Wie unterstützen Sie Familien bei der Identifikation und Entwicklung potenzieller Nachfolger?
Rolf Hänni (RH): Je nach Fragestellung arbeiten wir zusammen mit den etablierten Beratern der Familie oder können professionelle Berater aus unserem Netzwerk empfehlen; dazu gehören zum Beispiel Corporate-Finance-Berater, Steuerexperten und Anwälte.
Wie helfen Sie, Konflikte innerhalb der Familie während der Nachfolgeplanung zu vermeiden oder zu lösen?
Jürg Kallay (JK): Das persönliche Gespräch steht im Vordergrund. Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis und das notwendige Fingerspitzengefühl helfen, die verschiedenen Interessen, Neigungen und individuellen Ziele der Klienten und ihrer Familienmitglieder herauszuschälen. Dank persönlicher Erfahrung und der langjährigen Zusammenarbeit mit Spezialisten verschiedener Disziplinen können wir Lösungen vorschlagen, die letztlich alle Beteiligten überzeugen.
Wie gehen Sie bei der Vermögensnachfolge vor, um sicherzustellen, dass sowohl familiäre als auch geschäftliche Interessen gewahrt bleiben?
RH: Wir schlagen vor, zum Äussersten zu gehen und darüber zu sprechen. Auch wenn wir eng mit unseren Klienten zusammenarbeiten, werden wir als Aussenstehende wahrgenommen und als neutrale Beobachter und Berater akzeptiert. Was zu Beginn scheinbar als kompliziert und unüberbrückbar betrachtet wird, erweist sich mit der Zeit als lösbar. Wertvoll sind sachliche Entscheidungsgrundlagen und der punktuelle Beizug der richtigen Spezialisten.
Was gilt es dabei zu beachten?
RH: Die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Familienmitglieder – gerade auf Stufe Eigentümer – sollten nicht mit der Strategie eines Unternehmens vermischt werden. Sonst wird es schwierig oder kann sogar existenzbedrohend für das Unternehmen werden.
Wie ermitteln Sie den fairen Marktwert eines Familienunternehmens?
RH: Wir sprechen hier vom Blick in die Kristallkugel. Der faire Marktwert ist der Wert, den ein Dritter zu einem gegebenen Zeitpunkt zu bezahlen bereit ist. Dieser ist einfach feststellbar, wenn das Familienunternehmen an einen unter mehreren Bietenden verkauft wird, allenfalls ein Dritter die Finanzierung zugunsten eines Familienmitgliedes übernimmt oder wenn ein Börsenkurs vorhanden ist.
Und wenn das Familienunternehmen von einem von mehreren Nachkommen allein übernommen und weitergeführt werden soll?
RH: Dann muss ein fairer Marktwert ermittelt werden, damit die übrigen Berechtigten nicht benachteiligt werden. Die Verhältnisse sind dort einfach, wo einheitliche Preisvorstellungen vorhanden sind.
Und in den übrigen Fällen?
RH: Da empfehlen wir eine fundierte Unternehmensbewertung durch einen Branchenexperten als sachliche Grundlage, welche alle Beteiligten akzeptieren können. Eine solche Bewertung hilft, übertriebene Erwartungen oder interessenbasierte Untertreibungen auf ein realistisches Niveau zu bringen.
Welche rechtlichen Instrumente und Dokumentationen sind entscheidend für die rechtssichere Übergabe eines Unternehmens, insbesondere in der Schweiz?
RH: Das sind formalrechtliche Aspekte, die Beantwortung ist abhängig von der konkreten Situation zum gegebenen Zeitpunkt. Ein Aktienrechtler würde die Antwort möglicherweise reduzieren auf den Nachweis der lückenlosen Kette rechtsgültiger Übertragungen der Aktien am Familienunternehmen. Das allein kann simpel sein, aber auch schlaflose Nächte und viel Aufwand bedeuten.
Was empfehlen Sie?
RH: Aus Sicht des Unternehmens empfehlen wir eine saubere Dokumentation der Geschäftsunterlagen, auch wenn dies manchmal als formalistisch empfunden wird. Das Leben ist facettenreich und es kann tatsächlich ein ganzes Bündel von Dokumenten relevant und erforderlich sein, um eine angestrebte reibungslose Übertragung eines Unternehmens zu gewährleisten.
Welche Strategien empfehlen Sie zur Strukturierung des Familienvermögens, um steuerliche Vorteile bei der Vermögensübergabe an die nächste Generation zu maximieren?
JK (schmunzelt): Wandern Sie nach Dubai aus, dort kennt man weder Einkommens-, Vermögens- noch Erbschaftssteuern!
