Ein cooles Video auf Tiktok platzieren, noch ein schneller Post auf Insta, den Chatbot im After Sales neu trainieren und – ach ja! – im Metaverse flott einen Prototyp starten. Hat jemand im Team dieses «Be Real» verstanden?
So ähnlich hört sich die Liste der To-dos vieler Führungskräfte und ihrer Teams im Kundenkontakt wahrscheinlich an. Dass es dabei auf Kunden- und Mitarbeitendenseite immer wieder zu Verwirrung und Frustrationen kommt, dürfte kaum verwundern.
Zudem stehen Unternehmen unter dem Druck der «Last Best Customer Experience»: Für die meisten Kundinnen und Kunden wird die letzte beste Erfahrung, die sie mit einer Dienstleistung oder einem Produkt gemacht haben, zur Mindesterwartung für die Erfahrung, die sie auch von jedem anderen Anbieter erwarten. Damit stehen Unternehmen dann auf einmal in einem direkten Wahrnehmungswettbewerb mit Firmen wie Amazon (für das Liefererlebnis), Apple (für das Produkterlebnis), Starbucks (für das Serviceerlebnis) oder auch Ritz-Carlton (für das Kundenerlebnis).
Die Autoren
Prof. Dr. Marcus Schögel, Titularprofessor, akademischer Direktor, englischer Master in Marketing Management, Leiter Kompetenzzentrum Customer Centricity am SGI-HSG, Singapur
Prof. Dr. Dennis Herhausen, Assistenzprofessor für Marketing, Institut für Marketing; beide Universität St. Gallen.
Der einschlägige Rat für diese Herausforderung von vielen Managementberatungen und Experten lautet: «Kümmert euch um die Customer Experience entlang der Customer Journey eurer Kundinnen und Kunden und stimmt die Touchpoints so aufeinander ab, dass ein ganzheitliches Kundenerlebnis entsteht!» Ob das in der heutigen Komplexität der Märkte, Technologien und des intensiven Wettbewerbs noch realistisch ist, sollte zumindest kritisch hinterfragt werden. Ein Projektpartner nannte diese Empfehlung einmal «Boiling the Ocean». Und wir können es bestätigen: Komplexität ist der Freund der Verwirrung und der Feind der Kundenzufriedenheit!
St. Gallen Customer Experience Navigator
Am Institut für Marketing und Customer Insight der Universität St. Gallen (IMC-HSG) haben wir uns vor einiger Zeit daran gemacht, einen praxisorientierten Leitfaden für diese Herausforderungen zu entwickeln – den St. Gallen Customer Experience Navigator. Er ist die Quintessenz aus zwanzig Jahren Arbeit mit Unternehmen, Forscherinnen und Forschern sowie Praktikerinnen und Praktikern, die sich mit dem Verständnis, der Unterstützung und der Gestaltung der Customer Journey beschäftigen.
Komplexität ist der Freund der Verwirrung und der Feind der Kundenzufriedenheit.
Was zunächst mit der Neugier danach begann, Kundenprozesse ganzheitlich zu verstehen, entwickelte sich über die Jahre zu einer integrierten Sichtweise auf das Thema Customer Experience. In verschiedensten Unternehmensprojekten entwickelten wir Zugänge, um innovative Ansätze für Kundeninteraktionen, den Einsatz neuer Medien in Markenstrategien oder Omnichannel-Strategien integriert und zugleich umsetzungsorientiert zu realisieren. Im Kern setzt sich der St. Gallen Customer Experience Navigator aus neun Schritten zusammen, die zu drei zentralen Phasen zusammengefasst sind (siehe Box Seite 22).
Der St. Gallen Customer Experience Navigator basiert auf einem iterativen Prozess zur Gestaltung von erfolgreichen Kundeninteraktionen. Jeder der Bausteine im Navigator dient dazu, das eigene Unternehmen einen massgeblichen Schritt in Richtung erfolgreiche Kundenerfahrung zu entwickeln. Da sich diese Interaktionen zwischen der Kundschaft und dem Unternehmen dynamisch entwickeln, muss auch das Management dieser Interaktionen dynamisch sein. Die Reihenfolge der Phasen, Schritte und Methoden ist daher nicht linear. So können die Schritte flexibel kombiniert werden, um sich der Situation des Unternehmens und den Unternehmenszielen anzupassen.
Der Gesamtansatz des Navigators kann im gleichnamigen Managementratgeber vertieft werden. Es erscheint in diesen Tagen und ist bald im Buchhandel und online erhältlich.
Für Interessierte, die das Thema gezielt durchdringen wollen, bietet das IMC-HSG die digitale Customer Experience Masterclass an.
Der St. Gallen Customer Experience Navigator
«Collecting the Dots» legt die Basis für den Aufbau eines überlegenen Kundenverständnisses im Unternehmen. Personas bilden, wenn fundiert abgeleitet, eine solide Grundlage für den Einstieg in das Customer Experience (CX) Management. Richtig angewendet, reduzieren sie die Komplexität eines hochdiversen Kundenportfolios; mit den Mitteln der Segmentierung liefern sie zentrale Erkenntnisse, aktuelle und potenzielle Touchpoints zu identifizieren. Mit einem Portfolio an Touchpoints wird eine erste Ordnung in die Vielfalt der Kontaktmöglichkeiten gebracht, um darauf aufbauend die Such-, Kauf- und Nutzungsprozesse der Kunden und Kundinnen zu erkennen.
«Connecting the Dots» setzt die konzeptionelle Klammer für das CX-Management (CX: Customer Experience) und bereitet eine fokussierte Umsetzung von konkreten Massnahmen im operativen Touchpoint-Management vor. Indem die verschiedenen Kontaktpunkte intelligent miteinander verbunden werden, gelingt es, akzentuiert auf zentrale Knotenpunkte in den Customer Journeys einzugehen. Hier gilt es, auf relevante (aus Kundensicht) und wichtige (aus Unternehmenssicht) Interaktionen zu fokussieren und die internen Anstrengungen auf jene Touchpoints zu richten, die «Moments of Truth» für die Kunden darstellen oder aus unternehmerischer Notwendigkeit als «Interaction Hubs» dienen sollen.
«Correcting the Dots» reicht von Massnahmen zur Verbesserung der Interaktionen mit den Kundinnen und Kunden über Innovationen in den Interaktionen bis hin zur nachhaltigen Verankerung des Customer Experience Managements im Unternehmen über ein wirkungsvolles «Operating Model». Von zentraler Bedeutung ist dabei vor allem die Klärung des eigenen Anspruchsniveaus für das CX-Management. Ziele, Wirkung und Verantwortlichkeiten gilt es explizit zu formulieren.