Was sicher stimmt: Die Protagonisten dieser Geschichte gab es wirklich. Allesamt Verbrecher, die in Grossbritannien, mehrheitlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, für ihre -Delikte verurteilt wurden. Kleinkriminelle und auch politische Gefangene schickte man dann ins Exil, meistens in extra gebaute Strafkolonien nach Australien. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 160 000 Sträflinge in Down-under landeten; die meisten verstarben auch dort.
«19 Crimes» beziehe sich, sagen die Produzentinnen und Produzenten, auf eine «Liste» von Verbrechen, für die Menschen zum Transport nach Australien verurteilt werden konnten. Die ursprüngliche Liste sei nicht mehr auffindbar, wahrscheinlich wurde sie auch einfach erfunden, aber auf der besagten Liste sind tatsächlich schaurige Verbrechen aufgeführt. Beispielsweise «Diebstahl eines Leichentuchs aus einem Grab».
Hinter «19 Crimes» stehen wohl einfach kommerzielle Interessen. Treasury Wine Estates ist einer der grössten Weinerzeuger und -händler der Welt und setzt mit seinen Anbauflächen in Neuseeland, Kalifornien und Italien mit insgesamt siebzig Marken mehr als 1,2 Milliarden Franken um. «19 Crimes» wurde 2012 mit dem Fokus auf preiswerte rote Cuvées aus Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Shiraz und Pinot noir gegründet – und verkauft sich in der Schweiz recht erfolgreich.
Sprechende Etiketten
Der Hintergrund zu den insgesamt acht Weingeschichten ruht also in der tatsächlichen Geschichte. Auf den verschiedenen Brands werden Kriminelle mit Polizeibildern vorgestellt, mit Jane Castings auch eine Frau. Und mittels der App Living Wine Labels, gratis erhältlich auf Google Play und Apple Store, kann man die Weinetiketten scannen und hört und sieht dann auf ihrem oder seinem Smartphone, auf die Etikette gehalten, die Kriminellen über ihr Leben erzählen. Ein Marketing-Gag natürlich, der vor allem bei den Menschen gut ankommt, die Wein eher aus gesellschaftlichen Gründen lieben, und nicht, weil sie explizite Weingeniesserinnen und -geniesser sind. Der Augmented-Reality-Aspekt der Etiketten ermöglicht es also, die Kriminellen auf den Etiketten auf unterhaltsame Art etwas näher kennenzulernen.
Unter den vorgestellten Sträflingen befinden sich auch John Boyle O’Reilly, der in Irland gegen die britische Herrschaft rebellierte. Man verhaftete ihn 1866 und verurteilte ihn wegen Hochverrats zum Tode. Die Strafe wurde dann in lebenslange Haft umgewandelt, und man brachte ihn 1867 nach Westaustralien. Zwei Jahre später konnte er fliehen, liess sich in Boston nieder und wurde Schriftsteller und Dichter. Er starb 1890 in Hull, Massachusetts. Die Sorte «Red Wine» soll zu seiner Persönlichkeit passen: ein erdiger Wein mit viel Charakter, basierend auf dunklen Beeren und Nuancen von Vanille. Die Macher empfehlen den Wein beispielsweise zu gewürztem Hackbraten.
Flucht nach Amerika
Auch James Wilson, eigentlich James McNally, wurde später bekannt. Seine Erfahrungen in der Strafkolonie fasste er in einem Brief zusammen, «a voice from the tomb», publiziert ebenfalls in den Vereinigten Staaten, wohin auch Wilson flüchten konnte. Wilsons Abbild gehört zur «Banished»-Marke der «19 Crimes»-Weine. Vom Geschmack her dominieren gedörrte Pflaumen, Brombeeren und Cassis. Dieser dichte, etwas fleischige Wein hat einen langen Abgang und passt beispielsweise zu Lammkoteletts.
Dass dann der US-amerikanische Rapper Snoop Dogg als weiterer Etiketten-Mann dient, hat mit der Vergangenheit nichts zu tun, sondern eher mit dessen jahrzehntelanger Koketterie, dass er sich jenseits der Legalität bewege. Als Inbegriff des Gangsta-Raps passt er bestens ins Marketingkonzept von «19 Crimes». Man kann davon ausgehen, dass Treasury Wine Estates und Snoop Dogg sich da einfach Interessen teilen.
Ein letzter Gag: Auch auf den Korken sind die Verbrechen notiert – ein weiterer Grund, «19 Crimes» in spassiger Gesellschaft zu geniessen, mit «Storytelling», das von Grossbritannien bis Australien und Amerika reicht.