Die Schweizerische Nationalbank hat bei ihren Leitzinsen kaum noch Feuerkraft übrig. SNB-Präsident Thomas Jordan wacht über eine Wirtschaft, die sich am Rande der ersten Rezession seit sechs Jahren befindet.
Die Zentralbank ist mit einem Einbruch der Verbraucherpreise und einer schrumpfenden Wirtschaft konfrontiert, nachdem sie vor sechs Monaten den Frankenkurs wieder freigab. Da ihr Einlagensatz bereits auf dem Rekordtief von minus 0,75 Prozent liegt, besteht kaum noch Spielraum für Zinssenkungen, ohne einen Ansturm auf Bargeld auszulösen. Die Grenze liegt wahrscheinlich bei minus einem Prozent, ergab eine monatliche Umfrage von Bloomberg unter Ökonomen.
«Effektive Untergrenze erreicht»
«Eine weitere Verringerung des Einlagensatzes würde wahrscheinlich zu einer höheren Nachfrage nach Barmitteln führen, die die SNB vermeiden möchte,» sagte Karsten Junius, Chefökonom der Bank J Safra Sarasin Ltd. in Zürich. «Die SNB hat ihre effektive Untergrenze erreicht.»
Die SNB wird ihre Zinsentscheidung am Donnerstag bekanntgeben und zugleich neue Wachstums- und Inflationsprognosen vorlegen. Mit einer Änderung am geldpolitischen Kurs wird zwar nicht gerechnet, Jordan dürfte aber für den Fall einer weiteren Verschlechterung des Ausblicks seine Handlungsbereitschaft unterstreichen. Der SNB-Präsident muss dabei die Gefahren für die Schweizer Wirtschaft im Auge behalten, die sich aus der Krise in Griechenland und einem potenziellen Zerfall des Euroraums ergeben.
Erneuter Rückgang des BIP wird erwartet
Die neuen SNB-Prognosen werden die im ersten Jahresviertel um 0,2 Prozent geschrumpfte Wirtschaftsleistung einkalkulieren, mit der eine 13 Quartale währende Expansionsphase zu Ende ging. Die von Bloomberg befragten Ökonomen erwarten für das laufende Quartal einen erneuten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, was die Wirtschaft in ihre erste Rezession seit 2009 bringen würde.
Die SNB prognostizierte für dieses Jahr zuletzt ein Wachstum von 0,9 Prozent. Das ist nur halb so hoch wie ihre Schätzung vor der Aufgabe des Euro-Mindestkurses von 1,20 Franken. Bei den Verbraucherpreisen wurde für 2015 einen Rückgang um 1,1 Prozent vorausgesagt, der sich erst 2017 wieder ins positive Territorium dreht. Die Franken-Aufwertung um 15 Prozent gegenüber dem Euro in diesem Jahr ist Hauptgrund für die schwache Inflationsrate.
Franken-Deckel zum eigenen Schutz
Der Franken könnte unter zusätzlichen Druck geraten, wenn sich die griechische Schuldenkrise intensivieren sollte. Ängste vor einem Auseinanderbrechen des Euroraums hatte die SNB im Jahr 2011 dazu bewogen, den Franken-Deckel einzuführen, um die Wirtschaft vor den Folgen von Safe-Haven-Käufen zu schützen.
«Wir glauben noch immer, dass eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte irgendwann im dritten Quartal 2015 möglich wäre, wenn die Zinsdifferenz zwischen Euro- und Franken-Märkten weiter abnimmt, was Aufwärtsdruck auf den Franken ausübt,» sagte Julien Manceaux von ING in Brüssel. «In diesem Fall läge die Untergrenze wahrscheinlich bei minus 1,25 Prozent.»
(bloomberg/ccr)
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