Alexandra Bertschi ist Leiterin der KMU-Nachfolgeplanung bei der Credit Suisse. Die HSG-Absolventin weiss, wann der Prozess der Nachfolgesuche spätestens gestartet werden muss und was die gängigsten Stolpersteine beim Suchen eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin sind.

Im Gespräch mit der «Handelszeitung» erklärt sie, warum sie ihren Kunden einen «klaren Schnitt» empfiehlt – und berichtet auch von dem Leben danach. Ein ehemaliger Kunde ist nach erfolgreicher Übergabe ins Immobilienbusiness eingestiegen. Eine Kundin hat sich in die Karibik abgesetzt. «Ein weiterer züchtet Rosen».

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«Handelszeitung»: Wenn Firmen verkauft werden, werden auch Lebenswerke weitergegeben. Welche Herausforderungen ergeben sich dabei auf nicht finanziellen Ebenen?

Die Herausforderungen im nicht finanziellen Bereich sind sehr vielschichtig. Einerseits ist da die ganze Organisationsstruktur einer Firma, welche gerade im KMU-Bereich oft sehr stark auf den abtretenden Inhaber ausgerichtet ist. Man muss sich die Frage stellen: Wer trifft in Zukunft wichtige Geschäftsentscheide? Muss man eventuell eine Geschäftsleitung etablieren? Wer pflegt die Beziehungen zu Schlüsselkunden und Lieferanten? Neben der organisatorischen Ebene gibt es noch die kommunikative Ebene, wo man sich auch fragen muss, wie und wann eine Nachfolge der Belegschaft kommuniziert wird, ohne dass Gerüchte entstehen.

«Der Prozess sollte spätestens fünf, eher aber zehn Jahre vor der geplanten Übergabe angestossen werden.»

Und dann, ganz wichtig, gibt es noch die persönliche Ebene der abtretenden Unternehmerin beziehungsweise des abtretenden Unternehmers. Es wird eben viel mehr weitergegeben als eine Firma: ein Lebenswerk, häufig auch ein Baby. Und das ist mit sehr unterschiedlichen Emotionen verbunden. Dieser emotionale Teil einer Nachfolge wird häufig vernachlässigt, sollte jedoch im Nachfolgeprozess bereits frühzeitig adressiert werden. Das sind zentrale Fragen, die von eher «technisch» orientierten Beratern und Beraterinnen oft nicht angesprochen werden – was ein Fehler ist, denn aus meiner Erfahrung steht und fällt eine erfolgreiche Nachfolge oft mit den Emotionen.

Die KMU-Expertin

Name: Alexandra Bertschi

Funktion: Leiterin KMU-Nachfolgeplanung, Credit Suisse (Schweiz) AG

Alter: 37

Familie: verheiratet

Ausbildung: Doktorat (Dr. oec.) an der Universität St. Gallen (HSG) und Master of Science in Business Administration an der Universität, Bern.

Wann sollten sich bisherige Firmeninhaberinnen mit der Nachfolge beschäftigen?

Der Prozess sollte spätestens fünf, eher aber zehn Jahre vor der geplanten Übergabe angestossen werden. Dies, weil der Nachfolgeprozess aus meiner Erfahrung viel Zeit benötigt. So müssen oft noch strukturelle oder finanzielle Anpassungen in der Firma gemacht werden. Oft muss auch die private Vorsorge des Unternehmers überprüft werden. Und auch wieder entscheidend: Es braucht auch emotional Zeit, um loslassen und sich auf die Zeit danach vorbereiten zu können.

Wie weit ist eine weitere Beteiligung der bisherigen Inhaber sinnvoll?

Dies kann in gewissen Fällen Sinn machen, vor allem dann, wenn noch sehr viel Know-how bei der bisherigen Inhaberin ist, auf das der Nachfolger und die Firma weiterhin angewiesen sind. Dann ist eine Beteiligung ein gutes Mittel, um die alte Inhaberin noch an die Firma zu binden. Ich empfehle hier aber nur Minderheitsbeteiligungen, damit der Nachfolger Entscheidungen treffen kann, und dass man den Zeitrahmen vorgängig definiert. Ein anderer Fall ist, wenn der Nachfolger beispielsweise nicht über genügend finanzielle Mittel verfügt, um die ganze Firma sofort zu übernehmen. Hier kann man sich einen gestaffelten Kauf der Firma vorstellen.

