Ob mit spektakulären Bauwerken oder durch das Fördern von Handelsbeziehungen: Das Wirken dieser Impulsgeberinnen und Impulsgeber reicht weit über die Grenzen der Schweiz und Europa bis nach China.
Seit 2019 kürt das Europa Forum Luzern jedes Jahr herausragende Persönlichkeiten, deren Visionen etwas bewegen. Passend zum Jahresmotto «Im Banne Chinas» sind es heuer 25 Impulsgeberinnen und Impulsgeber, die im Spannungsfeld Schweiz, Europa und China Herausragendes leisten und Brücken bauen. Nachfolgend 5 Porträts aus dem Bereich Wirtschaft.
Jacques Herzog ist einer der international renommiertesten Architekten. 1978 gründete er mit Pierre de Meuron das gleichnamige Unternehmen in Basel, nachdem beide zusammen an der ETH Zürich Architektur studiert hatten. Ab Mitte der 1980er Jahre folgten erste beachtete Projekte in der Schweiz und Deutschland. Dabei machte das Architekturbüro Herzog & de Meuron insbesondere durch Museums- und Sammlungsbauten auf sich aufmerksam. Erste internationale Anerkennung erfuhren die Architekten Mitte der 1990er mit einem Erweiterungsbau der Tate Gallery of Modern Art in London.
Als ersten Grossauftrag in China erhielt das Büro den Auftrag zum Bau des Nationalstadions – dem sogenannten Bird’s Nest – für die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking. Für Herzog & de Meuron war das Projekt besonders wichtig: Das Stadion zieht heute Besucher aus aller Welt an und ist zum Wahrzeichen für Peking und ganz China geworden. Seither entwarfen und realisierten Herzog & de Meuron mehr als ein Dutzend weitere Bauprojekte in mehreren chinesischen Städten sowie in Hongkong. Darunter sind viele Museen wie das National Art Museum of China in Peking.
Jüngstes Bauwerk ist das M+ in Hongkong: Ende 2020 wurde es fertiggestellt und noch in diesem Jahr soll das Museum der Superlative eröffnet werden. Das 18 Stockwerke hohe Gebäude beherbergt nicht nur 16 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche für asiatische Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, sondern auch ein Lagerhaus und Verwaltungsflächen. An der Aussenfassade wird ein 100 Meter breiter und 65 Meter hoher LED-Display künftig Kunst in die 7,5-Millionen-Einwohner-Metropole projizieren. Eröffnet werden soll das Museum vom chinesischen Künstler Ai Weiwei – mit dem das Basler Architekten-Duo in der Vergangenheit bereits mehrfach zusammenarbeitete. Auch die Sammlung des Schweizer Kunstsammlers Uli Sigg soll im M+ ausgestellt werden. Sie gilt als eine der weltweit grössten Sammlungen chinesischer Kunst. Unter den rund 1500 Werken sind auch 26 Werke des regierungskritischen Künstlers – das neue Hongkonger Museum steht daher unter besonderer Beobachtung aus Peking.
Das Reich der Mitte interessiert Jacques Herzog vor allem wegen seiner jahrtausendealten Geschichte sowie der kulturellen Tradition und dramatischen politischen Umwälzungen – insbesondere im 20. Jahrhundert. Der ökonomische und politische Aufstieg Chinas schlägt sich auch in der städtebaulichen Entwicklung nieder, die den Architekten seit seiner ersten China-Reise im Jahr 2002 fasziniert – damals, so Herzog, sei die Mao-Zeit mit ihrer neosowjetischen Baukultur noch allgegenwärtig gewesen. Melanie Loos
Welche Bedeutung hat China für Sie persönlich?
Als ich China 2002 erstmals bereiste, war die Mao-Zeit mit ihrer neosowjetischen Baukultur noch allgegenwärtig. Die urbane Umwälzung in dieser kurzen Zeitspanne ist fast nicht zu fassen.
Was reizt Sie als europäischen Architekten an China?
Das Land ist spannend – vor allem wegen der Aufbruchstimmung der vergangenen zwanzig Jahre und der Bereitschaft, Neues zu wagen.
Kann Architektur Kulturen verbinden?
Architektur ist zentral für unser Leben. Sie soll unseren Alltag praktischer und schöner machen. Überall. In jeder Epoche, früher und heute.
Es gibt keine Schweizer Unternehmerin, die mehr auf die Farbe Kommunisten-Rot setzt wie Magdalena Martullo-Blocher. Sie hat in ihrer Ems-Chemie-Regentenzeit ihren Einsatz in China glatt verdreifacht. Längst ist das Land (hinter Deutschland) ihr zweitwichtigstes Absatzgebiet. Weit vor den USA. Und: Ems zählt im östlichen Riesenreich mittlerweile zehn Standorte, Forschungslabors, Produktionsstätten, Verkaufsbüros.
