Sie waren vier Freunde und bildeten die Avantgarde, die Ende der neunziger Jahre die ersten Hedge-Funds für die Credit Suisse (CS) kreierte. Viele Millionenboni später suchen sie ihr Glück draussen in der weiten Finanzwelt – alle ausser Dave. Der ist bei der CS geblieben und macht die steilste Karriere in der jüngeren Geschichte der Grossbank.
Dave heisst mit vollem Namen David Blumer, ist 36 und neuer Chef des Asset-Managements. Er wird zu einem von drei operativen Bereichsleitern, die das Geld für die Bank zu erwirtschaften haben. Sein Auftrag von Konzernchef Oswald Grübel ist nichts für Zauderer: Bis 2007 muss der Ökonom die heruntergewirtschaftete Vermögensverwaltung für grosse Investoren auf Vordermann bringen. Die bisherige Führung habe das Geschäft vernachlässigt, sagt ein langjähriger Kadermann. Blumer traut er zu, die Aufgabe zu meistern.
Dass sich Grübel nach langer Suche für den in der Öffentlichkeit unbekannten Blumer entschieden hat, besagt zweierlei: Erstens hat die einst tonangebende Fraktion der Angelsachsen ihren bestimmenden Einfluss innerhalb der CS verloren. Zweitens setzt Grübel einmal mehr auf einen loyalen Gefolgsmann, der seine Vorgaben ohne lange Diskussionen in die Tat umsetzen dürfte. Selbst wenn Blumer einige Erfahrung für den neuen Job mitbringt, hat er seine Karriere Grübel zu verdanken.
Zwischen Grübel (62) und Blumer existiert eine Art Vater-Sohn-Beziehung. Der CS-Chef hatte Blumer einst als Assistent unter seine Fittiche genommen, bevor er ihn Ende der neunziger Jahre ins wichtigste Team der ganzen Bank entsandte. Nach einer zwanzigjährigen Hausse ging damals den Börsen der Schnauf aus. Gefragt waren Alternativen zu den existierenden Bankprodukten, solche, die das Kapital der wohlhabenden Kundschaft vor Verlusten schützen konnten. Also schuf Grübel, seit 1998 Private-Banking-Chef, die Alternative Investments Group. Zu deren Chef machte er den meisterhaften Vermarkter Burkhard Varnholt und stellte diesem seinen Assistenten Blumer zur Seite.
Varnholts Team brachte die Absolute Funds auf den Markt. Deren Ziel war es nicht, den Swiss Market Index oder andere Referenzgrössen zu übertreffen, sondern möglichst viel Gewinn in absoluten Franken zu erzielen. Offenbar das richtige Angebot in unsicheren Börsenzeiten: Die Absolute Funds der CS gingen trotz enormen Gebühren weg wie frische Weggli. Grübel himself sorgte dafür, dass die Verkaufsmaschinerie auf Hochtouren lief.
Für den Private-Banking-Chef hatten Gewinne für die Bank oberste Priorität. Dank dem Erfolg mit den alternativen Anlagen erzielte die CS Margen auf die verwalteten Vermögen wie niemals zuvor in ihrer Geschichte. Bei der UBS rätselte man, wie es dem CS-Private-Banking-Chef möglich war, den Kunden so viel Geld aus der Tasche zu ziehen, ohne dass diese ihre Vermögen zu anderen Banken transferierten.
Möglich machte dies das Team von Spezialisten mit Dave Blumer. Dieses wurde zum heissen Tipp innerhalb der Bank, ausgestattet mit besonderen Vollmachten des obersten Patrons. Der Personalbestand vervielfachte sich, und bald machten Gerüchte die Runde, dass den vier jungen Gründungsmitgliedern Millionenboni ausbezahlt würden – im Geheimen, um bei den übrigen Angestellten keinen Neid zu schüren. Doch keiner protestierte dagegen: Kritik an Grübels liebstem Baby war tabu.
Grübels Spezialtruppe sorgte dafür, dass sich die Grossbank als führendes Hedge-Fund-Haus der Schweiz etablieren konnte in einer Zeit, als die Finanzwelt von hohen Renditen schwärmte. Wie diese zu Stande kamen, wusste allerdings kaum einer. Die traditionellen Fonds, bestehend aus Aktien und Obligationen, wurden von einem explosiven Gemisch aus Optionen und sonstigen Derivaten abgelöst – für den Kunden undurchschaubare Blackboxes.
