Ob in der Finanzmarktaufsicht, im Europaparlament, im Ständerat oder im EDA: Was diese Impulsgeberinnen und Impulsgeber in Bezug zu China zu sagen haben, hat Substanz.
Seit 2019 kürt das Europa Forum Luzern jedes Jahr herausragende Persönlichkeiten, deren Visionen etwas bewegen. Passend zum Jahresmotto «Im Banne Chinas» sind es heuer 25 Impulsgeberinnen und Impulsgeber, die im Spannungsfeld Schweiz, Europa und China Herausragendes leisten und Brücken bauen. Nachfolgend 5 Porträts aus dem Bereich Politik.
Marlene Amstad ist seit Anfang 2021 im Amt. Sie stand also bereits nach wenigen Monaten vor der wichtigsten Aufgabe ihrer Amtszeit als Finma-Präsidentin: einen Nachfolger, eine Nachfolgerin für Finma-Chef Mark Branson zu finden, der bei der Finanzmarktaufsicht in Frankfurt anheuerte. Ein Schnellstart also für die gebürtige Bernerin.
Im Gegensatz zu den Vorgängern auf dem Präsidentenstuhl war sie nie Anwältin, Richterin und auch kein UBS-Kader. Sie ist – erstens – eine Analytikerin, die nach konkreten Lösungen sucht. Und – zweitens – eine Asienexpertin. Immerhin lebte Amstad fast eine Dekade lang in der Region, einen Grossteil davon arbeitete sie im Assetmanagement asiatischer Notenbanken. Etwa in Hongkong, aber auch in China bei der People’s Bank of China. Dann lehrte sie an der Chinese University of Hong Kong (CUHK) und auf deren Mainland-Campus in Shenzhen. Dort, in der chinesischen Boomstadt also, wo neben dem Tech-Riesen Tencent (Wechat) auch das auf chinesische Finanzmärkte spezialisierte Finance Institute Shenzhen liegt.
An diesem Institut dozierte sie über chinesische Finanzmärkte sowie Money and Banking plus Fintech. Ausserdem war sie Co-Direktorin des CUHK Fintech Center in Shenzhen. Dort hinterliess sie handfeste Spuren: Ihre Lehrtätigkeit führte zum «Handbook of China’s Financial System» und zum Lehrbuch «Central Bank Digital Currency and Fintech in Asia». Die Frau aus dem Westen brachte ihr geballtes Wissen aus der Bank for International Settlements BIS und der Schweizerischen Nationalbank nach China mit.
Amstad spricht Chinesisch, ohne dies ginge es im Alltag in Shenzhen nicht, meint sie. Ihre Vorlesungen aber hielt sie stets auf Englisch. Seit ihrem Abschied aus China ist sie nur noch ferienhalber vor Ort, aber sie verfolgt eng, was sich im Riesenreich tut. Aktuell, sagt sie, finde eine «epochale Verschiebung» statt, von einer «High Speed»- zu einer «High Quality»-Strategie. Nicht mehr möglichst schnell wachsen geniesst in Peking oberste Priorität, sondern Nachhaltigkeit, gesicherte Einkommen, Innovationskraft.
Ihre Professur in Shenzhen gab sie per Ende 2020 ab. Um kurz darauf, eben Anfang 2021, das Finma-Präsidium von Thomas Bauer zu übernehmen. Logisch, dass die Vielgereiste bei ihrer Arbeit auf ein globales Beziehungsnetz zurückgreifen kann. Zu diesem gehört Ken Rogoff, der sie nach Harvard empfahl, wo sie – neben ihren Finma-Verpflichtungen – jetzt als Senior Fellow forscht. Stefan Barmettler
Sie lebten in China. Wie haben Sie sich verständigt?
Ich bin ein Datenmensch, hielt meine Vorlesungen auf Englisch, aber ohne Alltags-Chinesisch geht es nicht.
Wie hoch schätzen Sie das Wissen in China über den Westen ein?
China kennt den Westen bei weitem besser als umgekehrt. Da gibt es einiges aufzuholen.
Wann reisen Sie das nächste Mal nach Asien?
