Diese Impulsgeberinnen und Impulsgeber sind jung, dynamisch und wissen, was sie wollen. Perfekte Eigenschaften, um bis nach China Eindruck zu hinterlassen.
Seit 2019 kürt das Europa Forum Luzern jedes Jahr herausragende Persönlichkeiten, deren Visionen etwas bewegen. Passend zum Jahresmotto «Im Banne Chinas» sind es heuer 25 Impulsgeberinnen und Impulsgeber, die im Spannungsfeld Schweiz, Europa und China Herausragendes leisten und Brücken bauen. Nachfolgend 5 Porträts aus dem Bereich Generation Zukunft.
Xi hat als Architektin angefangen. Sie hat in Schanghai und an der ETH Zürich studiert, schloss dort 2006 ab und startete ihre Karriere. Ihr Vater war Künstler, ihre Mutter sorgte für die Familie. Die Provinz Shaanxi, wo Xi zur Welt kam und aufwuchs, ist eine der gebirgigsten Gegenden Chinas und ist reich an Geschichte. Akademisch schaffte sie es als 18-Jährige an die renommierte Tongji Universität in Schanghai, wo sich jährlich Hunderttausende bewerben und ein paar Tausend aufgenommen werden. Sie erklärt, dass sie ein unruhiges Kind gewesen sei, Mühe hatte, sich unterzuordnen und viele Bücher verschlang.
Die Wahrheit ist komplizierter. Xi denkt die Welt in mehreren Dimensionen und würde gerne die Wände zwischen Berufsdisziplinen einreissen. Zwar arbeitet sie als Architektin. Parallel ist sie aber an vielen Dingen interessiert. Sie befasst sich mit Energie als Kraft und Fluidum, schreibt ein Buch über «A script of Superpower», baut ein Mietlabor für Biotech-Startups (Superlab Suisse), betreibt zwei Büros in Zürich und Shanghai, tritt bei Apple in Werbespots auf und fragt auf Youtube im berühmten TED-Talk, wozu noch mehr Stararchitekten überhaupt gut seien.
Dabei hatte sie just drei Jahre lang bei den Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron als Praktikantin gearbeitet und den Bau des «Vogelnests» mitbetreut, das berühmte olympische Stadion. Seit sie sich 2006 selbstständig gemacht hat in Schanghai und ihr Architekturbüro EXH gründete, fand sie vor allem in der Pharmabranche und in Europa Bauherren.
Ihr Credo lautet «Schweizer Qualität, chinesisches Tempo», so auch der Titel eines Buches aus 2016. Für Roche baute sie den China-Hauptsitz in Schanghai. Für Novartis auch dort ein Bürogebäude. Die Schweiz und Österreich haben ihr den Bau mehrerer Konsulate in verschiedenen Provinzen Chinas anvertraut. In Zürich entwarf sie zuletzt den Hauptsitz des drittgrössten chinesischen Finanzinstituts, der Industrial and Commercial Bank of China.
Für Xi ist Architektur eine wunderbare Methodik, um die Welt zu verstehen und Neues zu schaffen. Die 42-Jährige sagt, sie arbeite auf kein konkretes Ziel hin. Vermögen ist nicht ihr Antrieb. Sie muss kein Netzwerk oder Starkult suchen. Sie lehnt gelegentlich Bauaufträge ab, wenn sie in der Projektbeschreibung keinen Gewinn für die Gesellschaft sieht und fordert Architekten auf, sich schlechten Aufträgen zu widersetzen. Ihrer Meinung nach ist es in der Architekturausbildung dringend erforderlich, zu lernen, wie man CO2-neutral baut. Das Wichtigste sei für sie, sich selber zu verbessern. Dann sei es «ein Energie-Match».
Sie akzeptiert, dass die Länder unterschiedliche Gesetze haben. Sie fühlt sich sowohl als Chinesin als auch als Schweizerin, aber lieber als Weltbürgerin. Wenn es einen UN-Pass gäbe, würde sie sich dafür bewerben. Auch Kategorien wie Mann-Frau, jung-alt, Junior-Senior sagen ihr nichts. Sie glaubt, dass alle Menschen ein gemeinsames Bewusstsein teilen. Sie nennt es Super-Bewusstsein oder Super-Synchronizität, ein Begriff, den sie dem Psychiater und Psychoanalytiker Carl Gustav Jung entliehen hat und mit dem sie zeitlich korrelierende Ereignisse meint, die nicht kausal miteinander verknüpft sind. Darin äusserten sich Innovation und Lebensverbesserungen auf der Welt, die sie weiterbringen will. Andreas Valda
Ihre grösste Sorge?
Keine. Man soll sich trainieren, sich nicht zu sorgen, denn Sorgen bringen nichts.
Ihr schönster Moment im Leben?
Jetzt – die Momente, die gerade kommen.