Ein Mitarbeiter, der im Jahr 2000 zur Hedge-Fund-Truppe der CS stiess, hat Blumer in der damaligen Pionierzeit nicht als eine herausragende Persönlichkeit erlebt. «Er war kein grosser Leader, nur ein guter Mitläufer», sagt der Manager, der heute für eine Konkurrenzbank arbeitet. Ein anderer Kollege aus jener Zeit beschreibt Blumer als «besten Umsetzer» und «wahnsinnig loyal». Visionär sei er hingegen nie gewesen.
Früh pflegte Blumer sein Beziehungsnetz. Als er im Sommer 2001 Hochzeit feierte, befand sich auch sein Boss Oswald Grübel unter den 100 geladenen Gästen auf dem Pferdegut Albführen im süddeutschen Landkreis Waldshut. Der eindrückliche Gutshof, berühmt für seine Pferdezucht, gehört Ex-SVP-Nationalrat und Automilliardär Walter Frey. Freys Neffe ist ein Freund von David Blumer. Die beiden wohnten während des Studiums zusammen in einer Zürcher Altstadtwohnung.
Offenbar hielt Grübel schon damals grosse Stücke auf Blumer. Sonst hätte der CS-Chef, ein ausgesprochener Partymuffel, der sich selten an gesellschaftlichen Anlässen blicken lässt, kaum an dessen Hochzeit teilgenommen. Dass ihm die Hedge-Fund-Truppe besonders am Herzen lag, war bekannt. Doch an Festen von anderen Mitgliedern dieses Teams sei er nie gesichtet worden, sagt ein früherer Mitarbeiter des Alternative-Teams.
Loyalität und Befehlsgehorsam gegenüber Respektspersonen bildeten schon in der Jugend die Fixpunkte im Wertesystem von David Blumer. Sein Vater Hans-Rudolf war Berufsoffizier und befehligte als Divisionär auf dem Höhepunkt seiner Karriere die Panzerdivision 11. Der Zwei-Sterne-General schickte seinen Sohn aufs Freie Gymnasium im Zürcher Seefeld, eine renommierte Privatschule für Kinder vermögender Familien von der Goldküste.
Mit Blumer hat Oswald Grübel den zweiten Intimus an eine zentrale Schaltstelle in seinem Grossbankenreich gesetzt. Der andere, Walter Berchtold, ist seit Frühling letzten Jahres Leiter des Private Banking. Beobachter räumen dem 42-Jährigen Chancen ein, Grübel als CEO der CS zu beerben – in spätestens drei Jahren.
Für Berchtold gilt noch verstärkt das Gleiche wie für Blumer, sagen Insider: Der Zögling Grübels habe in erster Linie dank unerschütterlicher Treue zum Chef den Sprung an die CS-Spitze geschafft. Nun erfüllen Grübels Swiss Boys das, was der Boss schon immer wollte. Sie schwächen den Einfluss der Angelsachsen. Nach vielen Jahren mussten die US-Chefs die Führung des Asset-Managements abgeben. Und auch im Investment-Banking, wo der Handel und das Finanzierungsgeschäft für die Multis angesiedelt sind, verlieren Engländer und Amerikaner an Boden. Das Anhängsel First Boston verschwindet per Ende Jahr, und Investment-Banking-Chef Brady Dougan gehört an der Wall Street nicht zu den bekannten Figuren. Seine Hausmacht bei der CS dürfte eher bescheiden sein.
Wenn Grübel nach 2007 den Chefjob bei der CS abgeben könnte, stellt sich die Frage: Wer von den jungen Newcomern rückt nach? Als Einziger bringt der Ex-Chef von Pro Sieben Sat 1, Urs Rohner, Erfahrung in der Führung eines internationalen Unternehmens mit. Doch Rohner gehört erst seit einem Jahr zur CS-Spitze und ist für die Stäbe zuständig, kennt also weder alle wichtigen Manager der Bank noch das operative Geschäft. Eine Variante wäre die Verpflichtung eines externen Topbankers. Gegen diese Lösung spricht, dass die CS unter Grübels Vorgänger, McKinsey-Mann Lukas Mühlemann, 2002 in eine tiefe Krise stürzte.
Diese Probleme kümmern Oswald Grübel kaum. Er hat den Aktionären versprochen, den Gewinn der CS bis 2007 von 5,6 Milliarden auf 8 Milliarden Franken zu steigern. Als langjähriger Händler wird er die Wette mit hohem Einsatz abgeschlossen haben. Gewinnt er, dürfte ihm ein dicker Abgangscheck sicher sein. Und dann kann er sagen: Après moi le déluge.