Vor rund zwei Monaten haben Sie als CEO das Unternehmen von Ihren Eltern übernommen. Wie war der Start?
Es waren zwei schöne, intensive und auch ereignisreiche Monate – beruflich wie privat. Das Unternehmen ist sehr dynamisch ins neue Jahr gestartet. Wir konnten den Schwung aus dem vierten Quartal mitnehmen, sowohl hinsichtlich der Akquisitionen als auch auf der Absatzseite. Das ist besonders erfreulich, da der Markt im Jahr 2023 aufgrund der Zinserhöhungen verhältnismässig unruhig war. Und die private Seite war auch ziemlich schwungvoll: Ich habe geheiratet. Kurzum, mir geht es richtig gut.
Können Ihre Eltern wirklich loslassen?
Durchaus. Wir haben keinen täglichen Austausch. Aber auch wenn sie beide jetzt nur noch selten physisch vor Ort im Büro sind, kann ich mich jederzeit mit Fragen bei ihnen melden. Ich kann mich glücklich schätzen, meine Eltern als Sparringspartner zu haben. Beide verfügen über unterschiedliche Kompetenzen, die sich sehr gut ergänzen. Meine Mutter ist eine begnadete Netzwerkerin und Expertin für Premiumimmobilien. Und mein Vater ist als Verwaltungsratspräsident und Stratege natürlich mein erster Ansprechpartner im Verwaltungsrat.
Zur Person
Name: Claudio Walde
Funktion: CEO Walde Immobilien
Ausbildung: Bachelor Maschinenbau, ETH, Master MTEC, ETH
Alter: 31
Wohnort: Zollikon ZH
Familie: verheiratet
Karriere: Consultant FS Strategy bei EY; Leiter Anlageimmobilien bei Walde von 2020 bis 2023
Das Unternehmen: Walde Immobilien wurde 1985 von Marianne und Gerhard E. Waldegegründet und zählt zu den grössten Immobilienvermarktern der Deutschschweiz. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Zollikon ZH vermittelt jährlich rund 400 Liegenschaften, darunter bestehende Wohn- und Anlageimmobilien sowie Neubauprojekte und Ferienimmobilien. Das Familienunternehmen beschäftigt über 75 Mitarbeitende in neun Geschäftsstellen.
Sie haben Maschinenbau studiert. Warum?
Korrekt, ich habe an der ETH den Bachelor in Maschinenbau erworben und dann dort mit dem Master MTEC (Management, Technology, and Economics) ergänzt. Mich hat das Studium nach der Schule interessiert, und meine Eltern haben mich ermutigt, diesen Weg einzuschlagen. Natürlich ist das kein klassischer Weg ins Immobiliengeschäft, aber man bekommt in diesen Studien ein umfassendes analytisches Werkzeug mit auf den Weg und lernt, wie man Probleme löst und komplexe Fragestellungen bearbeitet. Dieses Wissen kann auch im Management einer Immobilienfirma nicht schaden.
Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Im Kern geht es uns immer zuerst darum, dass wir in unseren Marktgebieten weiterhin die erste Adresse sind, wenn es um Immobilienanliegen geht. Zusätzlich streben wir an, den gesamten Kaufprozess für beide Parteien – Verkäufer und Käuferinnen – so angenehm wie möglich zu gestalten. Dabei ist es uns besonders wichtig, dass unsere Beraterinnen und Berater ausreichend Zeit haben, sich umfassend um die Bedürfnisse unserer Kundschaft zu kümmern. Da wir in Zeiten von grossen Veränderungen leben, ist es wichtig, dass wir ständig neugierig und offen für Neues sind, lernen und uns alle persönlich weiterentwickeln.
Gibt es Expansionspläne?
Zürich, die Zentralschweiz und der Aargau sind und bleiben unsere Heimatmärkte. 1985 gründeten meine Eltern an der Rämistrasse in Zürich das Unternehmen. Anschliessend kamen in relativ kurzer Zeit weitere Regionen hinzu, darunter Thalwil, Uster, Luzern und weitere. Im vergangenen Jahr wurde mit dem Büro in Chur unsere neunte Geschäftsstelle eröffnet. Und der nächste Schritt ist auch schon geplant: Wir planen, im Engadin unsere zehnte Geschäftsstelle zu eröffnen.
Warum gerade dort?
Wir haben in unseren Heimatmärkten sehr viele Kundinnen und Kunden, die das Engadin schätzen und dort etwas suchen, in der Regel einen Zweitwohnsitz. Ihnen möchten wir in Zukunft auch mit der Expertise vor Ort zur Verfügung stehen.
Sie haben vor der Übernahme der Unternehmensleitung schon drei Jahre den Bereich Anlageimmobilien geleitet. Wie wichtig ist der Bereich für Walde?
Den Bereich Anlageimmobilien gibt es seit 1999. Er ist sehr wichtig für uns und macht fast einen Drittel des Gesamtgeschäfts aus.
Wo haben Sie Ihren Schwerpunkt bei den Anlageimmobilien?
Unser Hauptfokus sind Mehrfamilienhäuser und Wohn- und Geschäftshäuser. Der Klassiker ist ein Gebäude in Zürich: Unten das Ladenlokal, darüber zwei Büros und noch drei Wohnungen. Das ist unser Kerngeschäft. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grundstücke mit Entwicklungspotenzial.
Wie hat sich der Markt dort in den letzten Monaten entwickelt?
