Tesla CEO Elon Musk

Nach dem Einbruch: Lohnt jetzt der Einstieg in Big-Tech-Aktien?

Alex Reichmuth
Von Alex Reichmuth
am 05.10.2020 - 11:34 Uhr
Quelle: Keystone

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Der Höhenrausch von Google, Tesla, Amazon und Co. wurde gebremst, auf hohem Niveau. Für Anleger sind die Titel dennoch interessant.

In den letzten Wochen hat sich bei den grossen amerikanischen Technologie-Aktien eine gewisse Ernüchterung eingestellt. Die Werte der Titel, die seit Monaten scheinbar unaufhörlich nach oben gestrebt waren, gaben deutlich nach – um 15, 20 oder noch mehr Prozent. Es scheint, dass viele Aktionäre Gewinne realisieren wollten und entsprechend verkauft haben.

Doch noch immer sind die Eckwerte der grossen Technologie-Titel beeindruckend. Amazon, der Online-Händler, hat seit Jahresbeginn über 70 Prozent vorwärtsgemacht und ist mit rund 1,6 Billionen Dollar marktkapitalisiert.

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Apple, vor allem bekannt für das iPhone, ist sogar rund 2 Billionen Dollar schwer und steht dieses Jahr 57 Prozent im Plus. Alphabet, der Mutterkonzern von Datenriese Google, weist eine Marktkapitalisierung von fast 1 Billion Dollar auf, ist allerdings nur 9 Prozent vorangekommen.

Wertsteigerung bei Big Tech

Dafür hat sich der Softwarekonzern Microsoft um fast einen Drittel gesteigert und wiegt nun ebenfalls rund 1,6 Billionen Dollar. Und dann erst Tesla, sofern man den E-Mobil-Produzenten zu den Tech-Aktien zählen will: ein Sprung auf das Fünffache in diesem Jahr – auf fast 400 Milliarden Dollar.

Facebook, Amazon, Apple, Netflix, Google, Microsoft, Tesla: Diese Titel sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass der Nasdaq 100 zwischen Ende März und Ende August eine Rally mit einem Plus von sagenhaften 77 Prozent hingelegt hat.

Denn «Big Tech» hat weit mehr als 50 Prozent Gewicht in diesem US-Technologieindex. Und auch der breite amerikanische Index S&P 500 hat dank diesen Unternehmen seine Verluste, die er zuvor wegen der Corona-Krise erlitten hatte, wieder wettgemacht.

Fakten zum Thema

50,7 Prozent ist der Anteil von Facebook, Amazon, Apple, Google, Microsoft und Tesla am Index Nasdaq 100.

2 Billionen Dollar Diese Marktkapitalisierung erreichte Apple im August – so viel, wie noch kein Unternehmen zuvor.

21 Prozent hat die Tesla-Aktie am 8. September wegen der Nichtberücksichtigung im Index S&P 500 verloren.

500 Millionen Abonnenten sagt die Bank of Canada dem Streaming-Dienstleister Netflix für 2030 voraus.

Der Digitalisierungsschub, den die Welt wegen des Virus durchmachte, verlieh den Softwareproduzenten, Internetdiensten, Streaming-Anbietern und ähnlichen Unternehmen Flügel.

Wie bei der Dotcom-Blase?

Ganz klar: An den grossen US-Technologiefirmen kommt kein Anleger vorbei – egal, ob er in Amerika oder sonst wo in der Welt zu Hause ist. Die Frage ist nur, wie er sich jetzt verhalten soll.

Bleiben die Tech-Unternehmen die Zugpferde der Aktienmärkte – und sind sie auch künftig für fette Kursgewinne verantwortlich? Oder sind die entsprechenden Titel sowieso schon viel zu teuer und sollte man die Finger davonlassen? Droht gar eine Situation wie bei der Dotcom-Blase vor zwanzig Jahren, als eine gewaltige Aktien-Hausse wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel?

Es sei bereits viel Optimismus in den Kursen der Tech-Unternehmen eingepreist, sagt Peter Früh von der Vermögensberatung Früh & Partner. «Die Luft für weitere Kurssprünge dürfte in den nächsten Monaten dünner werden.» Die hohen Bewertungen könnten auch nicht mit dem Digitalisierungsschub allein erklärt werden, so Früh.

«Das Risiko von weiteren Kurskorrekturen ist somit erhöht.» Ein Risiko stelle auch dar, dass die Politik die Zerschlagung gewisser Konzerne fordere oder dass Digitalsteuern die künftigen Gewinne schmälerten.

Tech-Giganten statt Internetpioniere

Dennoch sei die Situation nicht mit der Internetblase im Jahr 2000 zu vergleichen, ist Peter Früh überzeugt. Denn heute habe man es statt mit kleinen Internetpionieren, die grosse Verluste machten, mit Tech-Giganten zu tun. «Sie erzielen hohe Umsätze und verfügen über robuste Businessmodelle.» Ein nachhaltiger und lang andauernder Kurseinbruch sei daher unwahrscheinlich – «zu mächtig und unabdingbar sind diese Konzerne geworden».

