Niemand hätte gedacht, dass WEF-Gründer Klaus Schwab so würde abtreten müssen: mit einem erzwungenen Rücktritt, einem Hausverbot und einer Untersuchung am Hals. Ein Whistleblower hat dem Stiftungsrat des WEF laut dem «Wall Street Journal» von gravierenden Missständen berichtet.

Schwab reagierte in dieser Situation wie viele Mächtige: Er wittert eine «Schmutzkampagne» in Zusammenhang mit der ungelösten Nachfolgefrage. «Wenn man es mit einem Gründer zu tun hat, der 55 Jahre lang erfolgreich gewirkt hat, dann will der Nachfolger nicht einfach in dessen Fussstapfen treten – sondern ein eigenes Profil etablieren. Das geht am einfachsten, wenn man den Vorgänger nicht einfach gehen lässt, sondern ihn vom Podest stösst», sagte er zu CH Media.

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Der 87-jährige Doyen des Davoser Wirtschaftsforums ist nicht der Einzige, der sich als Opfer fühlt. Schmutzkampagnen scheinen Hochkonjunktur zu haben: Über 1800-mal findet sich der Ausdruck in der Schweizer Mediendatenbank der letzten drei Jahre. Sehen sich exponierte Persönlichkeiten gravierenden Verdachtsmomenten ausgesetzt, glauben sie schnell an eine Verschwörung. Das kommunikative Ziel ist klar: Es wird insinuiert, dass es sich um konzertierte Machtaktionen handelt, die eine einflussreiche Person grundlos diskreditieren wollen.

Doch die Berichterstattung der letzten Tage über die Vorgänge beim WEF deutet darauf hin, dass es sich um die verzweifelte Reaktion eines bedrängten Mannes handelt. Das WEF ist Schwabs Baby, seine Leistung, sein Erfolg. Dieses Kind nimmt man ihm nun ungefragt weg. Der totale Kontrollverlust – für Menschen wie ihn ist das die Höchststrafe. Denn wenn mächtigen Wirtschaftsführern eines gemeinsam ist, dann das: Mit dem Erfolg wächst ihr Selbstverständnis, dass sie alles selber in der Hand haben – auch das Drehbuch für den eigenen Abgang. Das Gefühl, die Dinge stets unter eigener Kontrolle zu haben, schwächt zuweilen die Wahrnehmung für die Begrenztheit der eigenen Macht und für die Haltung des Umfelds.

«Es liegt auf der Hand, dass führende Köpfe in der Organisation und im Stiftungsrat seit einiger Zeit aus dem Schatten des alternden Gründers treten wollten. Erfolg weckt Neider; mit Intrigen ist leider zu rechnen», schreibt die NZZ zu Schwab.

Nun hat ein anonymer Whistleblower dem sendungsbewussten WEF-Patron in die Agenda gepfuscht. Es ist auch immer wieder interessant, zu sehen, wie sonst sehr besonnene Wirtschaftsführer in solchen Krisenmomenten, in denen sie selbst im Zentrum der Kritik stehen, Emotionen und geschäftliche Prozesse plötzlich nicht mehr trennen. Das, was sie sonst von anderen ganz selbstverständlich verlangen. Die Massnahmen des Stiftungsrates sind drastisch, ja. Doch man kann davon ausgehen, dass solch ein hochkarätiges Gremium mit Leuten wie EZB-Chefin Christine Lagarde oder Blackrock-Boss Larry Fink nur als Ultima Ratio darauf zurückgreift. Bei einem Problem mit dem Gründer selber ist die Hürde noch viel höher. Wenn das WEF nun «all in» gegen Schwab vorgegangen ist, dann zeigt das, dass der Stiftungsrat seine Aufsichtspflichten ernst nimmt. Die Untersuchung wird hoffentlich zeigen, was Sache ist.

Karin Kofler

Die Gastautorin

Karin Kofler ist regelmässige Gastkolumnistin und selbstständige Publizistin.

Ausgerechnet der gefeierte Langzeitchef Klaus Schwab reiht sich jetzt in die Liste der Wirtschaftsführer mit unrühmlichem Abgang ein. Doch er hätte das dramatische Finale souveräner managen können. Indem er den wahren Grund des Rücktritts sofort mitgeteilt, sein Bedauern darüber ausgedrückt und versichert hätte, dass er die Untersuchung ernst nehme und voll kooperiere.

Doch der WEF-Übervater hat die Kontrolle über sein Schicksal verloren. Oder wie sein Direktor Alois Zwinggi dieser Tage treffend sagte: «Institutionen sind in der Regel grösser als Individuen.»