Ausländische Online-Aggressoren, Einkaufstourismus, gefrässige Discounter: Coop und Migros sehen sich ähnlichen Herausforderungen ausgesetzt. Aber wer ist besser gerüstet für die Zukunft?

Nach dem gestrigen grossen Zahltag bei der Migros nehmen wir die beiden Schweizer Detailhandelsriesen unter die Lupe und verteilen Punkte. In jeder der zukunftsrelevanten Kategorien gibt es einen Superpunkt (für Coop) oder einen Cumulus-Punkt für Migros zu gewinnen.

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Zwei Schweizer Riesen, elf Kategorien, eine grosse Frage – welcher der Schweizer Grossverteiler das Rennen macht, lesen Sie hier:

1. Geschäftsgang

Längst ist Coop erfolgreicher unterwegs als Rivalin Migros. So setzten die Basler mit 30,7 Milliarden Franken nicht nur mehr um als Migros mit 28,4 Milliarden. Coop wuchs mit 5 Prozent deutlich stärker als Migros (1,3 Prozent) und ist zudem profitabler unterwegs. Zwar ging bei Coop die Ebit-Marge zum Vorjahr um 0,3 Prozenpunkte zurück auf 2,6 Prozent. Dennoch ist sie höher als jene der Migros (2,3 Prozent).

Rückläufig sind ebenfalls die Gewinne. Doch auch hier liegt Coop vorne: 2018 blieben unter dem Strich 473 Millionen Franken. Bei Migros ging er 2018 um 5,5 Prozent zurück auf 475 Millionen Franken. Zwar ist der Gewinn leicht höher, allerdings auch dank der Migros-Bank. Bei Coop ist der Gewinn stärker vom Kerngeschäft getrieben.

Cumulus-Punkte: 0
Superpunkte: 1

2. Digitalisierung

Der Online-Handel ist der grösste Wachstumsmotor. Kein anderer Bereich ist für die beiden Tanker derart entscheidend für die Zukunft. Was den Umsatz anbelangt hat, Coop die Nase vorn: Der Basler Detailhändler kommt 2018 auf 2,3 Milliarden Franken, Migros auf 2,139 Milliarden. Dennoch ist Migros digital besser aufgestellt.

Denn: Coop erzielt mit 1,5 Milliarden Franken mehr als die Hälfte des Online-Umsatzes dank dem Grosshandelsgeschäft. Dass Hotels, Restaurants, Heime und Spitäler ihre Waren mehr und mehr über den digitalen Kanal von Transgourmet bestellen, ist kaum verwunderlich. Doch im Online-Detailhandel setzt Migros fast dreimal mehr um als Coop. Und nach der Siroop-Pleite hat Coop der Dominanz von Digitec Galaxus kaum noch etwas entgegenzusetzen. Migros ist mit Galaxus so erfolgreich unterwegs, dass die Tochter nun nach Deutschland expandiert.

Der orange Riese wagt sich auch anderweitig in der Digitalwelt vor. Migros Aare etwa setzt neu auf Big Data und nutzt im neuen Online-Shop von «My Migros» Cumulus-Daten zur Darstellung eines personalisierten Sortiments. Zudem arbeitet die Genossenschaft derzeit an einer kassenlosen Voi-Filiale. Jüngst wurde ebenfalls bekannt, dass M-Industries für Amazon Eigenmarken produziert. «Amazon ist ein wachsender Verkaufskanal. Durch die Zusammenarbeit lernen wir diesen besser kennen», sagte M-Industries-Chef Chef Walter Huber zur «Handelszeitung».

Dass der Tanker Migros durchaus ein Digitalturbo sein kann, zeigt sich auch im Social-Media-Vergleich. Auf allen wichtigen Kanälen hat die Migros deutlich mehr Follower: auf Facebook sind es 360’400, bei Twitter 115’450 und bei Instagram 74’000. Coop hingegen kommt bei Facebook nur auf 83’000, bei Twitter auf 20’000 und bei Instagram auf 27’900 Follower.

Cumulus-Punkte: 1
Superpunkte: 0

3. Megatrends

Demografische Entwicklung und Gesundheit sind zwei der bestimmenden Megatrends der nächsten Jahre, weltweit und natürlich auch in der Schweiz. Beide, Coop wie Migros, haben dies erkannt und sind auf diesen Feldern aktiv.

Coop ist mit seinen 75 Schweizer Coop-Vitality-Apotheken präsent, seit 2016 mit einer Mehrheitsbeteiligung an der Schweizer Fitnesskette Update (31 Ableger hierzulande) aktiv und via Transgourmet in der Gemeinschaftsgastronomie-Belieferung von Kliniken und Altersheimen tätig. Migros powert auf diesen Feldern indessen deutlich stärker.

