Kürzlich habe ich eine Analyse gesehen, die aufzeigt, dass die Risikokapital-Finanzierung in Europa stark abgesackt ist. Ist das auch Ihre Erfahrung?

Nur bedingt, denn man muss sich auch immer vor Augen führen, welches Jahr respektive welche Zeitspanne man als Referenz nimmt. 2020 und 2021 und generell die letzten fünf bis zehn Jahre waren ausserordentlich starke Jahre für Risikofinanzierungen in Europa und auch global. Es war vorauszusehen, dass das hohe Level an Funding nicht aufrechterhalten werden kann.

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Worauf führen Sie das zurück?

Nun, das makroökonomische Umfeld hat sich in den letzten 18 Monaten stark verändert: Zinsen, die Geldpolitik der Zentralbanken und geopolitische Faktoren hatten und haben einen grossen Einfluss auf die Risikobereitschaft von Investoren. Sie sind vorsichtiger geworden, denn es besteht Ungewissheit im Markt.

«Unsere Strategie ist stark an Impact gebunden.»

Wie sieht es aus für Startups in der Nahrungs- und Getränkeindustrie?

Hier sieht man ein ähnliches Bild, wobei die Nahrungs- und Getränkeindustrie vergleichbar stabile Sektoren sind. Es kommt aber auch hier sehr auf die Subkategorien und Businessmodelle der jeweiligen Unternehmen an. Generell ist der Appetit auf neue Lösungsansätze in Agtech und Foodtech weiterhin hoch. Im Bereich alternative Proteine – der im letzten Jahr gelitten hat – sehen wir weiterhin grosses Interesse, wie zum Beispiel im Bereich der Fermentationstechnologien, die mit pflanzenbasierten Produkten kombiniert werden können.

Der Investor

Name: Matteo Parenti
Funktion: Investment Director bei Blue Horizon in Zürich
Karriere: Parenti verfügt über Erfahrung im Investmentbanking bei Rothschild & Co in Europa und den USA. Bevor er zu Blue Horizon kam, war er Vizepräsident für M& in New York, wo er sich auf Transaktionen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie konzentrierte.
Ausbildung: MBA von Insead (Fontainebleau und Singapur) und Bachelor of Economics an der Universität St. Gallen HSG

Das Unternehmen Die Venturecapital-Firma Blue Horizon Corporation AG mit Sitz in Zürich kauft, hält, verwaltet und verkauft Beteiligungen in den Bereichen Agriculturetech, Foodtech und Bio-and-Circular Economy, welche den Übergang zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem beschleunigen und «herausragende Renditen für Investoren und den Planeten» liefern sollen.

Hat auch Blue Horizon seine Investitionen zurückgefahren?

Blue Horizon hat über 80 Portfoliounternehmen und investiert weiterhin aktiv in die Nachhaltigkeit der globalen Nahrungskette mit Fokus auf Foodtech, Agtech und Bio-and-Circular Economy. Und wir unterstützen aktiv unsere Portfoliounternehmen. Wir denken, dass es aktuell ein sehr gutes Marktumfeld für Investitionen ist, da sich die Bewertungen und Cash-Burns etwas erholt haben. Unser Investitionsvolumen hängt schlussendlich von unserem Dealflow und strategischen Schwerpunkten ab.

Zu den strategischen Schwerpunkten gehören offensichtlich nicht Bereiche wie Tierhaltung und Aquakultur, Futtermittel, Süssigkeiten und Süsswaren, abgefülltes Wasser oder alles, was nicht direkt mit der Lebensmittel- und Landwirtschafts-Wertschöpfungskette zusammenhängt. Wieso das?

Na ja, wir investieren eben in Firmen, die es ermöglichen, unsere Nahrungskette nachhaltiger zu gestalten. Unsere Investmentstrategie ist zudem stark an Impact gebunden.

Das heisst?

Das heisst, dass wir bei Blue Horizon auf die positive Wirkung unserer Investments auf den Planeten und für den Menschen achten. Als Referenz: Die Nahrungskette ist der zweitgrösste Emittent von Treibhausgasen hinter der Energieindustrie und weitaus grösser als etwa die Transportindustrie.

Was vermutlich auf die landwirtschaftliche Produktion zurückzuführen ist.

Genau. Bezüglich Tierhaltung und Tierprodukte ist es nachgewiesen, dass diese eine sehr starke Belastung für die Umwelt sind. Das kann auch in unseren Studien, zusammen mit den renommierten Beratungsunternehmen BCG und PwC veröffentlicht, nachgelesen werden.

Welche Rahmenbedingungen müssen Startups eigentlich erfüllen, damit Risikokapital fliesst?

Wir investieren von Seed bis Growth in verschiedenen Risikoklassen. Wichtige Punkte sind hierbei die Reife des Unternehmens, die verwendete Technologie, Traction mit Kunden und das finanzielle Profil des Unternehmens. Es gibt aber Kriterien, die übergreifend relevant sind. So suchen wir stets starke Managementteams und nachgewiesene geschäftliche Differenzierung sowie grosse adressierbare Endmärkte, erfahrene und zweckmässige Teams, attraktive Unit-Economics und ein skalierbares Geschäftsmodell, signifikante Vorteile durch Technologie und IP, «customer love»-starkes Endkundenfeedback und Wiederholungskäufe. Wie erwähnt ist auch ein starkes Engagement für Impact und ESG wesentlich. Schlussendlich achten wir auch sehr darauf, ob wir einen klar definierbaren Hebel haben, um die Wertschöpfung des Unternehmens voranzutreiben.

Eine Faustregel besagt, dass neun von zehn Investitionen floppen. Wie sieht die Erfolgsrate bei Blue Horizon aus?

Wir haben eine sehr niedrige Loss Ratio in unserem Seed, Venture und Growth, die für unsere Spezialisierung spricht. Diese Faustregel trifft für uns glücklicherweise nicht zu.

Sie investieren nicht nur in Startups, sondern auch in reifere, bestehende Unternehmen. Was ist hier das Ziel?

Auch hier haben wir eine klar definierte Mission – die Transformation und der Aufbau einer nachhaltigen Nahrungskette von der Landwirtschaft bis hin zum Endkunden. Um dies zu erreichen, muss man über den gesamten Lebenszyklus von Unternehmen investieren. Wir arbeiten mit reifen und etablierten Unternehmen zusammen, um die Wertschöpfung und den Impact unserer Unternehmen zu maximieren.

«Tierprodukte sind eine starke Belastung für die Umwelt.»

Für Risikokapitalgeber beinhaltet jede Investition auch einen Exit. Wann steigen Sie jeweils wieder aus?

Dies kommt sehr auf das Vehikel an, in das wir investiert haben. Sehr grob gesagt könnte man fünf Jahre sagen, wobei es grosse Unterschiede gibt. Wir versuchen, den Kapitalgewinn durch unsere Wertschöpfung und Exit-Optionen zu maximieren – sei dies durch Verkäufe (M&A), Börsengänge (IPO) oder andere Optionen, die zu einer Kapitalrückführung unserer Investitionen führen.