Der Schweizerischen Nationalbank (SNB) steht am kommenden Donnerstag eine Gratwanderung bevor. Ihr Spielraum in der Geldpolitik ist begrenzt, Handlungsmöglichkeiten sehen Experten allenfalls in der Wortwahl. Doch damit könnte sie auch Spekulanten auf den Plan rufen.
Beim Zinsentscheid haben die Schweizer Währungshüter kaum Luft für Veränderungen. Erst am vergangenen Donnerstag lieferte nämlich die Europäische Zentralbank (EZB) die Vorlage für die SNB.
So tastete die EZB die Zinsen nicht an. Vielmehr verschob sie angesichts wachsender Konjunkturrisiken eine Zinserhöhung um sechs Monate bis mindestens Mitte 2020. Und EZB-Präsident Mario Draghi wollte auch weitergehende Massnahmen nicht ausschliessen.
Franken aufgewertet
Draghi reagierte damit auf die Verschärfungen im Handelsstreit zwischen den USA und China. Diese Zuspitzung hinterliess in den letzten Wochen deutliche Spuren an den Finanzmärkten. Zunehmend verunsicherte Investoren flüchteten in sichere Häfen wie den Franken - was zu einer Aufwertung führte.
Wie Chefstratege Anastassios Frangulidis von Pictet meint, geben die aktuellen Marktverhältnisse der SNB denn auch keinen Spielraum für eine Normalisierung der Schweizer Geldpolitik.
Ähnlich sieht es der Marktstratege Dave Lafferty von Natixis. Die aktuelle wirtschaftliche Situation in der Schweiz und in Europa lasse keine andere Wahl zu, als die Zinsen niedrig zu halten.
Die harten Fakten dürften somit weiter Bestand haben: So wird die SNB den Einlagensatz wohl unverändert bei -0,75 Prozent belassen und auch an der Zielspanne für den 3-Monats-Libor zwischen -1,25 und -0,25 Prozent festhalten.
Panik vermeiden
Der Fokus richtet sich somit auf die Wortwahl der Währungshüter. Caroline Hilb von der St. Galler Kantonalbank (SGKB) rechnet damit, dass auch die Direktoriumsmitglieder um Thomas Jordan den Handelsstreit erwähnen werden. «Wir gehen davon aus, dass die SNB deswegen die Risiken für die Schweizer Wirtschaft höher einstuft», so die Anlagestrategin.
Denn der Handelsstreit belaste die Stimmung an den Märkten. Und er tangiert laut Hilb insbesondere die Autoindustrie und den Techsektor. «Beide Sektoren sind zentral für die Schweizer Wirtschaft, insbesondere für Zulieferfirmen.»
Dennoch geht Hilb davon aus, dass die SNB zwar die Risiken für das Wachstum etwas stärker betonen wird. «Sie wird aber keinen stark schlechteren Ausblick geben», ist sich die Expertin sicher. Dieser Meinung schliesst sich auch der Ökonom Alessandro Bee von der UBS an. Eine stark veränderte Wortwahl könnte von den Märkten als Panik verstanden werden, meint er.
Ähnlich sieht es Janwillem Acket, Chefökonom bei Julius Bär. Er geht davon aus, dass der Franken bis zum 19. Juni, wenn die US-Notenbank Fed sich «zu mindestens einer Zinslockerung 2019 bekennt» in einer eher abwartenden Haltung verharren wird. «In dieser Lage wird sich die SNB hüten, irgendwelche Äusserungen zu Ihrer Zinspolitik zu machen, weil das nur die Spekulanten auf den Plan ruft.»
Vielmehr werde die SNB ihr Mantra wiederholen, dass der Franken hoch bewertet sei und sie bei Bedarf an den labilen Devisenmärkten eingreifen werde, ist Acket überzeugt.
«Verbale Intervention»
Zum Teil wird allerdings damit gerechnet, dass die SNB wieder zu ihrer alten Wortwahl zurückkehren wird, der Franken sei «deutlich überbewertet». Im Herbst 2017 hatte die Wortwahl auf «hoch bewertet» geändert.
Mit einer solchen Änderung der Wortwahl könnte die SNB die Gefahr von Marktinterventionen verringern, meinen die Analysten der Deutschen Bank. Konkret gäben sie den Märkten ein Signal, ohne Geld ausgeben zu müssen.
Nach Ansicht von UBS-Ökonom Bee gab die SNB zuletzt schon solche Signale. Was die deutlichen Voten des SNB-Direktorium mit Blick auf mögliche Zinssenkungen betrifft, werte er diese bis zu einem gewissen Grad als «verbale Intervention».
(awp/ccr)