Am Zürcher Bucheggplatz steht eine Rarität: Eine Schnellladestation der Firma Electra. Davon gibt es in der Schweiz erst zwei, es sollen aber schon bald weit über hundert sein. Das Besondere an diesen Ladestationen: Sie stehen nicht an der Autobahn, sondern an vielbefahrenen Strassen in Zentren, immer in der Nähe von Einkaufs- oder Verpflegungsmöglichkeiten. Das E-Auto aufladen während eines kurzen Zwischenstopps - das ist die Idee.
Allerdings streikt beim Treffen mit Blick eine der beiden Ladestationen, der schicke E-Audi eines Kunden lässt sich nicht laden: «Es gab ein Problem in der Kommunikation der Ladesäule mit dem Auto», erklärt Alessandro Inderbitzin (36), CEO von Electra für die Schweiz und Österreich. «Wir hatten gerade erst ein Firmwareupdate vom Ladesäulenhersteller, da scheint noch nicht alles reibungslos zu funktionieren.»
So richtig funktioniert auch der Verkauf von Elektroautos nicht mehr, die erste Welle der Euphorie und Neugier ist vorbei. Die Käufer werden kritischer – und greifen weniger oft zu.
1. Händler weniger unter Verkaufsdruck
Sie machen bei den neu zugelassenen E-Autos noch 18,7 Prozent vom Gesamtverkauf aus – ein Rückgang von fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Davor zeigten die Verkaufszahlen jahrelang nur nach oben. Was bremst die Elektrifizierung auf den Schweizer Strassen aus?
Zunächst einmal die allgemeine Unlust, sich ein neues Auto zu leisten: In diesem Jahr wurden bislang weniger Neuwagen verkauft als noch 2023. «Werden generell weniger Autos verkauft, haben die Händler mehr Spielraum, um die Limite für den CO₂-Ausstoss ihrer gesamten Flotte auszureizen», sagt Inderbitzin. Will heissen, es müssen nicht um jeden Preis noch ein paar Elektroautos verkauft werden, damit die CO₂-Grenze eingehalten werden kann.
2. Die fehlende Ladeinfrastruktur
Hört man sich in der Branche um, ist die fehlende Verfügbarkeit von Ladestationen in den Garagen ein grosser Hemmschuh. «Die Möglichkeit, in der eigenen Garage das Auto täglich laden zu können, ist ein entscheidender Faktor für den Kauf eines E-Autos», ist Elektroingenieur und E-Mobilität-Experte Urs Pfister (73) überzeugt. Mit seinem Beratungsunternehmen up2move übernimmt er Mandate für Mehrfamilienhäuser und Firmen, die über die Installation einer Ladeinfrastruktur nachdenken.
Eine im September erschienene Axa-Studie zeigt, dass sich zwar rund 60 Prozent der Befragten vorstellen können, in Zukunft ein E-Auto zu kaufen: Dafür müsste aber eine Reihe von Hürden abgebaut werden. Ein zentraler Punkt: der Zugang zu privaten Parkplätzen mit Ladestation zu Hause.
3. Das Problem mit der Laternengarage
Doch private Parkplätze sind gerade in den Städten generell Mangelware – mit oder ohne Ladestation. «Wer auf einen Parkplatz in der Blauen Zone angewiesen ist, wird es sich gut überlegen, ob er sich ein E-Auto anschafft, da er zu Hause keine Ladeinfrastruktur hat.» Dabei würde gerade in den Städten ein grosses Potenzial umweltbewusster Autofahrer schlummern, nur braucht es dafür eine gute öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur – wie zum Beispiel die Ladestationen von Electra.
4. Mieter im Nachteil
Bei Wohnhäusern öffnet sich eine grosse Kluft zwischen Miet- und Eigentumswohnungen. Vermieter sind deutlich zurückhaltender, wenn es um die Installation der Basisinfrastruktur für Ladestationen geht. Zudem fehlen in älteren Mietobjekten öfters die geeigneten Parkplätze, die man nachträglich nachrüsten könnte. Pfister berät und unterstützt deshalb vorwiegend bei älteren Objekten bis 2010. Davor war das Laden von Elektroautos noch kein Thema. Bei Neueren ist die Basisinfrastruktur mit Leerrohren oder gar Stromleitungen oft vorhanden.
5. E-Autos leisten sich vor allem Gutbetuchte
Zudem wird er nur von Überbauungen angefragt, in denen mehrheitlich Eigentümer wohnen. Wer ein Eigenheim besitzt, gehört tendenziell zu den Bessergestellten im Land. E-Autos kosten derzeit in der Anschaffung noch rund 20 Prozent mehr als ein Benziner. Gemäss Axa-Umfrage besitzen aktuell nur drei Prozent der Mieterinnen und Mieter ein E-Auto. Bei den Eigentümern sind es immerhin 14 Prozent.
Damit das Elektroauto auch wirklich in der breiten Bevölkerung ankommt, müsste das Angebot bei den preiswerten Modellen wachsen. «Fast 50 Prozent der befragten Personen, die sich beim nächsten Neuwagenkauf kein E-Auto anschaffen wollen, sagen, dass sich der Kaufpreis von Elektroautos verbessern müsste», sagt Axa-Mobilitätsexperte Jérôme Pahud (33).
6. Verunsicherte Käufer und lückenhafte Förderung
Inderbitzin hat noch ein weiteres Problem ausgemacht: «Gerade in der Politik wird noch viel zu viel darüber geredet, ob der E-Mobilität überhaupt die Zukunft gehört. Dabei ist diese Frage längst entschieden, an E-Autos führt kein Weg vorbei», sagt Interbitzin. «Doch diese Verunsicherung hält viele noch vom Kauf eines E-Autos ab.»
