Nestlés neuer Chef wird der Deutsch-Amerikaner Ulf Mark Schneider. Damit hat der weltgrösste Nahrungsmittelhersteller zum ersten Mal seit 1922 einen externen CEO einberufen. Eine Analyse zeigt: Nur neun der 20 SMI-Konzerne werden heute noch von Schweizer Chefs geführt – die anderen haben ausländische CEOs. Damit setzt die Schweiz übermässig oft auf ausländische CEOs – auch im globalen Vergleich, wie Alex Koster, Partner bei PWC Strategy& zu handelszeitung.ch sagt.
Immer wieder sorgte die Nationalität von Topmanagern in der Schweiz in den vergangenen Jahren für Diskussionsstoff. Kommentatoren nutzten etwa bei der Ernennung von Tidjane Thiam als neuen Chef der Credit Suisse im vergangenen Jahr die Anonymität des Netzes und äusserten sich in teils nationalistischen Kommentaren. Auch als die UBS mit Martin Blessing einen Deutschen als Chef der UBS Schweiz installierte, hörte man vereinzelt negative Kommentare.
Person wichtiger als Nationalität
Dabei kann es sich für manche Firmen zwar durchaus lohnen auf heimische Kräfte zu setzen – etwa für Familienunternehmen, Bundesbetriebe oder Firmen, für die der Heimatmarkt entscheidend ist. Auch sollte der Chef sich im Land auskennen und wissen, welche Themen Politik und Gesellschaft bewegen – «etwa die Höhe von Managerlöhnen oder auch das Thema Corporate Social Responsiblity», sagt Philippe Hertig, Partner beim Personalberater Egon Zehnder zu handelszeitung.ch. Doch es sei richtig, dass die Nationalität für die grössten Schweizer Konzerne heute nur noch eine untergeordnete Rolle spiele, sagt Kosters. Ein Grund: Mittlerweile sind die meisten Mitarbeiter der Schweizer Konzerne inzwischen ohnehin im Ausland angestellt.
Die Nationalität von Entscheidungsträgern in Schweizer Grossunternehmen sei heute nicht mehr besonders relevant, sagt auch Hertig von Egon Zehnder. Führungskompetenz sei ein wichtigeres Kriterium. Denn die Wahl des CEOs allein ist heute nicht mehr entscheidend für den Unternehmenserfolg, sagt er. Wichtiger sei die Zusammenstellung der Teams, die international ausgerichtet sein müssten. Hier sieht Hertig die Schweiz angesichts der hohen Internationalität sogar im Vorteil gegenüber anderen Ländern.
Schweiz führend bei internationalen Geschäftsleitungen
Länder wie Deutschland oder die USA hatten im Gegensatz zur Schweiz immer einen grossen Heimatmarkt und waren deshalb nicht so stark aufs Ausland angewiesen. Das spiegelt sich in den Chefetagen: In vielen deutschen Unternehmen wird noch immer Deutsch statt Englisch gesprochen. Auch im Nachbarland Frankreich öffnen sich die obersten Abteilungen nur langsam für ausländische Topmanager, der Pass spielt hier immer noch eine grosse Rolle. Fakt ist aber: Angesichts der Globalisierung geht der Trend auch in den Unternehmen in Richtung Internationalisierung.
Da kann es hierzulande sogar von Nachteil sein, einen Schweizer als CEO einzusetzen, wenn das Unternehmen mehrheitlich im Ausland agiert, so Hertig. Denn wichtiger als die Identifikation mit dem Heimatmarkt sei für den Erfolg, dass die Person sich mit den Geschäftsbedingungen und der Kultur in Übersee auskenne.
Verwaltungsräte weit weniger international
Und Hertig sieht sogar eine zu gerine Internationalisierung in der Schweizer Firmenlandschaft – und zwar auf Stufe des Verwaltungsrats. «In vielen Unternehmen ist die Geschäftsleitung internationaler als der Verwaltungsrat.» Da jedoch der Verwaltungsrat die strategische Führung des Unternehmens wahrnehme, müsse auch er sich zunehmend internationalisieren, so Hertig.
Und nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative stehen die Rekrutierer heute unter Druck. Immer häufiger, sagt Hertig, müssten sich ausländischen Kräften erklären, wieso die Schweiz noch immer ein attraktiver Standort für internationale Manager und Unternehmen sei.
Externes Hiring im Trend
Neben der zunehmenden Internationalisierung von Chefetagen sehen Experten auch den Trend hin zu extern besetzten CEO-Positionen als relevant. Dieser Trend zeigt sich auch bei Nestlé - einem Konzern bis heute jahrzehntelang auf interne Kandidaten gesetzt hatte. Die «2015 CEO Success Study» von PWC Strategy& zeigte zudem, dass die Hälfte aller CEOs, die im letzten Jahr in der Schweiz eingesetzt wurden, von aussen kamen - zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich wurden in Deutschland nur 16 Prozent der CEO-Posten extern besetzt, weltweit waren es 23 Prozent.
Externe Kandidaten einzustellen habe den Vorteil, dass diese einen frischen Blick mitbrachten, sagt PWC-Sprecherin Claudia Sauter zu Handelszeitung.ch. Ausserdem hätten sie starke Führungsqualitäten und Erfolge bewiesen, agierten unabhängig von etablierten Seilschaften oder Machtzentren und genössen bessere Glaubwürdigkeit im Verwaltungsrat. In der Schweiz stellten laut Sauter vor allem Telekom-, Energie- und Healthcare-Branche öfter externe CEOs ein, während die IT-, Industrie- und die Bankenbranche immer noch stark auf interne Kandidaten setzte.