesamt für Gesundheit (BAG) früh auf die grossen Gefahren des Virus aufmerksam gemacht, doch BAG-Mann Daniel Koch reagierte eher zögerlich.
Die Zusammenarbeit mit Salathé, Mitglied der Taskforce des Bundes, ging aber weiter. Auch in der zweiten Phase der Krise, als es galt, den Ausstieg aus dem Lockdown aufzugleisen, und als beschlossen wurde, das Tracking von Corona-Infizierten zu einem zentralen Element zu machen, war Salathé einer der Vorreiter. Er war entscheidend beteiligt an der Entwicklung einer Corona-App, die bis heute auch ausserhalb der Landesgrenzen als Benchmark gilt. Dies unter anderem auch, weil sie eine hohe Vertraulichkeit und viel Sicherheit in Sachen Datenschutz gewährleistet.
Auch wenn er sich mit Bundesvertretern mitunter gefetzt hat, so findet er doch lobende Worte. Die Schweiz hat den Lockdown, vor allem im Vergleich mit anderen europäischen Ländern, relativ früh beschlossen und auch konsequent durchgesetzt. «Die richtige Entscheidung», so Salathé. Klar ist, dass der Lockdown und die anderen vom Bundesrat beschlossenen Schutzmassnahmen die Entwicklung der Pandemie stark begrenzt haben. Engagierte Epidemiologen wie Salathé waren entscheidend daran beteiligt, dass viele Menschenleben gerettet werden konnten.
Seit Anbeginn seiner Karriere liegt dem Strategen die europäische Sache am Herzen. Zunächst stellte er sein Talent vor allem dem französischen Staat zur Verfügung – als Berater des Aussen-, dann des Verteidigungsministeriums, aber auch als Vertreter bei der UNO. In der Schweiz wurde der schon bald als «führender strategischer Denker Europas» titulierte Heisbourg in den 1990er Jahren wichtig. Bis vor kurzem präsidierte er etwa das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik. Die Denkfabrik ist eine der drei vom Bund finanzierten Organisationen in Genf. Immer äussert sich Heisbourg kontrovers und anregend zu aktuellen Geschehnissen, so auch zu terroristischen Akten in Europa. Oftmals, so seine Worte, sei die Reaktion auf den Terrorismus «schädlicher als der Terrorismus selbst». Auch zum transatlantischen Bündnis äusserte er sich zuletzt pointiert mit den Worten: «Die Nato existiert noch, aber die Allianz gibt es fast nicht mehr.» Heisbourg, ehemaliger Direktor des Internationalen Instituts für strategische Studien IISS, plädierte nach der europäischen Finanzkrise im Jahr 2011 auch schon für die Aufhebung der europäischen Währung.
Er ist bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Der schweizerisch-italienische Doppelbürger ist Leiter der Neuropathologie am Universitätsspital Zürich. Mit seiner Forschung zu sogenannten Prionen, falsch gefalteten Eiweissen, trug er vor zwanzig Jahren viel dazu bei, dass der Rinderwahnsinn und die menschliche Variante davon, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, ausgerottet wurden. Mutmasslich konnten so viele Menschen gerettet werden. 2016 haben die Bewilligungsbehörden aber die Schrauben angezogen, was Tierversuche angeht. «Die Bürokratie killt uns», beklagte sich Aguzzi, «denen geht es nicht um Tierschutz, sondern einzig darum, ihre Macht über die Forscher auszuleben.»
Mit markigen Auftritten sorgte Adriano Aguzzi, der auch als möglicher Nobelpreisträger genannt wird, während der Corona-Krise für Furore. Nachdem er im März einen Brief von Experten mitunterzeichnet hatte, die einen sofortigen Lockdown forderten, wurde er mit Beleidigungen eingedeckt. «Ich werde ab jetzt jedes Hassmail mit Namen und Vornamen veröffentlichen», drohte der Forscher auf Twitter.
Für viel Aufmerksamkeit sorgte Aguzzi mit einem Video, in dem er wegen Corona eine Ausgangssperre verlangte. «Bleiben Sie zu Hause, das muss nicht lange sein, aber bitte bleiben Sie zu Hause», flehte er die Zuschauer an. Das Video wurde 300000 Mal angeklickt. Er sei überzeugt, auch damit Menschen gerettet zu haben, gab Aguzzi später zu Protokoll. Kein Wunder – er hatte ja auch vor 60000 Corona-Opfern gewarnt.
Executive Commitee, Europa Forum Luzern.
- Marcel Stalder, Präsident
- Philipp Gmür, Vizepräsident, Helvetia
- Elvira Bieri, SGS
- Julie Cantalou, foraus
- Andreas Gerber, Credit Suisse
- Morten Hannesbo, Amag
- Hans Hess, Swissmem
- Damian Müller, Ständerat
- Fabian Peter, Regierungsrat Luzern
- Nina Ranke, Ringier Axel Springer Schweiz
- Cécile Rivière, Interpharma
- Jean-Philippe Rochat, Kellerhals Carrard
- Stefan Rösch-Rütsche, EY
- Bruno Staffelbach, Rektor Universität Luzern
- Sophie Weerts, Professorin Universität Lausanne
- Beat Züsli, Stadtpräsident Luzern