Die Politik hat die Förderung der E-Mobilität in den letzten Jahren tendenziell zurückgefahren. Kantone wie das Wallis, Tessin, Genf oder Zürich unterstützen die Installation der Ladeinfrastruktur. In Zürich beträgt der Zustupf bei Überbauungen mit bis zu 15 Parkplätzen 500 Franken pro Einheit. Die Basisinfrastruktur kostet pro Parkplatz 700 bis 1500 Franken, so Pfister. Die Installation einer Ladestation beläuft sich pro Platz nochmals auf 2000 bis 3500 Franken.
7. Grosse Bedenken bei gebrauchten E-Autos
Ein weiterer Bremsklotz ist der Handel mit gebrauchten E-Autos. Gemäss der Axa-Studie kauft fast jeder zweite einen Occasion-Verbrenner. Bei E-Autos ist es nicht einmal jeder Zehnte. Die Skepsis, gerade was die Lebensdauer der Batterien anbelangt, ist gross. Zur Belebung des Occasionmarkts sieht Jérôme Pahud grosses Potenzial in einem Batteriezertifikat. «Unsere Studie zeigt, dass dieses aktuell noch eher unbekannte Angebot bei vielen die Bereitschaft erhöhen würde, sich ein gebrauchtes E-Auto zu kaufen», so der Axa-Experte.
E-Autos werden im Vergleich zu Verbrennern doppelt so oft geleast. In den nächsten Jahren kommen also zahlreiche Fahrzeuge auf den Gebrauchtwagenmarkt.
8. Mangelnde Reichweite
Verbessern müsste sich gemäss den Befragten auch die Reichweite: Schweizerinnen und Schweizer fahren gern mit dem Auto in die Ferien. Eine Auswertung von ADAC zeigt, dass E-Autos voll aufgeladen im Schnitt rund 450 Kilometer weit kommen. Wer von der Schweiz aus ans Mittelmeer fahren will, muss unterwegs einmal aufladen. Die Reichweite von Verbrennern ist einiges grösser und das Tanken frisst weniger Zeit. Doch die E-Autos holen bei der Reichweite kontinuierlich auf. So hat sich die Reichweite innert zehn Jahren fast verdreifacht.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Blick.ch unter dem Titel «Acht Gründe, warum E-Autos floppen».
3 Kommentare
Die Hauptproblematik der E-Autos ist die Energiewende in ein Nichts. Ausser nutzlosen Solarpanels werden keine Kraftwerke errichtet.
Wenn ein grosser Teil der Mobilität und Beheizungen auf Strom umgestellt wird, dann dürfte der Strom insbesondere im Winter sehr knapp und teuer werden. Meines Erachtens würde es sich anbieten vor einer grossen Umstellung der Mobilität mit dem Bau von Kern- und Kohlekraftwerken zu beginnen.
Mit staatlichem Zwang lässt sich in Demokratien keine Mehrheit gewinnen. E-Auto schön und gut, aber in der Praxis heisst das, dass es nicht in 2-5 Jahren von Verbrenner zum E-Auto geht. Das sind Zyklen die 15-25 Jahre dauern werden, egal, was die Politik für Grünideologien hat. Ein Auto ist ein Investitionsgut, auch für Private. Das muss erst amortisiert werden und die Politik hat in den vergangenen 20 Jahren zu oft schon Autos von top modern und sauber (Euro 2, dann 3, dann 4 dann 5, dann 6 und jetzt schon bald Euro 7) zu Dreckschleuder abgestempelt. Irgendwann geht dem Konsumenten das Geld aus und irgendwann muss er erst wieder in der Lage sein, Geld zur Seite zu legen um ein teureres Auto zu kaufen.
Die E-Mobilität ist auch nicht mit mehr Subvention oder mit neuen Zertifikaten zur Batterie zu retten. Zertifikate kosten, ein paar verdienen daran, und übermorgen ist das Zertifikat nur ein Stück Papier, mehr nicht.
Die Politik ist gefordert nicht wie schon so oft mit Verboten zu agieren, nein sie muss Technologieoffenheit leben. Sonst ist das der gnadenlose Untergang des Wohlstandseuropas.
Bemerkung: es wurden bereits hunderttausende Jobs in der Zuliefererindustrie gestrichen, Insolventen am laufenden Band und diese Exmitarbeiter kaufen kein neues Auto, schon gar kein neues E-Auto...
Spannender Beitrag. Mich würde auch mal eine Diskussion über bidirektionale Ladesysteme interessieren bzw. Expertenmeinungen dazu. Alle reden von der Aufrüstung der Infra für die Elektromobilität, das sehe ich auch. Es werden Fortschritte gemacht. Nur beschränkt sich die Aufrüstung hauptsächlich auf unidirektionale Ladesysteme. Die Grundidee der E-Mobilität ist die Effizienzsteigerung durch Elektrifizierung und dahinter steht der Klimawandel/Umweltschutz. Da sehe ich einen Widerspruch, wenn man nicht bidirektionale Systeme aufrüstet. Natürlich ist und bleibt der Preis das Hauptentscheidungskriterium für jedes Gut. Aber ein m.E. ineffizienter und ressourcenverschwendender Umweg wäre hier nicht nötig, wenn man die "Grundmotivation" berücksichtigt. Wie sehen das andere? Ist es nur der Preis? Oder weil doppelter Aufwand für die einen doppelter Ertrag für die anderen ist? ;) Ergänzung/Anmerkung: In der Stadt Lausanne gab es dazu bereits 2010 oder früher Projekte, die im Sand verlaufen sind...? (Ich weiss generell zu wenig darüber! Bin nicht vom Fach, Quelle zu Lausanne: leider nur vom Hörensagen)