Im Fitnessbereich sind Duttis Erben mit Marken wie Activ Fitness, Flowerpower und den Fitness- und Wellnessparks klarer Schweizer Marktleader und mit Brands wie Elements oder Injoy europaweit zweitstärkster Anbieter. Im Dossier Gesundheit ist Migros durch ihre über dreissig Medbase-Zentren die grösste Hausärztin der Schweiz. Stationär und online ist die Migros zudem durch die Zusammenarbeit mit der Online-Apotheke Zur Rose und der Ende 2018 erfolgten Übernahme der über vierzig Topwell-Apotheken stark unterwegs.

Cumulus-Punkte: 1
Superpunkte: 0

Migros Flowerpower

Flowerpower: Die Fitnesscenter sind ein Tochterunternehmen der Genossenschaft Migros Aare.

Quelle: ZVG

4. Migros-Kind vs. Coop-Kind

Wer erreicht mehr Kunden? Nimmt man die Anzahl Genossenschafter, macht Coop das Rennen. Während der Basler Konzern auf 2,5 Millionen Mitglieder kommt, «gehört» die Migros mehr als 2 Millionen Personen.  

Beide Händler setzten zudem schon früh auf publizistischen Kanäle. Die Vorgängerin der heutigen «Coopzeitung» erschien bereits 1902. Und Gottlieb Duttweiler liess 1925 erstmals ein Flugblatt mit dem Titel «Migros – die Brücke» verschicken. Heute erreicht die «Coopzeitung» 2,58 Millionen Leser und das «Migros-Magazin» 2,37 Millionen.    

Ebenfalls mehr Kundschaft erreicht Coops Loyalitätsprogramm. Laut eigenen Angaben gibt es derzeit 3,2 Millionen aktive Supercard-Konten. Bei der Migros sind es 2,2 Millionen Kunden, die Cumulus-Punkte sammeln.

Cumulus-Punkte: 0
Superpunkte: 1

A regular Supercard at Coop Sihlcity in Zurich, pictured on January 29, 2015.  (KEYSTONE/Christian Beutler)Eine regulaere Supercard im Coop Sihlcity am 29. Januar 2015 in Zuerich. (KEYSTONE/Christian Beutler)

Coop erreicht mit seinen Superpunkten mehr Kunden als Migros mit Cumulus.

Quelle: © KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLER

5. Preisführer

Preislich schenken sich die beiden nicht viel. Zumindest laut dem Preisvergleich des «K-Tipps» vom Januar. So kostet ein Warenkorb mit dreissig Produkten bei Migros 85.37 Franken, während der gleiche bei Coop 87.22 Franken kostet und somit leicht teurer ist.

Noch 2005 wurde Migros als Preisführerin wahrgenommen. Diese Rolle kommt heute den Discountern Aldi und Lidl zu. Zumindest liegt Migros heute noch vor Coop, wie eine Studie der Credit Suisse zeigt. 22 Prozent der Befragten sahen 2017 noch immer die Migros als Preisführerin, während nur 6 Prozent für Coop votierten.

Cumulus-Punkte: 1
Superpunkte: 0

6. Management und Diversity

Obwohl Coop mehr Umsatz macht als Rivalin Migros, geben die Basler weniger aus für das Management. Die siebenköpfige Geschäftsleitung verdiente zuletzt 4,4 Millionen Franken. Bei Migros kam die ebenfalls siebenköpfige Generaldirektion bereits 2017 auf 5,53 Millionen Franken. Dafür fiel die Entschädigung des Verwaltungsrats bei Coop mit 1,3 Millionen Franken etwas höher aus als bei Migros mit 1,15 Millionen. Dennoch geht dieser Punkt an Coop.

Leicht voraus ist Migros dafür hinsichtlich Diversity. Die Geschäftsleitung von Coop ist ein reines Männergremium. Bei Migros ist mit Sarah Kreienbühl zumindest eine Frau in der Generaldirektion vertreten. Zudem punktet der orange Riese mit Ursula Nold als erste weibliche Präsidentin.   

Cumulus-Punkte: 1
Superpunkte: 1

Ursula Nold

Ursula Nold: Ist am Samstag zur ersten Präsidentin der Migros gewählt worden.

Quelle: ZVG

7. Swissness

Beim Thema Image, Markenverbundenheit und Ansehen ist der Fall klar: Migros kann keiner das Wasser reichen. Auch nicht Coop.

Das beginnt nur schon mit der Firmensaga um Gründer Gottlieb Duttweiler. «Was würde Dutti sagen?» lautet die Frage, wenn man bei Migros Grundsätzliches überdenkt und anpackt. Und im Volksmund heisst es, wenn man dem orangen M zürnt: «Dutti würde sich im Grabe umdrehen.» Zu Coop kommt der Schweiz kein solcher Name in den Sinn.