RH: Was wir damit sagen wollen: Steuern sind ein wichtiger Aspekt, aber in den wenigsten Fällen der wichtigste. Neben den höchst persönlichen Zielen der Betroffenen können ehegüter- und erbrechtliche Aspekte oder Vorsorgeüberlegungen ausschlaggebender sein. Sobald die grundlegenden Fragen geklärt sind, wer, wann, wie, was und in welcher Form erhalten soll, können und sollen die Steuern optimiert werden. Hier sind die richtigen Spezialisten zum gegebenen Zeitpunkt gefragt.
Welche Best Practices haben Sie aus Ihrer Erfahrung für eine erfolgreiche Nachfolgeplanung im Familienunternehmen identifiziert?
JK: Unsere Aufgabe als Vermögensberater sehen wir darin, im langjährigen Austausch mit unseren Klienten die Wünsche und Ziele offenzulegen, damit im richtigen Zeitpunkt die adäquaten Massnahmen ergriffen werden und das Gesamtvermögen entsprechend strukturiert ist.
RH: Mit dem eigenen Unternehmen verwirklicht sich der Eigentümer oder die Eigentümerin ein persönliches Lebensziel. Ob dieses Ziel mit den Zielen der Nachfolgegeneration übereinstimmt, gilt es sorgfältig und mit einer gewissen Entspanntheit zu klären. Zu dieser Entspanntheit trägt bei, dies frühzeitig zu klären und sich rechtzeitig Gedanken zu machen zum Ziel, zu der Art und dem Zeitpunkt der Unternehmensnachfolge. Dies hilft, zum gegebenen Zeitpunkt loszulassen und sich mit Freude anderen oder neuen Zielen und Tätigkeiten zu widmen.
Wie häufig sollte ihrer Meinung nach der Nachfolgeplan überprüft und aktualisiert werden?
RH: Das ist abhängig von der persönlichen Situation und jeweiligen Lebensphase. Alleinstehende haben andere Bedürfnisse als junge Familien, die Einverdienerehe andere als Lebenspartner mit jeweils eigenen Unternehmen. Wer bis zur Pensionierung und darüber hinaus arbeiten will, wird anders planen als jemand, der mit 45 aus dem aktiven Berufsleben aussteigen möchte. Und: Das Schicksal kann es manchmal gut meinen, manchmal aber auch nicht. Es hat keinen Sinn, sich dauernd Gedanken und Sorgen zu machen. Vor, spätestens bei der Veränderung der persönlichen Situation sollte man sich aber Gedanken dazu machen. Die meisten haben ein gutes Gefühl dafür, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist. Wir helfen dann unseren Klienten, auch entsprechend zu handeln.
Alles erfolgt nach Plan, das Familienunternehmen wird erfolgreich weitergegeben oder verkauft. Was nun?
JK: Das ist ein Moment, in dem uns einige Klienten das erste Mal kontaktieren, bei einem sogenannten Cash Event. Unternehmer und Unternehmerinnen, deren Vermögen bisher im Unternehmen, allenfalls noch in der privat genutzten Liegenschaft gebunden war, besitzen plötzlich viel Liquidität. Das kann auch Erben bei einem Erbvorbezug oder im Erbgang beziehungsweise bei der Erbteilung passieren. Nur wenige wollen fortan ihr Vermögen selbst verwalten. Die meisten suchen professionelle Unterstützung, jemanden, der ihnen hilft, in dieser Situation die richtigen Fragen zu stellen, Optionen aufzuzeigen und zu bewerten, die richtigen Entscheide zu treffen und für deren Umsetzung die richtigen Partner zu finden. Genau das ist unser Kerngeschäft.
Wie bereiten Sie die scheidenden Führungskräfte emotional und psychologisch auf den Übergang vor?
JK: Unser Anspruch ist es, unsere Kunden individuell unter Berücksichtigung ihrer Ziele, Ressourcen und Bedürfnisse zu beraten. Diese verändern sich im Laufe der Zeit und wir sprechen die Klienten darauf an. Wir bauen auf ein Vertrauensverhältnis und streben langfristige Beziehungen an. Das ist ein laufender und natürlicher Prozess und bisher scheint unser Beratungsansatz diesbezüglich erfolgreich zu sein. Trotz allem aber gilt: Auch wir sehen nur jene Aspekte und Wesenszüge, welche unsere Klienten offenzulegen bereit sind und die wir erkennen können.
Zur Person
Jürg Kallay ist Gründer und Geschäftsführer von Swissprivate AG. Daneben ist er Mitglied des Verwaltungsrates von Living Seeds International. Zuvor war er einer der Geschäftsführer der Beisheim Investment Group in Baar.
Zur Person
Rolf Hänni ist selbstständiger Rechtsanwalt und Mitglied des Verwaltungsrates von Swissprivate AG. Er war unter anderem Partner bei KPMG und BDO und hat 35 Jahre Erfahrung in der Beratung von Unternehmen.