Begriffe wie Blockchain, Web3, NFT und Metaverse waren bis vor kurzem in aller Munde. Heute ist das Interesse daran auf dem Tiefpunkt, das Metaverse ein leeres Schlagwort. Die Nachfrage nach NFT ist rekordtief. Gleichzeitig haben in den letzten zwei Jahren mehr als 40 Prozent der «Interbrand Best Global Brands» mit NFT-Anwendungen experimentiert, Patente beantragt und Applikationen gebaut. Darunter sind Nike, Gucci, Coca-Cola, Disney, Meta und andere grosse Namen. Steckt also tatsächlich etwas dahinter? Oder war das alles nur ein Hype?

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Der Autor

Marc Baumann arbeitet seit sechs Jahren professionell im Web3-Bereich.

Blockchain als Ausgangspunkt

Um Web3 zu verstehen, muss man bei Blockchains anfangen. Die Kryptowährung Bitcoin war die erste Anwendung einer Blockchain, einem dezentralen Netzwerk von Computern, das einen gemeinsamen Datensatz verwaltet. Dezentralisiert bedeutet, dass alle Daten auf jedem Server des Netzwerkes abgespeichert sind und deshalb als gesichert gelten. Im Fall von Bitcoin einigt sich das Netzwerk auf die Speicherung numerischer Werte, also darauf, wie viele Bitcoins die Netzwerkteilnehmer in ihren Konten halten, vergleichbar mit einer Bank, welche die Kontostände ihrer Kunden verwaltet – nur ohne Bank.

Bisher wurde jede geteilte Datei tatsächlich dupliziert, zum Beispiel das Verschicken eines Bildes per E-Mail. Es war unmöglich, ein JPEG von einer Kopie davon auseinanderzuhalten. Mit der Blockchain können Dateien nun ohne zentrale Plattform von Besitzer zu Besitzer übertragen werden, ohne dabei dupliziert zu werden. Im Falle unseres JPEG gibt es also ein Original. Und jemand kann das besitzen. Solche Dateien nennt man NFT.

Ähnlich wie das Internet die digitale Kommunikation revolutioniert hat, verändert die Blockchain, wie wir digitale Güter austauschen und organisieren. Das Metaverse ist eine Zukunftsvision von virtuellen, immersiven Erlebnissen, die zwar auf der Blockchain aufbauen können, dies aber nicht zwingend müssen.

 

Community-Led Brands

Bisher haben Marken ihre Produkte (und im besten Fall eine Markenkultur) von oben nach unten geschaffen und diese transaktional verbreitet. Soziale Medien haben dies umgekehrt. Sie erlaubten es Marken, sich viel direkter mit ihren Kundinnen und Kunden auszutauschen und diese grossflächig in den Wertschöpfungsprozess einzubinden. Es entstanden Marken, die aktiv von ihren Kunden geformt wurden.

Web3-Technologie, und im konkreten Fall NFT, verleihen diesem Konzept eine neue Sprengkraft. Warum? Nochmals: NFT ermöglichen digitalen Besitz. Das heisst, dass auf der Blockchain nachgewiesen werden kann, welcher Nutzer die Verfügungsmacht über eine Datei hat, wer also das Original besitzt. Web3-Befürworter sprechen von einer neuen Ära des digitalen Eigentums, das von Marken und Communities gemeinsam kreiert wird. Das trifft den Zeitgeist der neuen Generation: die Suche nach authentischem Selbstausdruck durch Kultur, Gemeinschaft und gemeinsamen Werten. Das macht das Web3 für Marken so mächtig.

Es entstehen laufend neue Anwendungsfälle. Marken beginnen zum Beispiel, Inhalte, Produkte oder Erlebnisse zu schaffen, die nur für bestimmte NFT–Besitzerinnen zugänglich sind (zum Beispiel IWC, Lacoste). Luxusmarken starten damit, ihre physischen Produkte als NFT auf der Blockchain abzubilden. Dies schafft eine Echtheitsgarantie, um Fälschungen zu verhindern und nachweisbare Knappheit zu schaffen (beispielsweise Dior, Alo Yoga, Breitling, Vacheron Constantin). Andere verkaufen limitierte, digitale Kollektionen (zum Beispiel Gucci, Porsche, Coca-Cola, Hublot und so weiter). Und einige starten Blockchain-basierte Treueprogramme (beispielsweise Starbucks Odyssey, Lufthansa). Am häufigsten verwenden Marken eine Kombination dieser Anwendungsfälle.

Luxusmarken bilden ihre physischen Produkte auf der Blockchain ab.

 

Branding mit Web3-Technologie ist transparent, partizipativ und Community-gesteuert. Kundeninnen können nun nicht nur das Produkt, sondern auch einen Teil der Marke, der Geschichte und der Kultur besitzen, die sie mitgestalten. Für Marken, die diese neue digitale Ära ernst nehmen, bedeutet das einen grundlegenden Wandel ihrer Marketing-Wertschöpfungsketten: von transaktional hin zu beziehungsorientiert – von rein sozial zu sozioökonomisch. Es öffnen sich neue Wege für Zusammenarbeit und Kommunikation. Deshalb ist eine Web3-Strategie sowohl eine Marketing- als auch eine Kundenstrategie und fest im Marketingmix verankert.

 

Fokus auf Kundennutzen

Doch weder Nike noch eine andere Verbrauchermarke hat bis jetzt den Schlüssel für wertschöpfende Mainstream-Anwendungen gefunden. Wichtiger noch: Marken werden unweigerlich mit einem Machtverlust konfrontiert, eventuell sogar mit einer vollständigen Umgestaltung ihrer Wertschöpfungsmodelle und Marketingaktivitäten. Im Gegenzug gewinnen Kunden und Communities an Teilhabe und Einfluss.

Sind Marken dafür bereit? Sind Kunden dafür bereit? Das wird sich zeigen. Eines ist jedoch klar: Nur ein unermüdlicher Fokus auf den Kundennutzen, anstelle der Technologie, wird zu massentauglichen Anwendungen führen. Das Potenzial ist riesig.