Ihr grösser Wunsch für die Schweiz?
Dass sie das Tor für Talente noch mehr öffnet.
Eben noch stand sie auf der Bühne am Management-Symposium in St. Gallen. Am Wochenende gehts bereits nach Usbekistan, Recherche. Martina Fuchs ist immer auf Achse. Die Schweiz, sagte sie im Interview, «ist zu klein für mich». Ihre Mailadresse mit .global suggeriert: Ihr Platz ist die Welt. Sie lebte in Zürich, in Kairo, in London, in Dubai, in China. Und ebenso vielfältig ist ihre Passion: Moderatorin, Netzwerkerin, Nachrichtenfrau, Promotorin, Vermittlerin. Heutzutage vornehmlich im Bogen Europa-China. Mit dem Land ist sie vertraut, weil sie 2012 bis 2017 in Peking studierte, verdiente. Und weil sie seither jeweils mindestens einen Monat pro Jahr im Land verbringt.
Fuchs spricht und schreibt Mandarin. Um sich zu verbessern, hält sie sich mit täglichen Sprachübungen auf Niveau, auch mittels der App «The Chairman’s Bao», die sie am liebsten im Tram in Zürich oder in der Tube in London aktiviert. Ja, auch an der Themse ist sie regelmässig, zumal an der London School of Economics, wo sie für den Kurs «Chinese Language and Culture for Business» immatrikuliert ist. Doch nicht nur fürs Geschäftliche greift Fuchs zum Chinesisch: «Ich brauche die Sprache jeden Tag auch mit chinesischen Freunden und Kolleginnen.»
Früher arbeitete sie für den Staatssender CCTV, dann als Moderatorin für CNN Money Switzerland, seit 2020 als Europa-Korrespondentin für Chinas Nachrichtenagentur Xinhua von London und Zürich aus. Oder aus Bern, von wo aus sie unlängst Justizministerin Karin Keller-Sutter interviewte.
Politische Berichterstattung über China ist heikel, eine umfassende Berichterstattung schier unmöglich. Zu weit ist der Graben: Hier im Westen ist eine freie Presse die Basis der Demokratie, im kommunistischen Einparteienstaat ist sie Feind oder zumindest Ärgernis. Das weiss bestimmt auch Fuchs. Sie fokussiert ergo auf Firmen, Management oder Kulturelles. Und bringt manchmal alle drei zusammen. So ist sie International Media Ambassador für das Montreux Jazz Festival China, das im Oktober erstmals in der Tech-Metropole Hangzhou stattfindet. Oder sie ist International Consultant bei der Lang Lang International Music Foundation des chinesischen Star-Pianisten Lang Lang, die begabten Kindern eine Musikausbildung und Klavierunterricht ermöglicht. Zweifellos ein sehr sinnvolles Projekt, politisch unverfänglich. Stefan Barmettler
Britta Heidemann ist eine deutsche Fechterin. 2007 wurde sie in St. Petersburg Weltmeisterin mit dem Degen, 2008 Olympiasiegerin in Peking und 2009 Europameisterin im bulgarischen Plowdiw. Die Kölnerin spricht fliessend Mandarin; ihre Diplomarbeit zu ihrem 2008 abgeschlossenen Studium der chinesischen Regionalwissenschaften mit dem Schwerpunkt BWL an der Universität Köln verfasste sie zum Thema «Die Windkraftindustrie Chinas. Ökonomische Strukturen und rechtliche Rahmenbedingungen».
Mitte der 1990er Jahre fuhr sie zum ersten Mal mit ihrer Familie nach China und auch ihren Bruder führte der Beruf nach Schanghai. 1999 wohnte sie im Rahmen eines dreimonatigen Schüleraustauschs bei einer Pekinger Gastfamilie und kehrt seither immer wieder dahin zurück; damals auch wegen eines Praktikums bei Bayer Peking, aber hauptsächlich aus sportlichen Gründen. Seit ihrem Olympiasieg in Peking und einem Fernsehbericht ist sie auch in China eine bekannte Persönlichkeit.
2011 warb sie als Sonderbotschafterin des «EU-China Year of the Youth 2011» für den vermehrten Austausch im frühen Alter zwischen den Ländern. Darüber hinaus ist sie Botschafterin der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung sowie Mitglied des Deutsch-Chinesischen Dialogforums im Auftrag des Auswärtigen Amtes. 2014 erschien ihr Buch über ihre China-Erfahrungen, «Willkommen im Reich der Gegensätze. China hautnah».
