Wie erklären Sie Eataly jemandem, der noch nie in einem Ihrer weltweit 32 Läden war?
Oscar Farinetti*: Es ist das Feiern der italienischen Biodiversität. Unsere Läden zeigen die ganze Tradition unserer Agrikultur und Lebensmittel. Eataly ist eine Mischung aus Markt und Restaurant, ein Warenhaus der italienischen Kultur.
Wie viel vom Eataly-Umsatz von 400 Millionen Euro stammt aus den Läden, wieviel aus der Gastronomie?
Generell zeigen sich Detailhandel und Restaurant-Umsätze in einem 50-50-Verhältnis, doch das ist je nach Standort und Land verschieden. In Italien sind es 60 Prozent im Markt und 40 im Restaurant. In Dubai machen die Restaurants 70 Prozent aus.
Sie haben Ihr Unternehmen erst 2004 gegründet und sind jetzt schon auf drei Kontinenten aktiv. Ist Eataly so etwas wie das neue italienische Export-Wunder?
Das weiss ich nicht. Was ich weiss: Italien exportiert heute erst Lebensmittel im Wert von 35 Milliarden Euro pro Jahr. Frankreich schafft 77 Milliarden. Auch Deutschland, Belgien und Holland bringen mehr hin. Das zeigt mir: Mein Land hat ein gigantisches Potenzial. Aber leider auch zwei Probleme.
Welche Probleme?
Italien ist voll von sehr kleinen Unternehmen, die fantastische Arbeit leisten. Aber für sie ist der Export schwierig, weil sie zu wenig Expertise haben. Das zweite Problem ist «La Narrazione», die Art, wie man etwas erzählt. Wir erzählen unsere Geschichte zu wenig gut.
Im Reden sind die Italiener doch herausragend, oder etwa nicht?
Bezüglich unserer Qualitäten bezüglich Traditionen und Kultur leider nicht. Meine Spezialität ist es, davon zu berichten.
Sie sind ein Italianità-Storyteller?
Ja, das bin ich, ein Geschichtenerzähler.
Wo führt Ihre Eataly-Erfolgsgeschichte noch überall hin?
Kürzlich haben wir in München eröffnet, das war der erste europäische Laden ausserhalb Italiens. Im November kommt Kopenhagen, 2017 und 2018 folgen London und Paris, das sind zwei sehr wichtige Städte für uns.
Und wann kommen Sie in die Schweiz?
Eataly kommt 2019 in die Schweiz.
Ihre Firma ist in weit fortgeschrittenen Verhandlungen mit dem Schweizer Konzern Mobimo für einen Standort im Lausanner Trendquartier Le Flon. Wird das der erste Standort hierzulande sein?
Das kann ich jetzt noch nicht bestätigen. Wir denken in der Schweiz vor allem an Lausanne, Zürich und Genf. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen.
Im Juli 2016 wurde in Nyon die Eataly Suisse SA gegründet. Das spricht sehr stark für einen Start in der Romandie.
Dazu kann ich gar nichts sagen.
Hinter dieser Neugründung stehen die Geschäftsleute Jérémy und Benjamin Abbitan, Ihre Partner in der Schweiz?
Wie gesagt, kein Kommentar.
Wenn Ihr Konzept in die Schweiz kommt: Werden das eigene Läden sein – oder vergeben Sie Franchising-Lizenzen?
In ganz Europa wollen wir direkt aktiv werden, also ohne Franchising. In Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz tun wir das in einer Partnerschaft mit der Signa Retail.
Warum ist die Schweiz interessant für Eataly?
Ganz sicher nicht wegen der Zahl der Einwohner. Die Schweiz ist ein kleines Land. Zürich als grösste Stadt hat 400'000 Einwohner. Aber interessant ist das Land ganz bestimmt, weil es eine hohe Kaufkraft gibt sowie Interesse und Respekt für hochwertige Zutaten. Und weil es nahe von unserem Sitz im piemontesischen Alba liegt. Zurigo ist näher als Roma!
Welches Format planen Sie für die Schweiz? Kleiner Laden oder Mega-Format?
Für die Schweiz denken wir an eine Grösse zwischen 3000 und 4000 Quadratmetern. Neben dem Laden dürften das dann auch etwa fünf oder sechs Restaurants plus zwei Flächen sein, die dem Lernen gewidmet sind.
Wer ist Ihr ideale Kunde? Reiche Konsumenten oder die Mittelschicht?
Reich oder nicht reich – das spielt keine Rolle. Ich habe zwei perfekte Zielgruppen: Zunächst einmal die leidenschaftlichen Lebensmittel-Fans. Und zweitens all jene, die das gerne werden möchten.
Wenn Sie einen Eataly-Laden mit 4000-Quadratmetern eröffnen: Sind dann die kleinen Pizzabäcker neben Ihnen erledigt?