Diesen Donnerstag werden die Marktforscher von GfK Switzerland in ihrem 13. «GfK Business Reflektor» über die Reputation der bedeutendsten Schweizer Unternehmen berichten, wiederum in den zwei Dimensionen «Stärkste Markenbeziehungen» und «Markenerlebnisse». In beiden Ranglisten lag Migros letztes Jahr auf Rang eins. «Für die meisten Schweizer ist Migros ein enger Freund bzw ein Familienmitglied» schrieb GfK Switzerland letztes Jahr. Seit zehn Jahren liegt Migros stets vor Coop.

Cumulus-Punkte: 1
Superpunkte: 0

8. Nachhaltigkeit

Auf diesem Acker powern beide Player stark. Coop ist der Schweizer Bio-Pionier und blieb, auch durch die Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), ständig dran am Thema. Migros ihrerseits kommt bezüglich kurzer Lieferketten mit dem Pionierprojekt «Aus der Region – für die Region» eine Leaderrolle zu, die sie weiter ausbaut.

Vom unabhängigen Institut ISS Oekom wurden beide, Migros wie Coop, schon zu den nachhaltigsten Detailhändlern der Welt gewählt.

Cumulus-Punkte: 1
Superpunkte: 1

9. Sorgenkinder

Hier scheint die Coop-Gruppe aktuell besser positioniert. Ausser dem Siroop-Flop von letztem Jahr haben die Basler ihre Formate offenbar im Griff. Und wo sie es nicht haben, etwa im Möbelgeschäft, handeln sie. So peppte Coop das altbackene Toptip in ein zeitgemässes Konzept namens Livique auf.

Migros hat es da schwerer. Gerade im Departement Handel befinden sich einige Sorgenkinder. Die Warenhausgruppe Globus ist eines davon; in der Möbelsparte darbt Interio seit Jahren. Und beim einstigen Powerhaus, dem Online-Supermarkt LeShop, fielen die Wachstumsraten jüngst mager aus.

Cumulus-Punkte: 0
Superpunkte: 1

10. Diversifikation

Wenn es darum geht, mit den eigenen Geschäftsaktivitäten in den hintersten Winkel des Schweizer Lebens vorzustossen, macht Migros klar den besseren Job. Den grösseren auf jeden Fall. Das M-Imperium reicht vom genossenschaftlichen Detailhandel (Migros) über Discount (Denner) bis hin zu Finanzen (Migros Bank). Ferner von Heizöl und Tankstellen (Migrol) hin zu Reisen (Hotelplan Gruppe), Gastronomie (Molino, Hitzberger, Cha-Cha, Kaimug), Bergbahnen (Monte Generoso) und zur Produktion von Getränken (Bina, Aproz), Kaffeekapseln (Delica), Kosmetik (Mibelle).

Wem das alles noch nicht reicht, übernachtet bei Migros: Im Boutiquehotel Marktgasse im Zürcher Niederdorf, das via Genossenschaft Migros Zürich über die Ospena Gruppe (Molino) geführt wird.

Cumulus-Punkte: 1
Superpunkte: 0

11. Ausland

Ausserhalb der Schweiz hat sich Migros, besonders beim Thema Handel, schon öfters die Finger verbrannt. Besser läuft es der Gruppe bei den Industriebetrieben; jüngst kam Migros hier sogar ins Geschäft mit Amazon. Aktuell ist Migros auf vielen von ausländischen Schauplätzen anzutreffen, etwa beim Versuch, den Chinesen Migros-Industrieprodukte schmackhaft zu machen, bei gutbetuchten Deutschen mit Edel-Fitness-Studios namens «Elements» zu landen und natürlich beim Kraftakt, die deutsche Bio-Kette Tegut in die schwarzen Zahlen zu führen. Die Bilanz all dieser Aktivitäten: durchzogen.

Coop setzt im Ausland auf eine klarere Strategie: Nicht mit dem Detailhandel, sondern mit der Grosshandelssparte will man das Ausland erobern. Die von Coop-Präsident Hansueli Loosli geführte Tochter Transgourmet ist in zahlreichen europäischen Ländern tätig und hält die Position als zweitgrösstes Unternehmen im Abhol- und Belieferungsgrosshandel. Gegen 10 Milliarden Franken Umsatz resultierte 2018 aus dieser Sparte.

Cumulus-Punkte: 0
Superpunkte: 1

Fazit

In der öffentlichen Wahrnehmung laufen die Dinge für Coop aktuell besser als bei Migros. Die Geschäftszahlen sind besser, in der Firma herrscht weniger Unruhe, mit alt-Bundesrätin Doris Leuthard konnten die Basler jüngst eine Management-Trophäe ergattern (welche Migros auch gern gehabt hätte).

In der Übersicht aber steht Migros trotzdem leicht besser da; sie obsiegt in diesem Ranking mit sieben zu sechs Punkten. Was der Migros starken Rückenwind verleiht, ist die gute Aufstellung bezüglich Digitalisierung und ihre Marke, die so hell strahlt wie kaum ein anderer Brand in der Schweiz. Sicher aber strahlt die Marke heller als jene des Erzrivalen: Coop.