Schweizer KMU setzen künstliche Intelligenz aktuell noch verhalten ein, wie eine aktuelle Umfrage von Swiss Export, Kearney und der Raiffeisen-Bank ergab. Befragt wurden mehr als 600 Unternehmen in der Schweiz. Während neun Prozent angaben, KI systematisch zu nutzen, sind für 37 Prozent solche technologischen Möglichkeiten noch gar nicht relevant. Immerhin 54 Prozent setzen Pilotprojekte um. Als primäre Einsatzbereiche werden mehrheitlich die Bereiche IT, Marketing und Vertrieb sowie Kundenservice angegeben. 

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«Wir sehen, dass das Tempo der Einführung von KI stark variiert nach Branche und Unternehmensgrösse. Technologienahe und grössere Unternehmen nehmen tendenziell eine Vorreiterrolle ein», sagt Studienautor Fabian Siegrist. Viele KMU erwarten gemäss der Umfrage, insbesondere im Kundenservice, aber auch in anderen Bereichen, spürbare Auswirkungen durch den Einsatz von KI. Weniger als ein Viertel der Befragten rechnet in diesem Zusammenhang mit einem Stellenabbau. «Das weist darauf hin, dass die Unternehmen KI eher als unterstützendes Werkzeug betrachten, weniger als Ersatz für personelle Ressourcen», so Siegrist.

 

Unklarer Nutzen

Eine Ende Juli von der ETH Zürich zusammen mit dem Branchenverband Swissmem vorgenommene Umfrage unter Firmen aus der verarbeitenden Industrie gelangte zu einem ähnlich gemischten Ergebnis: Hier planen und testen 22 Prozent der Unternehmen den Einsatz von KI. 51 Prozent hat die Nutzung noch gar nicht in Erwägung gezogen und 19 Prozent sehen sie als nicht passend an. «Grundsätzlich haben die meisten KMU schon lange KI im Einsatz, sei es in Form einer Internetsuchmaschine, von Sprachübersetzung oder integriert in vereinzelte Branchenlösungen, wie beispielsweise in der Vorhersage von Produktionsausfällen», sagt Benjamin Freisberg, Co-Gründer von Vertical Data und Data Scientist und Experte für KI beim Portal Kmu.ai. «Zudem stellen wir fest, dass viele KMU Chat GPT oder ähnliche Lösungen ausprobiert haben.» Neben einigen Mitarbeitenden, die das Tool regelmässig verwenden, sei die Nutzung gemäss den eigenen Umfragen bei vielen jedoch eher gering. Das Potenzial scheint riesig, häufig ist aber nicht klar, wie mit der Technologie in alltäglichen Prozessen Mehrwert generiert werden kann. 

 

Chat GPT steigert Effizienz

«Ich sehe das Potenzial von Chat GPT und weiteren vergleichbaren Anwendungen im Automatisieren von textbasierten Prozessen, wie beispielsweise dem Erfassen von Daten in Softwaretools», so Freisberg. Häufig sind diese Prozesse in der Administration anzutreffen. Daneben kann die Kombination von Chat GPT mit einer intelligenten Suche in firmeninternen Dokumenten als Wissensmanagement-Tool eingesetzt werden. Chat GPT unterstützt zudem bei Aufgaben wie E-Mail-Schreiben, Textübersetzung oder wenn es darum geht, eigene Ideen und Strategien zu hinterfragen. «Schwächen hat die Technologie zum Beispiel bei Anwendungsfällen, bei denen das Resultat hundertprozentig stimmen muss und keine Fehlertoleranz zulässig ist», so Freisberg weiter. «Ich denke hier beispielsweise an das Erstellen einer Unternehmensbilanz.» 

Grosse Sprachmodelle beziehungsweise die Technologie, die hinter Chat GPT steckt, sind ein Gamechanger für das Optimieren von textbasierten Prozessen. «Damit sind tatsächlich massive Effizienzsteigerungen möglich bei vergleichsweise niedrigen Kosten», beobachtet Freisberg. «Dies setzt allerdings einen gezielten, messbaren Einsatz der Technologie voraus. Ob jetzt jedoch in einem KMU jede Person die Bezahlversion von einem Gen-AI-Tool benötigt, nur weil dieses Tool gerade der letzte Schrei zu sein scheint, würde ich zuerst mit dem Team und allenfalls mit Experten evaluieren.» 

 

Mehr Zeit für die Weiterentwicklung

Bei der Auswahl der Lieferanten sind Datenschutz und Kundennähe laut Freisberg wichtige Kriterien. «Wenn Standardtools bereits Mehrwert bieten und der Datenschutz unwichtig ist, hat man fast freie Wahl», sagt der Experte. «Wenn die Technologie  jedoch gezielt in Prozesse integriert werden soll und allenfalls die Daten in der Schweiz bleiben müssen, rate ich zu einer Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner, der bereits Referenzen in diesem Gebiet aufzeigen kann und der den Fokus weniger auf die Technologie, sondern mehr auf die Geschäftsprozesse und den Nutzen legt.» 

Seit der Lancierung von Chat GPT tauchen überall neue KI-Experten auf, die Auswahl der «richtigen» Beratenden ist somit ein weiterer wichtiger Punkt. «Ich würde mich eher von Personen und Firmen beraten lassen, die sich bereits vor der Lancierung von Chat GPT intensiv mit künstlicher Intelligenz auseinandergesetzt haben», rät Freisberg. «Diese Leute können genau einschätzen, was sich nun verändert hat, was neuerdings funktioniert und was nicht funktioniert.» 

Freisberg erwartet, dass in Zukunft alle repetitiven, monotonen Tätigkeiten von KI ausgeführt werden. «Das sind Tätigkeiten, die frustrierend und langweilig sind», so der Experte. «Die Mitarbeitenden werden somit wieder mehr Zeit für wesentliche, wertschöpfende Tätigkeiten haben und sich vermehrt um Kolleginnen, Kunden oder die Weiterentwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen kümmern können.»