Wie weit kann das helfen, unterschiedliche Vorstellungen bei der Bewertung zu überbrücken?

Eine weitere Beteiligung des alten Inhabers kann natürlich oft helfen einen tieferen Kaufpreis der Firma aus Käufersicht zu begründen. So kann man dem abtretenden Unternehmer in Aussicht stellen, dass er weiterhin ein Einkommen aus der Firma beziehen kann, sei dies als Lohn oder als Dividende auf seinen verbleibenden Anteilen. Es hat aber auch eine emotionale Komponente, sodass die abtretende Unternehmerin das Gefühl hat, sie werde noch gebraucht, könne sich noch einbringen und so auch noch mit der Firma und deren ganzem Ökosystem weiter verbunden bleiben.

Welche weitere Finanzierungsvarianten sind sinnvoll und welche würden Sie empfehlen?

Man muss sich den Chancen und Risiken der jeweiligen Modelle bewusst sein. Ich persönlich bevorzuge bei der Regelung der Eigentumsnachfolge einen klaren Schnitt. Es sollten alle Anteile am Tag X verkauft werden, damit es eine klare Kompetenzübergabe gibt, aber auch, um ein Signal an den Nachfolger und alle anderen Stakeholder zu senden. Es hilft aus meiner Erfahrung übrigens auch im emotionalen Bereich, sowohl dem abgebenden Unternehmer als auch der Nachfolgerin, eine Lösung mit einer klaren Rollenverteilung und keine Mischform zu haben.

«Der informelle Teil geht leider manchmal etwas vergessen, ist aber enorm wichtig.»

Bei der Finanzierung eines Verkaufs hingegen ist es gerade im KMU-Bereich oft sinnvoll und gewünscht, den abtretenden Unternehmer finanziell und oft auch personell noch für einen klar definierten Zeitraum einzubeziehen. Dies geschieht häufig über ein Verkäuferdarlehen, auch Stehbetrag genannt, wo der abtretende Unternehmer der Nachfolgerin noch für eine gewisse Zeit einen Anteil am Kaufpreis als verzinsliches Darlehen gewährt.

Wie schliesst man den Prozess am besten ab? 

Formell gibt es die üblichen Signing Dates und Closing Dates, wenn die Verträge unterzeichnet werden und dann auch in Kraft treten mit der Übertragung dernötigen Kompetenzen, Zeichnungsrechte und Handelsregistermutationen. Im Anschluss werden dann Mitarbeitende, Kundinnen, Kunden und Lieferanten informiert. Der informelle Teil geht leider manchmal etwas vergessen, ist aber enorm wichtig. So empfiehlt es sich unter anderem, die Mitteilung an die Belegschaft mit einer Veranstaltung zu kombinieren, beispielsweise mit einer symbolischen Stabs- oder Schlüsselübergabe.

Und wenn alles erledigt ist – was raten Sie den bisherigen Inhabern? Weltreise? Hobbys, Familie pflegen?

Auch das ist sehr individuell. Wenn ich mir aber anschaue, welche Unternehmer zwei, drei Jahre nach der Nachfolge der Meinung waren, dass dies ein guter Schritt war und sie zufrieden sind, so waren es doch jene, die ihr Leben – selbst wenn sie noch in der Firma weiterarbeiten – mit neuen Inhalten füllen konnten. Ein solcher Unternehmer ist beispielsweise in den Immobilienbereich eingestiegen und baut jetzt ökologisch zertifizierte Mehrfamilienhäuser, eine andere lebt in der Karibik und ein weiterer züchtet Rosen. Ich denke, es spielt keine Rolle, was, dafür aber, dass man etwas hat.