Eine Spekulationsblase kann auch Tobias Hochstrasser von der Vermögensverwaltung Albin Kistler nicht ausmachen. Eine solche zeichne sich generell durch absurd hohe Aktiennotierungen aus, die jegliche Relation zur wirtschaftlichen Realität verloren hätten.

«Das ist gegenwärtig nicht erkennbar.» Es sei aber wahrscheinlich, so Hochstrasser, dass einige Aktien im IT-Bereich ein zu hohes Ertragswachstum vorwegnähmen. «Diese Aktien werden weiter korrigieren.»

Viele IT-Unternehmen hätten in den letzten Monaten aber überzeugende Quartals- und Halbjahresresultate ausgewiesen und sprächen von einer beschleunigten Nachfrage für ihre Produkte, meint Hochstrasser weiter.

Markt sei zu hoch bewertet

Auch auf weite Sicht seien die Aussichten für viele dieser Unternehmen gut. «Wir sind überzeugt, dass Anleger mit Aktien erstklassiger Unternehmen, die zu einem fairen Preis handeln, langfristig attraktive Renditen erzielen.» Für Tobias Hochstrasser zählen dazu insbesondere die Firmenriesen Alphabet, Microsoft und Apple.

Der Markt sei «mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit» zu hoch bewertet, stellt Hans Peter Schmidlin fest, Leiter Investmentberatung bei der Basler Kantonalbank. Aber die Tech-Titel, die in den Indizes eine hohe Gewichtung aufweisen, würden eben von allen passiven Investoren weiterhin stark nachgefragt. Dennoch sei die Situation nicht mit jener im Jahr 2000 vergleichbar.

Nach den grössten Gefahren für das Gedeihen von Big Tech gefragt, nennt Hans Peter Schmidlin die Schnelllebigkeit und die Komplexität der IT-Branche. «Des Weiteren dürfte der Sektor in den kommenden Jahren auch von politischer Seite noch stärker unter Druck geraten.

Positive Tendenz wird anhalten

Die aktuellen Stichworte sind hier Facebook-Aufspaltung, hoher Strombedarf und US-chinesischer Handelsstreit.» Abgesehen von «diversen Korrekturphasen» dürfte die positive Tendenz für Tech-Aktien aber anhalten, insbesondere wenn die Hitzigkeit der politischen Debatte abnehme, ist Schmidlin überzeugt. «Der Sektor wird weiter gut performen und die meisten heutigen Tech-Riesen werden künftig Konsumgüteranbieter mit hoher Kundenbindung sein.»

Der allgemeine Trend zur Passivierung von Aktieninvestments habe zur fulminanten Entwicklung der Mega-Caps aus dem Silicon Valley beigetragen, meint Adrian Daniel, Portfoliomanager beim Finanzdienstleister Mainfirst. «Denn gemäss der Indexreplizierung stürzen sich immer mehr Anleger auf die gleichen Unternehmen.»

Es sei jedoch nach wie vor eine gesunde Grundskepsis gegenüber den aktuellen Kurssteigerungen vorhanden, sodass die Stimmungslage bei weitem nicht mit dem Boom um die Jahrtausendwende vergleichbar sei.

Was mögliche Gefahren angehe, sagt Adrian Daniel, liege das am meisten diskutierte Risiko in einer regulatorisch verordneten Aufspaltung der amerikanischen IT-Konzerne. «Auch wenn dieses Risiko zweifelsohne besteht, könnten mögliche Auswirkungen vom Kapitalmarkt nicht nur negativ gewertet werden.

So hat sich bereits mit der Zerschlagung von Standard Oil gezeigt, dass die einzelnen Teile von Monopolen an der Börse in der Summe sogar höher bewertet werden können.»

Grossrisiko Regierungseingriff

Auch Anton du Plooy, Aktienanalyst bei der Vermögensverwaltung Ninety One, bezeichnet ein Eingreifen der Regierung als eines der Grossrisiken für die Tech-Branche.

Wenn es zu kartellrechtlichen Massnahmen kommen sollte, könnten deren Geschäftsmodelle beeinträchtigt sein. Das grösste Risiko für die Bewertungen der IT-Unternehmungen seien aber steigende Zinsen.

«Das Niedrigzinsumfeld wird zwar auf absehbare Zeit anhalten», so du Plooy. «Eine Änderung dieser Erwartung würde sich aber negativ auf die Aktienkurse auswirken, da die Cashflow-Bewertungen stark auf zukünftige Jahre ausgerichtet sind.»

Insgesamt sind die Analysten und Börsenkenner also überzeugt, dass die grossen Technologiefirmen noch in einem vertretbaren Rahmen bewertet sind. Ganz so toll wie in den vergangenen Monaten wird die Party bei Big Tech aber wohl nicht weitergehen.