Digital derzeit wöchentlich, wir arbeiten an einem Datenupdate des Handbuchs. Physisch sobald wie möglich.
Er nimmt so etwas als Kompliment: Dass Reinhard Bütikofer Ende März von der chinesischen Staatsführung mit einem Einreiseverbot belegt wurde, beweist vor allem die Wirksamkeit seiner politischen Arbeit. Immer wieder kämpft er an gegen die Unterdrückung der Uiguren-Minderheit oder der Demokratiebewegung in Hongkong, lautstark und faktenbasiert. Sein Interesse an China geht zurück bis zu seiner Studentenzeit in Heidelberg, wo er Philosophie und Geschichte studierte – ohne Abschluss, wie der 68-Jährige fast stolz auf seiner Website betont. In der Partei Die Grünen arbeitete er sich vom Heidelberger Stadtparlament über den Landtag in Baden-Württemberg bis in die Bundespolitik hoch, war Geschäftsführer der Grünen und später von 2002 bis 2008 Parteichef; in einer Doppelspitze, wie bei den Grünen üblich.
Dank seiner pragmatisch-zielorientierten Art galt er aber als die eigentliche Führungsspitze. Bütikofer wird dem pragmatischen Realo-Flügel zugerechnet, der sich auf praktische Lösungen statt auf Öko-Fundamentalismus konzentriert. Er scheute auch Konflikte mit Spitzen-Grünen wie Ex-Aussenminister Joschka Fischer nie – und kehrte Berlin nach seiner Chef-Zeit den Rücken. Seit 2009 sitzt er im Europaparlament, führte mehrere Jahre auch den Verband der europäischen Grünen. Bütikofer ist verheiratet und hat drei Töchter. Dirk Ruschmann
Bruno Maçães nennt China «die grösste Story unserer Zeit». Er ist eine der Personen, welche diese Geschichte am besten zu erzählen wissen. Maçães beschäftigt sich als Politikwissenschafter und Buchautor seit vielen Jahren mit dem Land. An seinem Lebenslauf ist das nur auf den zweiten Blick zu erkennen. Der Portugiese mit Jahrgang 1974 studierte in der Heimat, doktorierte in den USA, lehrte in Südkorea, politisierte als portugiesischer Politiker in Brüssel. Und lebt heute vornehmlich in Dubai. Doch die Faszination für China erstreckt sich über einen grossen Teil seiner Karriere. Schon während des Doktorats an der Universität Harvard erkannte der Politik-Experte, welche Bedeutung das Land haben würde. Eine Bedeutung, die heute offensichtlich ist. «Die Welt steht am Scheideweg», sagt Bruno Maçães. China stelle die liberale westliche Ordnung unter der Führung der USA infrage. Und werde zur zweiten Supermacht neben Amerika. «Europa muss sich entscheiden, welche Rolle es künftig spielen will», glaubt der Portugiese. Er sagt eine Welt voraus, in der Chinas Werte und Kultur viel grösseren Einfluss haben. «China wird nicht wie wir, und wir können das Land nicht ignorieren.» Die Volksrepublik sei für den Westen Chance und Gefahr zugleich. «Wir sollten von China lernen und Interesse zeigen», findet Maçães. Marc Bürgi
Damian Müller war der jüngste Ständerat der jüngeren Geschichte, als er mit bloss 31 Jahren die Wahl in die kleine Kammer des Parlaments schaffte. Seitdem hat er sich als Gesundheits-, Umwelt- und Aussenpolitiker positioniert. Seit 2020 präsidiert er die Aussenpolitische Kommission des Ständerats. Dort hat er auch Hearings zur China-Politik der Eidgenossenschaft organisiert. Das Verhältnis Schweiz-China liegt ihm am Herzen.
Sein Werdegang ist klassisch schweizerisch: zuerst eine kaufmännische Lehre und dann ein eidgenössischer Fachausweis als Fachmann in Public Relations. Zunächst arbeitete er als Sales Manager eines Konzerns für Auslandmärkte, danach als Key Account Manager und Leiter Aussendienst der Detailhändlerin Valora. Bis April wirkte er als Spezialist Public Affairs bei der Versicherung Swiss Life.