Aber nein doch! Wenn Eataly öffnet, dann nützt das in aller Regel auch allen anderen rundherum. Mindestens all jenen, die sich mit Liebe um ihr Metier kümmern. Ich gebe Ihnen ein Beispiel in New York. Bevor wir dort beim Flatiron-Gebäude in Manhattan öffneten, war nicht viel los in der Gegend. Jetzt ist es ein lebhaftes Food-Center geworden.
In welcher Weltgegend kommt Eataly am besten an?
Japan hat uns alle überrascht. Aber dort essen die Menschen vielleicht einmal pro Monat italienisch. In den USA aber darf es jeden Tag Pasta sein, dort brummt es so richtig. Deshalb legen wir dort auch nach: Im November kommt in Boston ein Laden hinzu, nächsten März öffnen wir in Los Angeles, im Dezember darauf in Las Vegas.
Haben Sie keine Angst, dass der Eataly-Hype in vier, fünf Jahren wieder vorbei sein wird?
Nein. Unsere Läden wandeln sich ständig. Die Tradition bleibt die gleiche, aber den Varianten sind kaum Grenzen gesetzt. Und vergessen Sie nicht: Italienische Food-Tradition erschöpft sich nicht in Pizza und Pasta. Wir sprechen hier von dem Land mit der grössten kulinarischen Biodiversität!
Würde das Eataly-Konzept auch mit Schweizer Lebensmitteln und Waren funktionieren?
Ich denke eher nicht. Das italienische Essen ist simpel was die Rohmaterialen angeht. Das hilft. Nehmen Sie hingegen als Beispiel die französische Küche, die ist sehr kompliziert. Die italienische Küche ist auch sehr vielseitig und lässt sich gut replizieren. Die Schweizer Küche hat nicht eine so grosse Vielfalt.
Sie sind auch ein Vertreter der Slow-Food-Bewegung. Eataly wächst sehr schnell, wie passt das mit Slow Food zusammen?
Entscheidend ist, schnell zu arbeiten, aber langsam zu essen.
Wie wichtig ist das Online-Geschäft für Sie?
Online ist sehr wichtig für uns. In Italien sind wir im Online-Lebensmittelverkauf führend. In den USA sind wir führend bezüglich italienischer Waren bei Amazon. Aber der Online-Lebensmittelhandel macht weltweit nur 1 Prozent des gesamten Lebensmittelgeschäfts aus. Das liegt daran, dass 85 Prozent der Lebensmittel, die wir essen, frisch sind. Es ist einfach, online, Wein, Olivenöl und Pasta zu kaufen, schwieriger ist es mit Gemüse, Fleisch und Käse.
Warum wollen Sie mit Eataly an die Börse gehen?
Wir sind sehr global und da macht es Sinn, an die Börse zu gehen. Wir streben im Jahr 2017 oder 2018 in Mailand den Börsengang an. Mit geht es aber nicht darum, dass eine grosse Finanzfirma Eataly kauft, sondern dass ganz viele italienische Familien einen kleinen Anteil an Eataly kaufen werden. Vielleicht investiert jede Familie 10'000 Euro. Dann könnte ein Drittel des Unternehmens in den Händen italienischer Familien sein.
Was sollten wir mit 10'000 Euro machen? Luxusferien auf Capri, den Keller mit Barolo füllen oder Eataly-Aktien kaufen?
Ich würde 5000 Euro in Eataly-Aktien investieren und für den Rest Lebensmittel kaufen.
Warum wollen Sie in Italien einen Eataly-Themenpark bauen? Soll das ein Disneyworld auf italienisch werden?
Mit «Eataly World» in Bologna möchte ich erreichen, dass die Besucher die italienische Vielfalt erleben und verstehen, was alles aus Italien kommt - darauf können die Italiener nämlich stolz sein. Es könnte auch dem Export italienischer Waren helfen. Zudem können 200 lokale Kleinfimen ihre Agrarprodukte dort anbieten. Ebenso gibt es 25 Restaurants und 150 Marktplätze zum Einkaufen. Ebenso soll es Lernbereiche geben, etwa zum Thema Mensch und Landwirtschaft.
Bevor Sie Eataly gründeten, verkauften Sie Ihr Familienunternehmen Unieuro. Warum haben Sie sich nicht zur Ruhe gesetzt? Finanziell hatten Sie sicher ausgesorgt. Waren Sie gelangweilt und haben deshalb Eataly erfunden?
Für mich wäre es verrückt, wenn man seine Firma für viel Geld verkauft und danach nicht mehr arbeiten würde. Mit Geld kann man schliesslich etwas Neues gründen und weiter investieren. Es ist fantastisch, zu arbeiten. Ich bin Unternehmer!
*Oscar Farinetti ist 61 Jahre alt. Der Italiener gründete 2004 die Detailhandels- und Gastronomiekette Eataly, die mittlerweile in 32 Ländern präsent ist. Das Unternehmen hat 5000 Mitarbeiter und macht einen Umsatz von rund 400 Millionen Euro.