Die Inflation und steigende Zinsen haben zu höheren Renditeerwartungen bei den Anlageimmobilieninvestoren geführt. Durchaus verständlich: Wenn Bundesobligationen wieder attraktiv werden, kauft man kein Mehrfamilienhaus mit einer Rendite von 1 Prozent.
«Kleine,möblierte Apartments sind sehr gefragt, gerade in Zentren von Städten.»
Claudio Walde, CEO Walde Immobilien
Und wie hat die Kundschaft reagiert?
Die Kosten für eine zehnjährige Festhypothek lagen zwischenzeitlich bei über 2,5 Prozent. Besonders spürbar war dies im April und Mai 2023, als die Hypothekarzinsen von Woche zu Woche um zehn Basispunkte nach oben und unten schwankten. Diese Volatilität führte bei den Kundinnen und Kunden während der Transaktionsprozesse zu grosser Unsicherheit und Zurückhaltung. Als jedoch im September und Oktober 2023 mehr oder weniger klar wurde, wohin die Entwicklung geht, belebte sich der Markt wieder.
Also ist alles wieder wie immer?
Die Käufergruppen haben sich gewandelt, hier gab es Verschiebungen. Verstärkt drängen wieder Privatinvestorinnen in den Markt, die Objekte suchen. Und auf der Verkäuferseite ist Bewegung bei den institutionellen Anlegern zu beobachten. Die haben jahrelang so gut wie gar nichts verkauft und nun in den letzten Monaten begonnen, ihre Portfolios zu bereinigen.
Welche Objekte werden abgestossen?
Häufig sind das kleine Objekte oder Objekte, deren Lage nicht ideal ist – oder die Investoren trennen sich von Liegenschaften, die nicht in ihre Strategie passen. Oft spielen zudem ESG-Anforderungen eine Rolle: Objekte, welche diesen Kriterien nicht genügen, kommen zum Verkauf.
Viele Verkäufer fragen sich, ob es lukrativer wäre, das Haus vor dem Verkauf zu sanieren.
Generell raten wir davon ab, selbst zu sanieren, und empfehlen stattdessen den Verkauf im unsanierten Zustand. Denn man macht die Sanierung in der Regel ja nie so, wie die Käuferin es gerne hätte. Die Geschmäcker und Prioritäten sind einfach zu unterschiedlich. Ob Dachgestaltung, Fassade oder Energielösung – das ist häufig sehr individuell.
Der Detailhandel leidet unter dem Wettbewerb mit dem Online-Handel. Spüren Sie das in Ihrem Geschäft?
Sicherlich steht der Detailhandel vor Herausforderungen. Auch hier ist die Lage entscheidend. Aber ein Ladenlokal im Zürcher Kreis eins ist sicherlich nicht von der Krise betroffen. Die Herausforderungen betreffen eher Liegenschaften in der Peripherie.
Worin liegen aktuell Ihre Herausforderungen?
Wir haben die Philosophie –und das liegt sicherlich auch daran, dass wir ein Familienunternehmen sind –, dass wir sehr langfristig denken. Wir führen Bewertungen von Liegenschaften immer äusserst fundiert und nachhaltig durch. Also nicht einfach mal grob über den Daumen schätzen und dann nach dem Motto «Probieren wir es mal» in den Markt springen. Einige Marktteilnehmende oder am Verkaufsprozess beteiligte Personen äussern unrealistische Preisvorstellungen, die dazu beitragen, bei Verkäufern Erwartungen zu wecken, die oft nicht der Realität entsprechen.
Was läuft aktuell im Bereich Anlageimmobilien besonders gut?
Schon immer und besonders jetzt sind Häuser mit einem hohen Wohnanteil in den Ballungszentren rund um Zürich, Luzern, Baden und so weiter sehr gefragt
Und innerhalb von Zürich?
Der Dauerbrenner sind Altstadtliegenschaften rechts und links der Limmat, für die gibt es immer einen Markt. Das ist teilweise losgelöst von puren Renditeüberlegungen. Dort spielt auch Leidenschaft oder die Liebe für traditionelle Gebäude eine grosse Rolle.
Welche Objekte sind Ladenhüter?
Schwieriger zu vermarkten sind übernutzte Grundstücke. Also etwas ältere Gebäude, die über die Baulinie gebaut sind. Das bedeutet, dass bei einem Neubau kleiner gebaut werden müsste, um die Baulinien zu respektieren.
Zeichnen sich besondere Trends ab?
Kleine, möblierte Apartments sind sehr gefragt, gerade in Stadtzentren. Und zum anderen sind die energetischen Anforderungen sehr wichtig geworden.
Ihr Ausblick für 2024?
Im Anlagenimmobilienbereich stabil bis positiv. Durch die beruhigte Zinssituation rechnen wir mit einem sehr guten Jahr gegenüber 2023.
Was soll man einmal über Sie sagen, wenn Sie in dreissig Jahren die Firma übergeben?
Es werden wohl eher vierzig Jahre sein. Für mich wird es im Rückblick wichtig sein, dass ich stets fair und professionell gehandelt habe. Oder kurz gesagt, dass ich ein guter Chef war und es den Mitarbeitenden Spass bei uns gemacht hat. Für die Firma wünsche ich mir, dass wir weiterhin der führende Ansprechpartner für Immobilien in unseren Marktgebieten bleiben und dass wir zusätzliche Gebiete erschliessen können. Dies würde zeigen, dass wir die Bedürfnisse unserer Kundschaft genau verstanden haben – ganz im Sinne unseres Claims: «Wir bringen Mensch und Immobilie zusammen.»