Silber und Gold auf Rekordkurs – so lautete in den vergangenen Tagen und Wochen das Motto an den Edelmetallmärkten. Gold notierte auf einem Allzeithoch, Silber knackte den Höchststand von 1980. Und heute – nach dem Tod von Osama Bin Laden – ging es bergab. Beim Gold um rund 0,7 Prozent, beim Silber deutlicher. Am Nachmittag stand der Kurs mit einem Minus -5,38 Prozent bei 45,42 Dollar pro Feinunze. Das Tagestief lag sogar bei 43,28 Dollar. Und nicht nur bei den Edelmetallen tat sich etwas: Der Euro-Dollar-Kurs gab nach, ebenso der Ölpreis. Die Aktienmärkte notierten positiv. Und der Grund?
Rohstoff-Analyst: kein Bin-Laden-Effekt
„So etwas wie einen Bin-Laden-Effekt gibt es für mich nicht“, sagt Bayram Dincer, Rohstoffanalyst bei LGT Capital Management. Grund für das Minus beim Silber sei vielmehr, dass die Börse Chicago Mercantile Exchange (CME) am Freitag die notwendige Sicherheitsleistung (Margin) für Silver-Futures erhöht hat. Dies sei vorher angekündigt gewesen und habe zu Gewinnmitnahmen geführt. Der Analyst bleibt bei seiner Prognose, dass in diesem Jahr ein temporärer Höchstpreis von knapp 60 Dollar pro Feinunze Silber möglich ist.
Auch der Euro gab nach und sank unter die Marke von 1,48 US-Dollar. Ein Dollar war zeitweise 0,6770 Euro wert. Dass sich der Euro etwas von seinen Höchstständen von Ende 2009 entfernt hat, erklärten Marktbeobachter zwar auch mit der Nachricht über den Bin-Laden-Tod. Diese habe den Dollar gestützt. "Mehr als ein sehr kurzfristiger Effekt darf von dieser Meldung jedoch nicht erwartet werden", kommentieren die Experten der Commerzbank. So sei die Terrorgefahr mit dem Tod Bin Ladens keineswegs verschwunden.
Aktienmärkte suchen die guten Nachrichten
Das sieht auch der US-Chefökonom der Bank Unicredit, Harm Bandholz, so. Bin Laden hätte mit den meisten Terror-Meldungen in den vergangenen Jahren nichts mehr zu tun gehabt. „Das waren isolierte Zellen oder Einzeltäter“, sagt Bandholz. Ein Effekt auf die US-Wirtschaft oder die Märkte ist daher seiner Meinung – wenn es ihn überhaupt gibt - nur von kurzer Dauer.
„Es gab schon einen leicht positiven Effekt“, so Bandholz. „Aber das liegt auch daran, dass die Nachricht so eine ‚Feel-Good-Meldung‘ war.“ An den Aktienmärkten suche man momentan geradezu nach guten Nachrichten, da kam die Bin-Laden-Meldung nur gelegen. „Die Märkte wollen nach oben, da nimmt man eben die guten Meldungen dementsprechend gerne auf“.
Wie durchschlagend der Tod Bin Ladens sich auf die US-Wirtschaft auswirkt ist also ungewiss. Tetsu Aikawa, Kapitalmarktexperte der japanischen Shinsei Bank sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Es ist eine Verbesserung der Stimmung der US-Verbraucher zu erwarten, aber das dürfte nicht genug sein, die Entwicklung der US-Wirtschaft zu ändern.“
Hoffnungen auf gesunkene Terrorgefahr unrealistisch
Auch die gesunkenen Ölpreise bringen Experten zwar mit der Bin-Laden-Meldung in Zusammenhang – schätzen den Effekt aber nur als kurzfristig ein. Im Mittagshandel kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Auslieferung im Juni 123,67 Dollar. Das waren 2,22 Dollar weniger als am Freitag. Der Preis für ein Barrel der US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) sank um 1,84 Dollar auf 112,09 Dollar.
Händler hoffen, dass nach dem Tod Bin Ladens die Terrorgefahr zurückgehen wird und die Risikoprämien für Rohöl sinken werden. Der Tod eines Gaddafi-Sohns am Sonntag in Libyen liess laut Experten der Commerzbank ausserdem Hoffnungen auf ein schnelleres Ende des Bürgerkrieges und eine baldige Normalisierung der Ölproduktion aufkommen. Diese Hoffnungen seien aber wahrscheinlich nicht realistisch, so dass der Preisrückgang nur von kurzer Dauer sein sollte, so die Experten.