Die meisten Grossverbraucher könnten ohne aufwendige Massnahmen viel Energie einsparen. Dies zeigen eindrücklich drei Sanierungsbeispiele aus dem energetischen Pionierkanton Basel-Stadt. Am rechten Rheinufer in Kleinbasel hat seit einigen Jahren die Fossil Group, eine amerikanische Handelskette von Lifestyle-Artikeln, ihren europäischen Hauptsitz.
Das Bürogebäude des Konzerns ist nach Minergie-P zertifiziert und an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Es wird mit Grundwasser gekühlt und der Wärmebedarf ist dank der effizienten Dämmung vergleichsweise gering. Strom bezieht die 2016 errichtete Immobilie ausschliesslich aus erneuerbaren Energieträgern.
Trotz des Minergie-P-Gütezeichens, das dem Neubau eine hohe Energieeffizienz bescheinigt, startete das Unternehmen bereits zwei Jahre nach Fertigstellung einen Energieoptimierungsprozess. Auslöser war das Energiegesetz des Kantons. Es verpflichtet Betriebe mit einem Elektrizitätsverbrauch von mehr als 200 000 kWh/Jahr, jeweils drei Jahre nach Inbetriebsetzung und anschliessend regelmässig alle fünf Jahre eine Betriebsoptimierung vorzunehmen.
Die Fossil Group delegierte diese Aufgabe an die IWB, einen Energieversorger im Raum Basel. Dieser hat für solche Zwecke das Instrument «Betriebsoptimierung+» entwickelt. Mit dem Tool lassen sich sämtliche Daten des Energieverbrauchs erfassen und auf ihre Wirksamkeit hin prüfen.
Die Energiespezialisten und Energiespezialistinnen können dann aus den Ergebnissen Optimierungsvorschläge für Heizung, Klimatisierung, Lüftung und Stromverbrauch ableiten. Zum Angebot der IWB gehört auch, dass der Energieversorger die Grosskunden anschliessend bei der Umsetzung der Massnahmen begleitet.
Verbrauch um 40 Prozent gesenkt
Das Resultat der Betriebsoptimierung+ bei der Fossil Group ist erstaunlich: Der Konzern konnte im Zeitraum 2018 bis 2021 den Energieverbrauch um 40 Prozent reduzieren, und zwar ohne die Erneuerung oder den Bau von Infrastrukturen. Einsparmöglichkeiten ergaben sich vor allem bei den Leitsystemen.
«Dass wir so viel weniger an Energie benötigen würden, hat mich doch ziemlich überrascht.»
Martin Müller, Facility Manager der Fossil Group
Die wesentlichste Effizienzsteigerung ermöglichte allein die intelligentere, auf das Nutzerverhalten hin optimierte Steuerung von Heiz- und Klimageräten. Auch die besser eingestellte Beleuchtung half beim Energiesparen. «Wir haben unter anderem die Grundwasserpumpe und die Kältekompressoren, die vorher permanent gelaufen sind, neu eingestellt, ebenso die Lüftung», erklärt Flurin Buchholz-Baltermia, Leiter Energieberatung der IWB.
Martin Müller, Facility Manager der Fossil Group: «Dass wir so viel weniger an Energie benötigen würden, hat mich doch ziemlich überrascht», sagt er. Offensichtlich lässt sich auch bei neuen Installationen viel mehr verbessern, als gemeinhin erwartet wird, und dies meistens nur durch intelligentes Nachjustieren.
Ganz anders als bei der Fossil Group sind die Herausforderungen bei der Betriebsoptimierung der Musik-Akademie Basel. Deren Campus umfasst 14 teilweise historische und technisch sehr unterschiedlich ausgestattete Gebäude. Gian-Pietro Crosilla vom technischen Dienst meint: «Wir können nicht einfach auf einen Schlag alles energetisch erneuern. Das würde uns zu viel kosten und den Schulbetrieb zu sehr beeinträchtigen.»
«Gemäss Plan sollen nun bis 2029 rund 17 Prozent des heutigen Energieverbrauchs eingespart werden.»
Ausserdem sind für das Musizieren einige Besonderheiten bezüglich des Raumklimas zu berücksichtigen. Der grosse Sanierungswurf ist zudem nicht möglich, weil die meisten Gebäude geschützt sind. Zusammen mit den Beratern und Beraterinnen der IWB entschied sich die Musik-Akademie deshalb zu einer Betriebsoptimierung in kleinen Schritten.
Gemäss Plan sollen nun bis 2029 rund 17 Prozent des heutigen Energieverbrauchs eingespart werden. Die Musik-Akademie setzt dabei vor allem auf eine bessere Leittechnik. Heizgrenze und Nachttemperatur, Lüftungsanlage und Bewegungsmelder werden ans Nutzerverhalten genau angepasst.
Ein Testlauf des Bestmöglichen
Zum Energiegrossverbraucher wird auch das neue Basler Quartier Westfeld, denn alle Gebäude sind in einem sogenannten Zusammenschluss zum Eigenverbrauch gebündelt. Das Projekt wird derzeit von der Baugenossenschaft Wohnen&mehr realisiert. Das durchmischte Kleinquartier verbindet Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Einkaufen.
«Mehr eigener Strom ist aufgrund der Fläche, die für die Solarmodule zur Verfügung steht, nicht möglich.»
Markus Balmer, Leiter Vertrieb der IWB.
Die von der IWB konzipierte Wärme-, Kälte- und Stromversorgung kombiniert modernste umweltfreundliche Technik mit Ladelösungen, Car-Sharing und E-Bikes. Die Wärmeversorgung erfolgt dezentral mittels Wärmepumpen, die rund 70 Prozent der Energie produzieren. Der Rest wird über Fernwärme abgedeckt.
Die Photovoltaikanlage soll 20 bis 30 Prozent des vom Quartier benötigten Strombedarfs liefern. «Mehr eigener Strom ist aufgrund der Fläche, die für die Solarmodule zur Verfügung steht, nicht möglich», so Markus Balmer, Leiter Vertrieb der IWB. Er bezeichnet das Westfeld aufgrund seiner Dimension als ein «Pionierprojekt, mit einem intelligenten dezentralen Energiemanagementsystem als eigentlichem Herzstück».
Am neuen Kleinquartier solle getestet werden, welcher Grad von Energieautarkie mit aktueller Technik überhaupt möglich sei.
Das Projekt signalisiert, dass 100-prozentige Energieautarkie im städtischen Umfeld ein ambitiöses Ziel bleibt. Grossverbraucher verfügen selten über die notwendige Fläche, um genug Solarstrom zu erzeugen. Ihnen empfiehlt Balmer, sich erneuerbaren Reststrom zu beschaffen oder sich an externen Projekten beispielsweise von Kraftwerken direkt zu beteiligen.
So könnten sie, wenn auch auf Umwegen, doch noch zu 100 Prozent eigenem Strom und damit zur angestrebten Energieautarkie gelangen.
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