Wie konnte es so weit kommen? Ein klassischer Fall von First-Mover-Vorteil. Bereits ihr Vater, Christoph Blocher, liebte diesen Markt. Mit rustikalem Charme und untrüglichem Riecher fürs Geschäft reiste er bereits vor 35 Jahren durchs Land und baute Fabriken zur Herstellung von Synthesefasern, die wiederum in Günstighosen und -hemden ihre Endverwendung fanden. Martullo-Blocher setzt derweilen auf Autoindustrie und Handyproduktion, wo Hochleistungspolymer- und Spezialchemie gefragt sind.
Martullo-Blocher kennt das Land bestens und sie hat von dem zuhauf, was man in China «Guanxi» nennt. Nur so ist zu erklären, dass die SVP-Polit-Unternehmerin letztes Jahr im Nationalrat als eine der Ersten mit einer Schutzmaske made in China auftauchte, zu einem Zeitpunkt notabene, als das BAG noch immer glaubte, diese böten keinen Schutz vor dem Virus. Schliesslich wurde die Maskenträgerin auf Geheiss von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret und der Verwaltungsdelegation aus dem Rat gewiesen. Weil das Maskentragen im Rat erst dann zugelassen sei, wenn sich eine Person krank fühle. Ein grotesker Entscheid. Und als die Bundesbehörden den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen, orderte sie 600 000 Schutzmasken in China, die sie Coiffeusen und Coiffeuren für 90 Rappen je Stück abgab. Stefan Barmettler
Als Jörg Wuttke Anfang der 1980er Jahre für einen Sprachkurs nach China ging, wurde er noch belächelt. Der junge Betriebswirtschafter hatte das Ziel, später dort Manager zu werden. «Das wurde nicht verstanden. Als ich mich um ein Stipendium bemühte, erhielt ich als einziger der Bewerber keine finanzielle Unterstützung. ‹Was willst du denen denn verkaufen›, hiess es damals», erzählt Wuttke. Er ging dennoch, wurde Manager – und ist es vierzig Jahre später immer noch. Seit 1997 leitet er die Niederlassung des Chemiekonzerns BASF. Daneben präsidiert er die Europäische Handelskammer. Noch etwa drei Jahre will der 63-Jährige bleiben. Seine Zukunft sieht der Deutsche aber in Europa. Dort will er sein Wissen über China weitergeben.
Wuttke hat den Aufstieg Chinas miterlebt. «Ich habe die Globalisierung am eigenen Körper erfahren.» Aus dem armen, schwer zugänglichen Land ist eine Supermacht geworden, welche die USA und Europa immer stärker als Rivalen betrachten. Die Entwicklung bereitet China-Kenner Wuttke Sorgen. Er sieht Unverständnis auf beiden Seiten. «Chinas Regierung wird immer nationalistischer. Und im Westen wächst die Ablehnung und das Unverständnis gegenüber dem Land.» Er empfiehlt Europa, von China zu lernen. «Wir können China nicht verändern, sondern müssen bei uns selber ansetzen», glaubt Wuttke. Der Manager hat von seinem Gastland viel gelernt, nicht nur die Sprache, die er fliessend spricht. «Ich habe in China ein anderes Gefühl für Möglichkeiten bekommen. China hat mein Denken geprägt.» Marc Bürgi
Beilun Wei ist seit dem 1. Februar 2017 Geschäftsführerin der Wirtschaftskammer Schweiz-China (Swiss-Chinese Chamber of Commerce, SCCC). Sie hat einen Master-Abschluss in Economics der Universität Zürich und ist Expertin in Business Development und General Management. Zurzeit absolviert Beilun Wei einen Executive MBA an der Insead. Aufgewachsen in China, sammelte sie in China und in der Schweiz mehrere Jahre berufliche Erfahrung, bevor sie ihre Funktion bei der Kammer antrat. Sie spricht Deutsch, Chinesisch, Englisch und Französisch.
