Die Schweizerische Nationalbank (SNB) passt erstmals nach fast zwei Jahrzehnten ihr geldpolitisches Konzept an. Das Zielband für den Dreimonats-Libor wird durch einen neu eingeführten SNB-Leitzins ersetzt.

«An unserer Lagebeurteilung haben wir auch entschieden, unser geldpolitisches Konzept leicht anzupassen», sagte Präsident Thomas Jordan am Donnerstag an einer Medienkonferenz zum geldpolitischen vierteljährlichen Update. Die bisherige Rolle des Zielbandes für den Dreimonats-Libor übernehme fortan der neu eingeführte SNB-Leitzins.

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Durch die Festlegung der Höhe des SNB-Leitzinses würden fortan die geldpolitischen Entscheide getroffen und kommuniziert. Aktuell beträgt dieser -0,75 Prozent.

Libor vor dem Aus

«Der Grund für die Einführung des SNB-Leitzinses ist, dass die Zukunft des Libors nicht gesichert ist», sagte Jordan weiter. Die britische Finanzmarktaufsicht hatte vor längerer Zeit angekündigt, den in London ermittelten Referenzzinssatzes nur bis Ende 2021 durchzusetzen. Das dem Libor zugrundeliegende Geldmarktgeschäft habe sich somit stark reduziert, was auch die Berechnungsgrundlage in Frage stelle.

Die Geldpolitik der SNB sei indes mittelfristig ausgerichtet: Die Inflationsprognose beruht auf der Annahme eines unveränderten Zinssatzes über die Dauer von drei Jahren. Da sie quartalsweise erstellt wird, reicht die aktuelle Prognose also erstmals über 2021 hinaus.

Die SNB passt daher bereits jetzt das Konzept an. Denn so könne die neue Prognose für den gesamten Prognosezeitraum auf dem gleichen Zins beruhen, sagte Jordan.

Die Inflationsprognose geht derweil nach wie vor von einem unveränderten Zinssatz über den gesamten Prognosezeitraum aus. Ausserdem kann die neue Inflationsprognose trotz der Anpassung mit derjenigen vom März 2019 direkt verglichen werden.

Saron im «Fokus»

Desweiteren soll der SNB-Leitzins auch bei geldpolitisch relevanten Geschäften mit der Nationalbank ins Spiel kommen und das angestrebte Zinsniveau auf dem kurzfristigen Geldmarkt signalisieren. Die kurzfristigen besicherten Geldmarktsätze sollen in der Nähe des SNB-Leitzinses liegen, sagte Jordan. Dabei sei der Saron - der aussagekräftigste kurzfristige Franken-Zinssatz - «im Fokus», sagte Jordan.

Weil die SNB mit dem Saron jedoch neu einen Tagesgeldsatz heranzieht und nicht mehr einen Dreimonatszinssatz, brauche es auch kein Zielband mehr. Das sei früher nötig gewesen, weil Erwartungen über die zukünftige Geldpolitik den Dreimonatssatz stark beeinflussen konnten.

Allerdings würden der Dreimonats-Libor und der Saron zurzeit praktisch auf demselben Niveau liegen. Mit der Festlegung des SNB-Leitzinses auf -0,75 Prozent ergäben sich also unveränderte Verhältnisse am Geldmarkt.

Der Dreimonats-Franken-Libor ist der durchschnittliche Zinssatz, zu dem eine ausgewählte Gruppe von Banken in London bereit ist, sich gegenseitig Kredite mit einer Laufzeit von drei Monaten in Schweizer Franken zu gewähren. Dieser wurde am Mittwoch bei -0,7110 Prozent festgelegt. Das SNB-Zielband lautete auf -1,25 Prozent bis -0,25 Prozent.

Unverändert expansiv

Die aktuelle Geldpolitik der SNB bleibt durch die Anpassung unverändert. Die Annahme eines unveränderten Zinses führe im gegenwärtigen Umfeld zu einer identischen Prognose, sagte Jordan.

Die SNB hatte im Dezember 1999 auf eine zinsorientierte Geldpolitik umgestellt und ein Zielband für den Dreimonatssatz am Geldmarkt festgelegt. Zuvor hatte sie auf die Geldmengen geachtet.

(sda/ccr)