Die Pensionskassenrenten sinken, die Hypothekarzinssätze sind historisch tief. Da überlegt sich so manch einer, sein Alterskapital vorzeitig zu beziehen und von der Mietwohnung ins Eigenheim zu wechseln. Das restliche Vorsorgekapital wird dann bei der Pensionierung zur teilweisen oder gar vollständigen Rückzahlung der Hypothek genutzt. Die Überlegung dahinter: Statt teurer Miete zahlt man im Alter bloss noch einen bescheidenen Hypothekarzins und profitiert erst noch von der Wertsteigerung auf seinem Haus oder seiner Eigentumswohnung.
Die Überlegung ist nicht falsch, aber sie ist verkürzt. Sie geht nämlich von der Prämisse aus, dass alles so bleibt, wie es ist. Und sie unterschlägt Kosten, die mit grosser Wahrscheinlichkeit in der Zukunft anfallen werden.
Tatsächlich ist Wohneigentum derzeit in zwei Dritteln aller Schweizer Gemeinden günstiger als mieten. Das zeigen verschiedene Studien, so etwa des Immobilienberaters Wüest Partner. Im Umkehrschluss heisst das aber auch, dass in einem Drittel aller Fälle die Miete günstiger ist als das Wohneigentum. Es gilt also ganz genau hinzuschauen, wo man investiert und wie sich die Preislage dort präsentiert.
Vereinfacht lässt sich sagen, dass Eigentum vor allem dort günstiger ist, wo die Immobilienpreise noch relativ tief sind – also ausserhalb der städtischen Ballungsgebiete und in eher unattraktiven Lagen. Ob eine mit öffentlichem Verkehr, Einkaufsmöglichkeiten und Gesundheitseinrichtungen eher schlecht erschlossene Wohnlage im Alter ideal ist, muss jedoch bezweifelt werden.
Dass die Hypotheken auch in zehn oder zwanzig Jahren noch so tief sind wie heute, ist zudem nicht in Stein gemeisselt. Eine «Normalisierung» Richtung 3 oder 4 Prozent ist langfristig jedenfalls nicht ausgeschlossen. Das könnte die Belastungsrechnung rasch einmal auf den Kopf stellen. Gerade im Alter kann sich das fatal auswirken, denn das Einkommen fällt mit der Pensionierung in den meisten Fällen um 30 bis 40 Prozent unter den letzten Lohn. Die Banken haben ein Auge darauf und verlangen, dass die Tragbarkeit auch unter diesen Voraussetzungen noch gegeben ist.
Konkret: Die Wohnkosten dürfen nicht mehr als einen Drittel des Einkommens beanspruchen. Und dies nicht etwa bei den heutigen Tiefzinsen, sondern bei einer Hypothekarzinsbelastung von üblicherweise 5 Prozent (dem «kalkulatorischen Zinssatz»). Ist die so berechnete Tragbarkeit nicht mehr gewährleistet, so verlangen viele Banken eine zusätzliche Amortisation der Hypothek. Kommt es zu Zahlungsverzögerungen, kann die Bank die Hypothek gar kündigen.
Höhere Zinsen würden auch auf den Wert der Immobilie drücken: Über die letzten Jahre betrugen sie im Landesdurchschnitt stolze 3,7 Prozent pro Jahr für Eigentumswohnungen und 3,1 Prozent für Einfamilienhäuser. Doch wie sich in den 1990er Jahren gezeigt hat, können sich die Immobilienpreise bei anziehenden Hypothekarzinsen auch sehr rasch ins Minus verkehren.
1992 sanken die Immobilienwerte verbreitet um gegen 30 Prozent. Es brauchte oft mehr als zehn Jahre, bis sie sich wieder auf das Vorkrisenniveau erholt hatten.
Auf der anderen Seite verteuert der Eigenmietwert als fiktives Einkommen die Steuerrechnung. Und Renovations- und Sanierungsarbeiten können die Rechnung rasch einmal aus dem Lot bringen. Sie fallen häufig erst nach 20 bis 25 Jahren an, dafür dann massiert: Heizung, Dach oder auch die Fassade müssen erneuert werden. Das kann ein tiefes Loch in die Altersreserve reissen. Und wer in der Eigentumswohnung lebt, muss in aller Regel feststellen, dass der Einlagenfonds bei weitem nicht ausreicht, um all die anfallenden Kosten zu decken.
Wer darauf baut, in einem solchen Fall einfach die Hypothek aufzustocken, wird rasch merken, dass dies nur schwerlich funktioniert. Für blosse Sanierungsarbeiten ohne Wertsteigerungscharakter gewähren die Banken normalerweise keine zusätzliche Hypothek. Ganz im Gegenteil erwarten sie, dass die bestehende Hypothek mit Erreichen des Pensionierungsalters auf zwei Drittel des Marktwerts abgebaut wird. Wer sich Spielraum verschaffen will, wird also gut daran tun, seine Hypothek auf die Hälfte oder gar weniger zu reduzieren.
Allzu drastisch sollte die Amortisation allerdings auch nicht ausfallen. Denn die Banken tun sich oft sehr schwer, Rentnern die Hypothek bei Bedarf wieder aufzustocken. Die an sich sinnvolle Idee, sein Wohneigentum völlig schuldenfrei zu machen, empfiehlt sich also nur, wenn man gleichzeitig über grössere sonstige Vermögenswerte verfügt.
Wer nicht nur selbst genutztes, sondern auch vermietetes Wohneigentum als Schutz vor Tiefzinsen und sinkenden Renten ansieht, muss sich die gleichen kritischen Fragen stellen. Und noch einige darüber hinaus, denn die Risiken potenzieren sich. Wer all sein Vermögen in Immobilien investiert, setzt sich einem erheblichen Klumpenrisiko aus. Sinken die Immobilienpreise, wird die Bank auf Nachfinanzierung drängen. Gerade bei vermieteten Objekten ist der Eigenkapitalanteil aus Renditeüberlegungen aber meist eher klein. 25 Prozent sind in diesem Bereich das Minimum. Sinken die Immobilienpreise nur um 10 oder 15 Prozent, ist das halbe Kapital weg.
Eine einzelne vermietete Eigentumswohnung birgt zudem ein gefährliches Leerstandsrisiko. Rund 10 Prozent der Schweizer Neubauwohnungen stehen leer und gut 3 Prozent aller bereits bestehenden Wohnungen. Das tönt nach wenig. Aber wenn es einen trifft, so fressen zwei oder drei Monate ohne Mieter bereits die ganze Jahresrendite weg.
Fazit: Selbst genutztes oder vermietetes Wohneigentum ist eine gute Idee. Allerdings nur, wenn man darüber hinaus noch genügend Vermögensreserven hat, um einbrechende Immobilienpreise, anziehende Hypothekarzinsen oder sonstige unliebsame Überraschungen problemlos und vor allem auch langfristig auffangen zu können. Andernfalls empfehlen sich Miete und lebenslange Rente eher. Wer trotzdem von den Vorteilen des Immobilienmarktes profitieren will, kann dieses Ziel auch über Immobilienfonds oder Anteile an börsenkotierten Immobiliengesellschaften erreichen.