Heidemann arbeitet heute freiberuflich als Unternehmensberaterin für die Bereiche China, erneuerbare Energien, Sport und Management und setzt sich für eine ausgeglichene Betrachtung von China ein – «es wird zu viel Schwarz-Weiss-Malerei betrieben» – und ist auch karitativ tätig. Eckhard Baschek
Dass er in zwei Kulturen daheim ist, impliziert bereits sein Name: Markus Herrmann Chen. Aufgewachsen ist der 39-jährige Berner in Interlaken. Mit seiner Mutter sprach er jedoch stets Chinesisch. Das genügte ihm aber nicht. Nach seinem Jura-Studium, in dem er sich auf Völker- und WTO-Recht spezialisierte und ein Jahr bei der Anwaltskanzlei Lenz & Staehelin tätig war, tauchte er in die Businesswelt ein. Und zog für sechs Jahre nach Asien. Seine Posten bei der Boston Consulting Group und später beim deutschen Konzern Bayer führten ihn nach Hongkong, Schanghai und Peking – Marktzugang und Government Affairs waren seine wichtigsten Tätigkeitsfelder. Heute ist er ein gefragter China-Experte, engagiert sich in verschiedenen Beiräten und berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor. Mit drei Partnern baut er Sinolytics auf, ein europäisches Forschungs- und Beratungsunternehmen, das auf die chinesische Politik spezialisiert ist. «Wir helfen Regierungen, Verbänden und Unternehmen, sich im chinesischen Markt zu orientieren.» Aktiv ist Herrmann Chen seit seiner Rückkehr in die Schweiz Ende 2016 auch beim Think-Tank Foraus. Dort lancierte er mit einem Kollegen ein Asienprogramm, gemeinsam legten sie 2019 ein Positionspapier zur China-Politik vor. Für ihn hat der Bundesrat nun mit der neuen China-Strategie eine gute Balance zwischen «realistisch» und «produktiv» getroffen. In seiner neuen Vorstandsrolle bei Foraus kümmert sich Herrmann Chen nun speziell um die strategische Weiterentwicklung der Themen Multilateralismus und internationales Genf. Bastian Heiniger
Das mondäne Montreux Jazz Festival zog es schon immer in die Ferne, nach Rio, Tokyo oder Singapur. Und neu ist man auch in China gelandet, genauer in Hangzhou. Eine Metropole, die zwar im Schatten Pekings oder Schanghais steht, aber Unglaubliches zu bieten hat. Eine Silhouette, die an Chicago erinnert, den West Lake, dessen sanfte Hänge vom Lac Leman träumen lassen, dann eine Dichte von Dollarmilliardären, wie man sie nur in Palo Alto findet. Zu ihnen gehört Jack Ma, der den Hauptsitz seines Internetriesen Alibaba hierhin pflanzte. Und Anfang Oktober wird eben das Montreux Jazz Festival China, kurz MJFC, dröhnen und strahlen.
Und zum Kürzel MJFC gehört auch JPP, die umtriebige und unerschütterliche Joyce Peng Peng, eine Innendesignerin und ausgestattet mit grenzenloser Passion für Jazz. Dass die Chief Executive des MJFC Musikerinnen und Musiker aller Couleur und aller Sprachen zusammenbringen kann, hat sie bereits früher bewiesen, an ihrem langjährigen Wohnort Hongkong, wo sie die Szene prägte und die eine oder andere Jazz-Lounge zum Leben erweckte inklusive eines veritablen Jazz-Festivals, das noch heute existiert.
Nun will Peng Peng das Zauberwort Montreux am West Lake in China anklingen lassen, und zwar unter der Affiche «When East meets West». Doch es soll, verspricht die Chefin, nicht bei der Musik bleiben, sondern auch den Austausch von Werten fördern, zur Weiterbildung beitragen oder zur Nachhaltigkeit anregen. Und natürlich den Beweis für den technologischen Edge der Digital-Boomtown Hangzhou liefern. Auch die Chefin selber ist ein gelungenes Ost-West-Produkt: aufgewachsen in Peking, Studium in Toronto, 25 Jahre in Hongkong, jetzt wieder zurück in China, mit einem Mann, der aus Holland stammt und zeitlebens in Zollikon am Zürichsee lebte. Stefan Barmettler
Executive Commitee, Europa Forum Luzern.
- Marcel Stalder, Präsident, Chain IQ
- Philipp Gmür, Vizepräsident, Helvetia
- Morten Hannesbo, Quästor, Dignitinis
- Elvira Bieri, SGS
- Julie Cantalou, glp Lab
- Andreas Gerber, Credit Suisse
- Hans Hess, ehem. Swissmem
- Daniel Keist, Metall Zug AG
- Michael Moersch, Ringier Axel Springer Schweiz
- Damian Müller, Ständerat
- Fabian Peter, Regierungsrat Luzern
- Cécile Rivière, foraus
- Jean-Philippe Rochat, Kellerhals Carrard
- Stefan Rösch-Rütsche, EY
- Bruno Staffelbach, Rektor Universität Luzern
- Fritz Studer, Luzerner Kantonalbank
- Sophie Weerts, Professorin Universität Lausanne
- Beat Züsli, Stadtpräsident Luzern