Bei der Nachfolgeplanung gilt es, die Weichen frühzeitig zu stellen. Ab wann sollte man sich mit dem Thema befassen?

Grob gesagt gibt es vier Gelegenheiten, eine Nachfolge zu planen. Die erste ergibt sich gleich bei der Gründung. Wir Berater nennen das gerne «Übung Probesterben».

 

Das heisst?

Aktive Geschäftsführer sollten sich relativ früh darüber Gedanken machen, was mit ihrem Unternehmen passiert, wenn sie mal ausfallen. Das liegt in der strategischen Verantwortung jeder unternehmerischen Persönlichkeit. Aber auch die nächste Managementgeneration muss sich überlegen, wie man sich organisiert, wenn der Papa (oder der Chef) morgen nicht mehr da ist.

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Wann bietet sich die zweite Gelegenheit?

Sobald Unternehmer 50 werden. Dann sollten sie sich überlegen, wie abhängig oder eben unabhängig sie vom Unternehmen in finanzieller Hinsicht sind. Steckt ein Teil des Vermögens im Unternehmen? Ist man auf einen Verkaufserlös angewiesen? Je besser man die finanzielle Vorsorge im Vorfeld organisiert hat, umso mehr Handlungsfreiheiten hat man. Ist zum Beispiel jemand nicht aufs Geld angewiesen, kann er bei einer familieninternen Nachfolge das Geschäft seinen Nachkommen theoretisch auch einfach schenken.

 

Was tun, wenn das Vermögen stark unternehmensgebunden ist?

Früher sagte man, dass bei klassischen KMU-Unternehmerfamilien rund 80 Prozent des Vermögens in der Firma stecken. Als abtretender Eigentümer könnte man hier beispielsweise eine Dividende rausziehen und ansparen oder diese parallel in Immobilien investieren, wie es viele Unternehmer tun.

Welches ist die dritte Gelegenheit, die Nachfolgeplanung anzupacken?

Wenn passende Nachfolgerinnen oder Nachfolger in der Firma arbeiten. Gerade im Kontext des Fachkräftemangels ist das interessant. Guten Leuten muss man eine Perspektive bieten, auch wenn man vielleicht erst 55 oder 60 Jahre alt ist. Ehe man sichs versieht, erhalten diese attraktive Angebote und werden von der Konkurrenz abgeworben.

 

Eine Nachfolgeplanung kann auch recht kräftezehrend sein, nicht?

Genau. Deshalb sollte man in sich hineinhorchen und überlegen, wie lange man noch Energie hat, um den Job auszuführen. Vor allem wenn es weder Familienmitglieder noch Mitarbeitende gibt, welche die Firma übernehmen wollen. Diese vierte Gelegenheit sollte man nicht verpassen. Wartet man bis ganz am Schluss oder wird von einer Krebsdiagnose, einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall überrascht, ist es zu spät.

 

Wie erkennt man, ob der Energiespeicher bald leer ist?

Das ist von Person zu Person unterschiedlich: Die einen wollen und können die Welt bis ins hohe Alter mitgestalten, andere haben ihre Lebensenergie-Reserven mit 55 Jahren praktisch aufgebraucht. Häufig hat es aber auch mit der Branche zu tun, in der man tätig ist. Zwei meiner Kunden aus der Baubranche sind zum Beispiel erst knapp 50 Jahre alt, haben aber bereits den Nachfolgeprozess eingeleitet. Sie beide wissen, dass sie mit 60 nicht mehr jeden Tag im Geschäft stehen wollen.

Handkehrum gibt es Chefs, die meinen, dass ohne sie gar nichts mehr läuft …

In solchen Fällen sollte man sich die Frage stellen: Bin ich das Unternehmen oder führe ich das Unternehmen? So findet man heraus, wie abhängig das Unternehmen vom Eigentümer ist oder eben auch nicht.

 

Welche Rolle spielt das Geschäftsmodell bei der Suche nach einem Nachfolger?

Eine grosse. Kleinere Firmen mit personenbezogenen Dienstleistungen wie etwa Coiffeure oder Optikerinnen lassen sich in der Regel nicht von heute auf morgen verkaufen, denn eine Nachfolge ist immer ein Entwicklungs- respektive Veränderungsprozess. Ein «gesunder» Übergang (gesund für die Firma, den Verkäufer und die Nachfolgerin) braucht seine Zeit. Man kann einen Kundenstamm nicht einfach via Excel übergeben und erwarten, dass danach alles funktioniert.

 

Was braucht es denn zum Gelingen einer «gesunden» Nachfolge?

Es braucht ein Bewusstsein für die verschiedenen Gestaltungsebenen (Führungsstrukturen, Gegenstand der Nachfolge und so weiter, siehe Grafik) und das Bewusstsein, dass es in einem solchen Veränderungsprozess mindestens drei Perspektiven gibt: die des Verkäufers, die des Käufers und die des Unternehmens.

 

Können Sie das anhand eines Beispiels aufzeigen?