Als Geschäftsführerin der SCCC sieht sie künftige Herausforderungen in der Positionierung der Kammer im heutigen dynamischen Umfeld. Dabei gilt es, sich an den wirtschaftlichen Trends und Marktentwicklungen zu orientieren, um die Handels- und Geschäftsbeziehungen zwischen schweizerischen und chinesischen Unternehmen zu stärken und weiterzuentwickeln. Die SCCC ist eine Plattform und Anlaufstelle für Unternehmen aus China und der Schweiz. Ihr Ziel ist es, nachhaltige wirtschaftliche Kontakte und Geschäftsbeziehungen zu fördern. Die Bedeutung dieser Beziehungen ist in den letzten vierzig Jahren stetig gewachsen: China ist heute die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt und der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz. In der Schweiz haben die Aktivitäten chinesischer Unternehmen deutlich zugenommen, genauso wie sich auch Schweizer Firmen immer stärker für den chinesischen Markt interessieren.
Die SCCC wurde 1980 von einer Gruppe visionärer Unternehmer unter der Führung von Uli Sigg, ehemaliger Schweizer Botschafter in China, gegründet. Felix Sutter, Partner bei Amrop Hofer Tan, präsidiert die Kammer. Eckhard Baschek
Die Lieblingspflanze von Adrian T. Keller ist die Fächerpalme. Sie grünt das ganze Jahr, ist edel und robust. Genau wie jene Firma, die sich eine Fächerpalme, Livistona chinensis, als Logo nahm: die Diethelm Keller Holding, kurz DKH. Und für die Keller steht, seit über dreissig Jahren.
Die Diethelm Keller Holding ist eine grosse Schweizer Beteiligungsfirma mit einem buntscheckigen Portfolio; da stecken eine Reinigungsfirma drin (Wetrok), Haushaltsgeräte (Zyliss, Turmix), Touristik (Explorer Fernreisen), Outdoor-Designermöbel (Dedon), eine verschwiegene Privatbank (Bergos). Dominante Grossaktionäre all dieser Aktivitäten und verbunden über einen Familienpool sind die Cousins Adrian T. Keller und Andreas Keller.
Ihr stolzes Flaggschiff aber ist das Handelshaus DKSH, was wiederum für Diethelm, Keller, Siber, Hegner steht. Ein Fusionsprodukt, das seit 160 Jahren im Handel zwischen West und Ost eine Schlüsselrolle spielt. Nicht nur bei der Muttergesellschaft DKH ist Adrian T. Keller präsent, auch bei DKSH spielt er eine zentrale Rolle. Er präsidierte fast zwei Jahrzehnte lang den Verwaltungsrat, ist dessen Ehrenpräsident und derzeit VR-Mitglied mit Einsitz im Nominations- und im Kompensationsausschuss.
Adrian T. Keller ist seit vielen Jahren mit der auf Asien ausgerichteten Gruppe aufs Engste verbunden, schliesslich investiert die Zürcher Familie mit Hunderten Millionen Franken. Die «Bilanz» schätzt das Vermögen des traditionsreichen Clans auf 2 bis 2,5 Milliarden. Keller, ein HSG-Ökonom, ist allerdings biografisch mehr dem Banking zugetan. Er arbeitete beim Wertschriftenhandelshaus Hoguet, Keller, Wittmann & Co. in New York und ist Verwaltungsrat bei der Bergos Bank. Aber nicht nur das Kommerzielle liegt Keller am Herzen; wie es sich für altes Geld gehört, ist er auch pro bono unterwegs, etwa bei der Tonhalle-Gesellschaft in Zürich, bei der American Swiss Foundation und beim Think-Tank Asia Society, deren Schweizer Ableger er präsidiert. Da verbindet Adrian T. Keller Geld und Geist: 75 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet das Prunkstück DKSH im Handel mit Thailand, China, Singapur und Malaysia. Besonders mit China ist die Firma eng verbunden: Seit 1902 ist das Schweizer Handelshaus am Bund in Schanghai präsent. Stefan Barmettler
Executive Commitee, Europa Forum Luzern.
- Marcel Stalder, Präsident, Chain IQ
- Philipp Gmür, Vizepräsident, Helvetia
- Morten Hannesbo, Quästor, Dignitinis
- Elvira Bieri, SGS
- Julie Cantalou, glp Lab
- Andreas Gerber, Credit Suisse
- Hans Hess, ehem. Swissmem
- Daniel Keist, Metall Zug AG
- Michael Moersch, Ringier Axel Springer Schweiz
- Damian Müller, Ständerat
- Fabian Peter, Regierungsrat Luzern
- Cécile Rivière, foraus
- Jean-Philippe Rochat, Kellerhals Carrard
- Stefan Rösch-Rütsche, EY
- Bruno Staffelbach, Rektor Universität Luzern
- Fritz Studer, Luzerner Kantonalbank
- Sophie Weerts, Professorin Universität Lausanne
- Beat Züsli, Stadtpräsident Luzern