Verschuldung und Lizenzentzug beim Fussball-Challenge-League-Verein Biel, hektische Tage um die Rettung des Eishockey-Traditionsklubs Kloten – die aktuellen Schlagzeilen belegen ein generelles Problem der Schweizer Profimannschaften: Sie rechnen sich häufig nicht.
Damit die Vereine in den Schweizer Fussball- und Eishockeyligen spielen können, brauchen sie eine Saisonlizenz. Die für die jeweilige Sportart zuständige Lizenzkommission prüft dabei im Vorfeld einer Spielzeit die rechtlichen, infrastrukturellen, sportlichen, administrativen, finanziellen und sicherheitsspezifischen Kriterien.
Auch Spitzenklubs mit Finanzproblemen
Drei Vereine der zweithöchsten Fussball-Spielklasse haben diese Hürde nicht genommen. Chiasso, Biel und Le Mont haben in erster Instanz keine Lizenz für die kommende Saison erhalten – wegen fehlender finanzieller Sicherheiten. Den zehn Vereinen aus der höchsten Spielklasse, der Super League, wurde die Spielberechtigung erteilt. Doch auch sie kämpfen oft mit finanziellen Herausforderungen.
Im Schweizer Spitzeneishockey ist es ebenfalls alles andere als selbstverständlich, dass ein Verein über eine ganze Saison lang ohne Verlust funktionieren kann. Es fehlt konstant an Geld. Doch weshalb eigentlich?
Ein Titel allein ist zu wenig
Punkto Wirtschaftlichkeit gebe es im Sport ganz eigene Gesetze und viele Besonderheiten, sagt Tim Ströbel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Der Sportökonom an der Universität Bern setzt sich seit Jahren mit Fragen der Finanzierung von Profisportklubs auseinander. Der Kern für eine gute wirtschaftliche Performance sei zwar der sportliche Erfolg, weil er dem Klub positive Medienpräsenz verschaffe und ihn auch für Sponsoren attraktiver mache. Doch das alleine garantiere noch keine ausgeglichene Rechnung. «Es braucht noch viel mehr», sagt Ströbel.
Diese Aussage lässt sich verschiedentlich belegen. Auch erfolgreiche Fussball- und Eishockeyvereine sind in der Vergangenheit in ein wirtschaftliches Chaos gestürzt. Der FC Sitten, Schweizer Meister und Cupsieger im Jahr 1997, oder der FC Thun, Champions-League-Teilnehmer in der Saison 2005/2006, steckten kurz nach ihren grössten sportlichen Erfolgen in Finanznöten.
Zusatzeinkommen mit Nebengeschäften
Umgekehrt gibt es Beispiele, die zeigen, dass sportlich weniger oder nicht erfolgreiche Klubs wirtschaftliche Erfolge erzielen können. «Die Erschliessung neuer Finanzierungsquellen ist wichtig», sagt Ströbel hierzu. Beispielsweise würden die modernen Fussball- und Eishockeystadien nicht mehr nur für die jeweilige Sportart genutzt. Mit der Vermietung ihrer Arenen für Kongresse, Meetings, Tagungen oder Konzerte können die Sportklubs ihr Portemonnaie aufbessern. Der Eishockeyklub SC Bern zum Beispiel generiert seit Jahren über die Hälfte seines Umsatzes mit der Gastronomie im und ums Stadion.
Doch für viele kleine Vereine mit älteren und kleineren Stadien löst sich dadurch das Problem der fehlenden Einnahmen nicht. Das A und O für positive Bilanzen sind denn für Ströbel auch funktionierende betriebswirtschaftliche Strukturen. «Die Klubs dürfen das Backoffice nicht vernachlässigen.» Damit meint der Sportökonom alle nichtsportlichen Funktionen eines Vereins.
Überforderte Vereinsführungen
Wirtschaftliches Handeln hat sich aber noch längst nicht überall durchgesetzt. Im Traum von sportlichen Höhenflügen wird die finanzielle Realität oft ausgeblendet. Zudem ist die Arbeit sehr kompliziert geworden: Verhandlungen mit Spieleragenten, das Werben um Sponsoren, der Umgang mit Behörden und die Öffentlichkeitsarbeit stellen Vereinsführungen permanent vor eine grosse Herausforderung, die nicht selten in Überforderung ausartet.
«Im Sport wird oft aus den Augen verloren, dass eine Wirtschaftsstrategie wichtig ist», erklärt Ströbel. Denn nur wer langfristige Pläne entwerfe, Chancen und Risiken analysiere und realistische Ziele definiere, habe auch stabilen wirtschaftlichen Erfolg. Es brauche Konzepte für Sponsoren, Medien und Marketing.
Konkurrenzlos erfolgreich
Das Paradebeispiel hierfür ist der FC Basel, Seriensieger in der Schweizer Fussballmeisterschaft. Ende der Neunziger, just als in den Medien von der Finanzkrise und der Schuldenkultur im Schweizer Profisport zu lesen war, herrschte am Rheinknie Aufbruchstimmung. Die damals entwickelte Mehrjahresstrategie mit einem kontinuierlichen Aufstieg an die Ligaspitze trägt seit Jahren Früchte. Momentan scheint der FCB keine Limiten nach oben zu kennen, weder sportlich noch wirtschaftlich. Der Klub ist seiner Konkurrenz um Längen enteilt.
Andere Eishockey- und Fussballvereine suchten ihr Glück derweil mit finanzkräftigen Investoren. Oft ging der Schuss nach hinten los: Vermeintlich potenzielle Mäzene machten sich vom Acker, zurück blieb wie beispielsweise bei dem Westschweizer Fussballklubs Xamax Neuenburg das nackte Finanzchaos. Der Verein wurde zwangsrelegiert, der abgesprungene tschetschenische Geschäftsmann Bulat Tschagajew muss sich wegen Misswirtschaft und anderer Vergehen vor Gericht verantworten.
Schnelles Geld kann gefährlich sein
«Von einzelnen Personen abhängig zu sein, ist riskant», sagt Ströbel. Gleichzeitig sei das Auftauchen von Mäzenen vor allem für kleinere Klubs eine spannende Situation, es winke das schnelle Geld. Die Person oder das Unternehmen müssten aber zwingend davon überzeugt werden, langfristig Geld einzuwerfen und den Klub rentabel zu führen.
Hans-Ulrich Lehmann, ein 57-jähriger Unternehmer aus Glattfelden, der in dieser Woche den angeschlagenen Eishockeyklub aus Kloten übernommen hat, verspricht genau das: «Es wird in Zukunft nicht mehr ausgegeben als eingenommen.» Ob er diese Erwartung im Gegensatz zu seinen Vorgängern erfüllen kann, steht in den Sternen. «Ob ich erfolgreich sein werde, wissen wir in einem Jahr.»
(sda/jfr)