Müller hat massgeblich das China-Paper der FDP Schweiz mitverfasst, das seit April 2021 publiziert ist. Er macht sich stark für enge diplomatische Beziehungen zu China, unabhängig vom Vorgehen der EU und der USA. Die Schweiz müsse «ihr politisches Ansehen in China in die Waagschale werfen» und «ihre Werte gegenüber Peking dezidiert und selbstbewusst vertreten». China solle Schweizer Firmen im selben Umfang Zugang zu China geben, wie es das Land im Gegenzug für chinesische Firmen in der Schweiz verlange. Schweizer Investitionskontrollen gegenüber ausländischen Investoren sollten nur als «Notfall-Mechanismus» konzipiert sein.
Damian Müller reitet gerne und engagiert sich im Schweizerischen Pferdesportverband als Vizepräsident. Er ist Mitglied des Executive Committee des Europa Forums. Andreas Valda
Was Wirtschaftsführer als eine Mission impossible sehen, ist für Barbara Schedler Fischer Alltag: Sie weist mit dem Finger auf die wunden Punkte, was Menschenrechte angeht. Ausländische Regierungsvertreter, darunter China, bekommen von ihr zu hören, dass es eine erhebliche Diskrepanz gebe zwischen Theorie und Praxis. Zum Beispiel, dass Minderheiten eines Landes wegen ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit weder eingesperrt noch in Arbeitslager geschickt, noch in sonst irgendeiner Form diskriminiert werden dürfen. «Menschenrechte sind universell und nicht eine Frage der Kultur oder Staatsordnung», sagt Schedler Fischer. Der sogenannte Menschenrechtsdialog sei ein diplomatisches Instrument neben anderen und dürfe kein Feigenblatt sein.
Aufgewachsen ist sie in einem Dorf in der Nähe von Winterthur. Sie studierte Sprachen und Geschichte an der Uni Zürich. Während des Studiums arbeitete sie bei einer Bank, später an der ETH Zürich im Rahmen der «Indo-Swiss Collaboration in Biotechnology». Danach ging sie in die Diplomatie. Um Menschenrechte kümmert sie sich seit drei Jahren und hat in dieser Funktion viel von sich reden gemacht.
Ihr hilft ein Team von 13 Personen, eine Person beschäftigt sich schwergewichtig mit China. In Verhandlungen bevorzugt sie Klarheit. «Mit dem Holzhammer geht es nicht», so Schedler. Diese Momente gelte es mit Diplomatie und Kreativität zu überwinden, etwa indem man gemeinsame Interessen auslotet und Projekte anbietet, zum Beispiel den Besuch chinesischer Expertinnen und Experten im hiesigen Strafvollzug.
Das Schweizer System sei ein guter Business Case, die direkte Demokratie und der Umgang mit Minderheiten und Andersdenkenden wecke international viel Interesse. Schedler Fischer hilft bei den Verhandlungen ihr Humor. Sie strahlt Energie und Optimismus aus und ist dennoch ausdauernd im Verhandeln. Im Herbst wechselt sie turnusgemäss zur Schweizer Botschaft in Wien. Andreas Valda
Executive Commitee, Europa Forum Luzern.
- Marcel Stalder, Präsident, Chain IQ
- Philipp Gmür, Vizepräsident, Helvetia
- Morten Hannesbo, Quästor, Dignitinis
- Elvira Bieri, SGS
- Julie Cantalou, glp Lab
- Andreas Gerber, Credit Suisse
- Hans Hess, ehem. Swissmem
- Daniel Keist, Metall Zug AG
- Michael Moersch, Ringier Axel Springer Schweiz
- Damian Müller, Ständerat
- Fabian Peter, Regierungsrat Luzern
- Cécile Rivière, foraus
- Jean-Philippe Rochat, Kellerhals Carrard
- Stefan Rösch-Rütsche, EY
- Bruno Staffelbach, Rektor Universität Luzern
- Fritz Studer, Luzerner Kantonalbank
- Sophie Weerts, Professorin Universität Lausanne
- Beat Züsli, Stadtpräsident Luzern