Netflix und Zalando, die Marke On, SAP und Rivella haben es getan. Sie haben Co-CEOs an die Spitze gestellt. In Konzernen und KMU, in Agenturen, Startups und Scale-ups sowieso schon seit langem, gewinnt das Modell an Bedeutung. Auch wenn es nicht für alle Organisationen geeignet sein mag und von einigen Herausforderungen und noch viel mehr Skepsis begleitet wird, hat sich gezeigt, dass es leistungsfähig sein kann. In erster Linie, weil die komplementären Skills zweier (oder mehr) Führungspersönlichkeiten integriert werden und so den aktuellen Managementherausforderungen besser begegnet werden kann. Mit positiven Ergebnissen: Eine Studie von Feigen Advisors im Jahr 2022 hat gezeigt, dass von Co-CEOs geführte Unternehmen durchschnittlich eine höhere Rendite für ihre Aktionäre und Aktionärinnen erzielen als solche mit nur einem CEO.

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Die Autorin

Hannah Leimert, Managing Director des «Center for Inovation» an der Universität St. Gallen (CFI-HSG)

Wie steht es aber um andere C-Level-Positionen? Vor allem im Marketing scheinen die Entwicklungen in Richtung Doppelspitze nur zögerlich voranzugehen. Dabei könnte die geteilte Verantwortung vor dem Hintergrund der Veränderungen Vorteile bieten. Dazu gehört nicht nur eine Vielzahl fragmentierter Touchpoints, Technologien und Trends, sondern auch die veränderte Kunden-Marken-Beziehung. Kunden gestalten Markenbotschaften mit, interagieren mit Unternehmen und haben einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg – und auch den Misserfolg – von Marken. Auf der anderen Seite sind in einer zunehmend virtualisierten Welt Markenerlebnisse im echten Leben relevanter denn je.

 

Mehr Aufgaben, mehr Erwartungen

In diesem Umfeld reichen herausragende Kreativität und Kompetenzen in Kampagnenführung, Leadgenerierung und Branding nicht mehr aus. Um in diesem vielseitigen Umfeld erfolgreich zu sein, braucht es neue, teils miteinander konkurrierende Kompetenzfelder und Führungsansätze. CMOs müssen nicht nur ein breites Skill-Set mitbringen, sondern auch messbare Ergebnisse liefern. Es braucht Kreativität und datenbasierte Analytik, sensorische und mediale Skills. Sind Themen wie Branding und Digitalstrategie, Customer Experience und Engagement sowie die Frage nach dem Purpose und neuen Geschäftsfeldern erst einmal bearbeitet, folgen neue Bereiche wie AI, Web3 und die nächste trendsetzende Plattform. 

 

Doppelte Skills, doppeltes Netzwerk

Diese vielfältigen Erwartungen an heutige CMOs sind per se gut, aber oft kaum zu erfüllen. Das führt – neben anderen Faktoren wie unklaren Abgrenzungen der Rolle, Mismatch zwischen Erwartungen und Befugnissen, fehlendem Vertrauen – dazu, dass Amtszeiten sinken, CMOs in Unternehmen um ihre Bedeutung kämpfen oder Positionen gleich ganz gestrichen werden.

Angesichts des breiten Gestaltungspotenzials des Marketings und der vielfältigen Herausforderungen stellt sich nicht nur die Frage, wie sich die Rolle des CMO weiterentwickeln lässt, sondern auch, ob eine geteilte Verantwortung den Herausforderungen nicht mehr gerecht wird als das traditionelle Modell. Die Einführung einer Doppelspitze bietet bessere Vereinbarkeit von Führungsjob und Familie, gibt Antwort auf ein neues Verständnis von Arbeit. Die gemeinsame Leitung der Marketingfunktionen ermöglicht es, verschiedene Kompetenzen und das breite Spektrum notwendiger Fähigkeiten zu integrieren. Dazu kommen ein doppeltes Netzwerk und doppelte Erfahrungen. Und Entscheidungen können gründlicher abgewogen werden. Das Ziel: eine umfassendere, innovativere und effektivere Marketingstrategie.

Rivella macht es in der Schweiz vor. Sara Jermann und Angelika Leemann haben gemeinsam die Marketingleitung übernommen. Angelika Leemann sagte dazu im Podcast «Dirty Deeds Done Well»:«Sara ist die Schnittstelle für Internes, für Innovationen, für Sales – für alles, was wirklich die Produkte, Positionierung et cetera betrifft –, während ich die nach aussen gerichteten Kommunikations-, Digitalthemen sowie auch Eventmanagement unter mir habe.» 

Damit eine Doppelspitze gelingt, braucht es Charaktere, die keine Egotrips durchziehen, sondern als Einheit auftreten und Kompromissbereitschaft an den Tag legen, die gemeinsame Werte teilen und sich gegenseitig vertrauen, die über komplementäre Skills verfügen und entsprechende Prozesse und Routinen für die Zusammenarbeit schaffen. Darüber hinaus ist es essenziell, dass Co-CMOs – wie alle Mitglieder der Organisation – das gleiche glasklare Verständnis von Markenidentität und von der Vision für die Marke haben. Ohne diese fehlt es jedem Unternehmen an Orientierung, selbst wenn zwei Menschen an seiner Spitze stehen.