Als Verkäufer einen maximalen Verkaufspreis erzielen zu wollen, ist absolut legitim. Das hat aber vielleicht die Konsequenz, dass nicht jeder potenzielle Nachfolger finanziell mit den Erwartungen mithalten kann. Oder dass am Schluss das Unternehmen regelrecht ausgequetscht werden muss, um die Amortisation sicherzustellen. Hier stellt sich dann die Frage, welche der drei Parteien gewonnen hat. Kurzfristig vielleicht die Verkäuferschaft, aber mittel- und langfristig hat das Unternehmen unter Umständen verloren.

Family-Buy-out, Management-Buy-out und Management-Buy-in sind die drei Hauptoptionen bei einer Nachfolge. Gibt es neue Trends?

In den vergangenen Jahren habe ich vermehrt beobachtet, dass Unternehmen als Team übernommen wurden. Das finde ich spannend. Oder dass Kombinationen zwischen Family- und Management-Buy-out umgesetzt wurden. Dass also ein bis zwei Familienmitglieder mit leitenden Mitarbeitenden der Firma zusammenspannen und übernehmen. Dass der älteste Sohn automatisch übernimmt, wie früher in der Landwirtschaft, sehe ich immer weniger.

 

Die gesellschaftliche Veränderung ist also auch bei Firmenübergaben zu spüren …

Absolut. Zudem finde ich es toll, dass immer mehr Frauen die Nachfolge antreten. Oder Geschwister, die gemeinsam eine Firma übernehmen. Erst kürzlich schlossen wir eine Nachfolge ab, wo die Schwester die Geschäfts- und der Bruder die Werkstattleitung übernahmen. Auch das funktioniert.

 

Was, wenn sich kein Nachfolger finden lässt? Weder familienintern noch im Management noch extern?

Im Detailhandel und in der Gastronomie gibt es durchaus noch andere Lösungen als den Verkauf, etwa die Umnutzung, sprich das Weitervermieten des Ladenlokals. Verallgemeinern kann man das aber nicht. Die letzte Option wäre dann die ordentliche Geschäftsaufgabe.

«Es ist toll, dass immer mehr Frauen die Nachfolge antreten.»

Der Nachfolge-Experte

Name: Frank Halter

Funktion: Geschäftsführender Inhaber von St. Galler Nachfolge sowie Mitgründer und Research-Fellow des Center for Family Business der Universität St. Gallen (CFB-HSG)

Ausbildung: Dr. rer. pol.

Viele Unternehmer haben über die Jahre viel Herzblut in die eigene Firma gesteckt. Was tun, wenn jemand emotional nicht in der Lage ist, das Zepter weiterzugeben?

Prinzipiell kann man ja auch weiterarbeiten, bis man tot umfällt. Dann ist das Problem auch gelöst – zumindest für einen selbst.

 

Jetzt werden Sie zynisch.

Vielleicht ja, aber auch das ist ein Weg. Dann können die Erben definieren, wie es weitergeht. Ist das ein bewusster Entscheid, der von den Angehörigen mitgetragen wird, habe ich keine Einwände. Aber wenn sich da jemand so reinmanövriert, hab ich meine Mühe damit.

 

Welche Punkte gilt es als übernehmende Partei zu beachten?

Bei der internen Nachfolge ist meist im Vornherein schon klar, in welcher Position jemand einsteigt. Hier gilt es, frühzeitig die neuen Rollen sauber zu klären. Externe Nachfolgerinnen sollten sich darüber klar werden, was sie suchen. Je attraktiver ein Unternehmen ist, desto grösser ist der Wettbewerb. Da geht es manchmal zu und her wie im «hölzernen Himmel». Gerät man dann als unternehmerische Persönlichkeit in ein Bieterverfahren mit Finanzinvestoren oder strategischen Investoren, kann man irgendwann nicht mehr mithalten. Dann geht es am Schluss nur noch um den Preis und die Finanzierbarkeit des Preises.

 

Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es für weniger finanzstarke Nachfolgeanwärter?

Gerade bei internen Übernahmen habe ich es noch nie erlebt, dass man sich nicht gefunden hätte. Eine Möglichkeit sind Verkäuferdarlehen, bei denen die Nachfolger zum Beispiel fünf bis sechs Jahre Zeit haben, das Geld zurückzuzahlen. Abgesehen davon bin ich der Überzeugung, dass Eigenmittel, seien es auch nur 10 000 Franken, wichtig sind, um sein Commitment zu zeigen. Den Rest kann zum Beispiel eine Bank übernehmen.

 

Was gilt es zu beachten, wenn der bisherige Besitzer nach der Übergabe weiterhin im Unternehmen tätig ist?

Wenn am Tag nach der formellen Übergabe der Senior noch immer der Erste ist, der ins Büro kommt, und der Letzte ist, der heimgeht, wenn er nach wie vor Mitarbeitergespräche führt, alle Telefone abnimmt und alle Rechnungen kotiert, ist man auf dem falschen Pfad. Es muss sich spürbar etwas verändern, auch wenn es nur ein anderes Büro oder ein anderer Parkplatz ist. Am besten ist es aber, wenn sich der Vorgänger ganz aus dem operativen Geschäft zurückzieht.