Ende 2022 ist die Weltbevölkerung auf acht Milliarden Menschen gestiegen, und für 2030 werden 8,5 Milliarden erwartet. Sie alle müssen ernährt werden – aber nachhaltig, damit wir unseren Planeten nicht zerstören.
Für die Landwirtschaft ist der Klimawandel eine enorme Herausforderung. Schwere Dürren, invasive Pflanzen und Schädlinge führen zu schlechten Ernten und weniger nahrhaftem Getreide. Schon jetzt sind die Folgen spürbar: In Europa war es im Juli 2022 so warm wie nie zuvor, was nicht ohne Folgen für den Ackerbau blieb. Ausserdem wurden aufgrund der hitze- und dürrebedingt schlechten Ernten in Kanada und Südamerika sowie aufgrund des Personalmangels wegen der Corona-Pandemie Senfsamen und Speiseöl knapp.
Die Autorin
Tu Quynh Ly, Investment Specialist, Axa IM
Ernährungssektor mit grossem Impact
Die Energieerzeugung verursacht den grössten Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen. Auf Platz zwei folgt aber schon der Ernährungssektor mit einem Drittel aller Emissionen. Sie verteilen sich unter anderem auf die Herstellung und Ausbringung von Dünger, die Nutztierhaltung und nicht zuletzt auf die Lebensmittelverschwendung (siehe Grafik). Zudem sorgen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion für Wasserknappheit – 70 Prozent des weltweiten Trinkwasserverbrauchs entfallen auf diese beiden Sektoren. Unterdessen entwickeln viele Unternehmen innovative Lösungen, die schon jetzt wirtschaftlich und skalierbar sind.
17 Prozent der Treibhausgasemissionen des Lebensmittelsektors stammen von der Viehwirtschaft, genauer gesagt von der enterischen Fermentation (Verdauungsprozess bei Wiederkäuern). Damit ist die Viehwirtschaft nach der Landnutzungsänderung die zweitgrösste Emittentin. Trotz massiver Umweltschäden ist kurz- bis mittelfristig kaum mit einem geringeren Fleisch- und Milchkonsum zu rechnen. Im Gegenteil: Der weltweite Fleischverzehr dürfte in den nächsten zehn Jahren um 14 Prozent zunehmen, dies vor allem wegen des steigenden Lebensstandards in den Entwicklungsländern.
Innovativ Emissionen senken
Nützen könnten der Umwelt Effizienzgewinne in der Landwirtschaft, etwa durch Enzyme, Mikroben und Eubiotika, die Mykotoxine bekämpfen, für eine bessere Darmgesundheit sorgen oder die Methanemissionen von Wiederkäuern verringern. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Bereich das niederländische Unternehmen DSM mit seinen Schwerpunkten Tierernährung und Tiergesundheit. Seine Nahrungsergänzungsmittel für Kühe können die verdauungsbedingten Methanemissionen um etwa 30 Prozent senken. Eine andere Möglichkeit ist eine Viehzucht auf DNA-Basis, die zu einer effizienteren Nahrungsverwertung und besseren Tiergesundheit führen kann.
8 Prozent der Treibhausgasemissionen des Ernährungssektors entfallen auf Dünger, vor allem durch den Einsatz von fossilen Energieträgern in der Produktion. Dort können bereits wirtschaftliche Lösungen – von erneuerbarer Energie bis zu einem geringeren Düngereinsatz – helfen. Mittels Präzisionslandwirtschaft können die Bauern und Bäuerinnen ihre Ernteerträge steigern, und das bei einem geringeren Land-, Dünger- und Wasserbedarf.
Zur Präzisionslandwirtschaft zählen Software und Systeme, die Entscheidungen und das Arbeiten vereinfachen und so für mehr Ressourceneffizienz sorgen. Wenn Landwirte besseren Zugang zu Analysesystemen haben, können sie bessere Entscheidungen über den Einsatz von Herbiziden und die Bewässerung treffen. Ein zentraler Player in diesem Bereich ist das US-Unternehmen John Deere.
Weniger Lebensmittel verschwenden
Rund 600 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen, aber ein Drittel der weltweiten Lebensmittelproduktion wird verschwendet oder verdirbt. Das hat massive Umweltfolgen. Wäre die Lebensmittelverschwendung ein Land, stünde es bei den Treibhausgasemissionen auf Platz drei hinter China und den USA.
Meist werden Lebensmittel im Einzelhandel und von den Verbrauchern und Verbraucherinnen verschwendet. Umso wichtiger ist deshalb eine längere Haltbarkeit durch weniger Verunreinigung mit Mikroorganismen oder eine bessere Konservierung. Der niederländische Chemiekonzern Corbion entwickelt Lösungen, welche die Lebensmittelverschwendung verringern, einen Beitrag zur Gesundheit leisten und zugleich den Planeten schützen.
Probleme und Lösungen gibt es entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Für Investoren ist das ebenso ermutigend wie komplex. Wenn die Welt das von den Regierungen ausgerufene Netto-null-Ziel umsetzt, gibt es viele Chancen – weil immer mehr getan wird, um die Klimafolgen der für uns alle lebenswichtigen Nahrungsmittelproduktion zu verringern.